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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Tilsit - Timavo

Tilsit. 1) Landkreis im preuß. Reg.-Bez. Gumbinnen, hat 30 qkm und (1895) 46972 (22287 männl., 24685 weibl.) E., 209 Landgemeinden und 44 Gutsbezirke. – 2) Stadtkreis (785,72 qkm) und Kreisstadt des Landkreises und Hauptstadt des preuß. Litauen, an der Memel (eiserne Eisenbahnbrücke), am Einfluß der Tilse in die Memel, an der Linie Insterburg-Memel und den Nebenlinien Königsberg-T. (125,5 km) und T.-Stallupönen der Preuß. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Königsberg) mit 6 Amtsgerichten (Heinrichswalde, Kaukehmen, Ragnit, Skaisgirren, T., Wischwill), eines Amtsgerichts, Hauptzollamtes, einer Reichsbankstelle und eines Bezirkskommandos, hat (1895) 28217 (13446 männl., 14771 weibl.) E., darunter 681 Katholiken und 600 Israeliten, in Garnison Stab, 1. und 2. Bataillon des Infanterieregiments von Boyen (5. ostpreuß.) Nr. 41 und das Dragonerregiment Prinz Albrecht von Preußen (litthauisches) Nr. 1, Postamt erster Klasse, Telegraph, Schenkendorf- und Kriegerdenkmal, drei evang. Kirchen, darunter die deutsche mit schönem Turm und die runde litauische, eine kath. Kirche, Ruinen eines Schlosses (1537 erbaut, 1876 abgebrannt), Rathaus, neues Krankenhaus, Kasernen und Stadttheater. Ferner bestehen ein Gymnasium (seit 1586), ein Realgymnasium (seit 1839), zwei höhere Mädchenschulen, ein Lehrerinnenseminar, Mittelschulen, Armenhaus, Heilanstalt, Hospital, Vorschußverein, städtische Sparkasse, Schlachthof, Wasserleitung und Gasanstalt. T. hat Eisengießereien, Maschinenfabriken, bedeutende Gerbereien, große Seifensiedereien, Kunstwoll-, Käse-, Schuhwarenfabriken, Dampfmühlen und Sägewerke, Kalkbrennerei, Gipsfabrik, Ziegelei. Bedeutend ist der Kram- und Pferdemarkt, die Gärtnerei, der Handel mit Holz, Getreide, Flachs, Hanf, Steinkohlen, Heringen und andern Fischen sowie das Speditionsgeschäft nach Rußland und die Stromschiffahrt. Das Vorsteheramt der Kaufmannschaft vertritt die Stelle einer Handelskammer. Dampferverbindungen bestehen mit Königsberg, Memel und Kowno. – Die Stadt entstand um eine 1288 erbaute Burg, das Schalauner Haus genannt, erhielt 1552 von Herzog Albrecht Stadtrecht und wurde mit Landbesitz beschenkt. Der 7. und 9. Juli 1807 abgeschlossene Friede von T. machte dem Französisch-Preußisch-Russischen Krieg von 1806 bis 1807 (s. d.) ein Ende; am 6. Juli fand in T. die Begegnung der Königin Luise mit Napoleon statt. – Vgl. Aus T.s Vergangenheit (5 Bde., zum Teil 2. Aufl., Tilsit 1888‒92): Thimm, Beiträge zur Geschichte von T. (ebd. 1893).

^[Abb.]

Tilsit-Insterburger Eisenbahn (53,82 km), ehemalige Privatbahn, 1865 eröffnet und 1884 verstaatlicht, untersteht der königl. Eisenbahndirektion Königsberg i. Pr. (S. Preußische Eisenbahnen.)

Timansche Berge, eine Reihe von Erhebungen im nordöstl. Teil des europ. Rußlands, zwischen dem System der Petschora und der Dwina (s. Karte: Europäisches Rußland, beim Artikel Rußland). Sie bilden einen östl. Ausläufer des Uralgebirges, beginnen unweit der Stadt Tscherdyn, ziehen sich nordwestlich durch die Gouvernements Wologda und Archangelsk, enden nordöstlich an der Tscheskaja Guba (s. d.) und greifen auf die Halbinsel Kanin hinüber. In der Onikinagruppe sind sie 250 m hoch. Die Südhälfte ist schön bewaldet, der Norden baumlos.

Timansche Tundra oder Malosemelnaja Tundra (d. i. Kleinlands Tundra), Tundra (s. d.) im Kreis Mesen des russ. Gouvernements Archangelsk, längs der Tscheskaja Guba (s. d.) und des Eismeers (die Küste von der Kaninhalbinsel nordöstlich bis zum Kap Russkij Saworot heißt die Timansche Küste), zwischen dem Unterlauf der Petschora (westlich) und der Halbinsel Kanin, südlich von der Pesa und Zylma begrenzt, etwa 85000 qkm umfassend, wird von S. nach N. von den Timanschen Bergen durchzogen und besteht hauptsächlich aus breiten Thälern mit reichen Moosweiden, fischreichen Flüssen und Seen. Die Bewohner sind nomadisierende Samojeden. Östlich daran grenzt die Großlands Tundra. (S. Große Tundra und Karte: Europäisches Rußland, beim Artikel Rußland.)

Timanthes, der Sicyonier, griech. Maler, lebte gegen Ende des 5. Jahrh. v. Chr. Besonders berühmt war seine «Opferung der Iphigenia», in welchem Gemälde die Stufen des Schmerzes in Kalchas, Odysseus, Menelaos kunstvoll ausgedrückt waren, während der Vater Agamemnon im höchsten Schmerze das Haupt verhüllte, und außerdem der «Streit von Aias und Odysseus um die Waffen des Achilleus». Von ersterm Gemälde ist wahrscheinlich eine Nachbildung in einem Wandgemälde aus Pompeji (vgl. Helbig, Wandgemälde Campaniens, Lpz. 1869, Nr. 1304) erhalten. – Vgl. Brunn, Geschichte der griech. Künstler, Bd. 2 (2. Aufl., Stuttg. 1889), S. 120 fg.; Klein, Studien zur griech. Malergeschichte (in den «Archäol.-epigraphischen Mitteilungen aus Österreich-Ungarn», 1887, S. 212 fg.).

Timäus, griech. Geschichtschreiber aus Tauromenium auf Sicilien, lebte 352‒256 v. Chr. und brachte, von Agathokles aus seiner Heimat verbannt, 50 Jahre seines Lebens in Athen zu. Er führte die Rechnung nach Olympiaden (s. d.) als festes chronol. Schema in die Geschichtschreibung ein und schrieb eine Geschichte Italiens und Siciliens von den ältesten Zeiten bis 264 v. Chr. in 38 Büchern, deren nicht unbedeutende Bruchstücke von Müller in den «Historicorum graecorum fragmenta», Bd. 1 (Par. 1841), zusammengestellt wurden. T. ist vielfach von den spätern, unter anderm von Diodor, ausgeschrieben worden und bildet eine vorzügliche zuverlässige Quelle, doch war er schon im Altertum nicht ohne Grund verrufen wegen seines scharfen, zum Teil parteiischen Urteils. – Vgl. Beloch, Die Ökonomie der Geschichte des T. (in den «Jahrbüchern für Philologie», Bd. 123, Lpz. 1881); Clasen, Histor.-kritische Untersuchungen über T. von Tauromenion (Kiel 1883); Geffken, Timaios’ Geographie des Westens (Lpz. 1892).

Timäus, aus Lokri in Unteritalien (daher der Lokrer genannt), pythagoreischer Philosoph um 400 v. Chr., soll von Plato, der einen seiner Dialoge nach ihm benannte, in seiner Heimat aufgesucht worden sein. Die unter seinem Namen noch vorhandene, in dor. Dialekte verfaßte Schrift «Über die Weltseele» (hg. von Gelder, Leid. 1836) ist untergeschoben und ein nicht vor dem 1. Jahrh. v. Chr. gemachter Auszug aus dem Platonischen Timäos.

Timāvo, ein Küstenfluß, der oberhalb Triest in 60 m Breite und 2 m Tiefe aus dem Boden hervor- ^[folgende Seite]