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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tolstój; Toltēca

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Tolstoj (Lew Nikolajewitsch, Graf) - Tolteca

krassow (russisch und deutsch, Petersb. 1882), Gedichte in Reclams «Universalbibliothek».

Tolstój, Lew (Leo) Nikolajewitsch, Graf, russ. Schriftsteller, geb. 9. Sept. (28. Aug.) 1828 auf dem Gute Jasnaja Poljana im Gouvernement Tula, erhielt seine Erziehung im elterlichen Hause, dann in dem einer Tante in Kasan, studierte (von 1843 an) daselbst ein Jahr orient. Sprachen und zwei Jahre Jurisprudenz. Nach zweijährigem Aufenthalt auf seinem Familiengut trat er 1851 im Kaukasus als Artilleriefähnrich zum Militär. Hier entstanden seine ersten Werke: «Kindheit» (deutsch von Röttger, Lpz. 1882), mit den Fortsetzungen «Knabenalter» und «Jünglingsjahre» u. d. T. «Lebensstufen» (Berl. 1891), «Der Überfall», «Der Morgen des Gutsbesitzers» (sämtlich im «Zeitgenossen» gedruckt) und «Die Kosaken» (im «Russ. Boten», 1863). Er machte den Krimkrieg mit und nahm dann seinen Abschied. «Sewastopol im Dez. 1854», «Sewastopol im Mai 1855», «Sewastopol im Aug. 1855» schildern seine Kriegseindrücke. 1856 trat er in Petersburg in freundschaftliche Beziehungen zu Turgenjew, Gontscharow, Ostrowskij, Grigorowitsch und Drushinin und schrieb hier unter anderm die «Aufzeichnungen eines Marqueurs», den «Schneesturm» und «Zwei Husaren». 1857 reiste er zum erstenmal ins Ausland und kehrte enttäuscht zurück. Die Erzählung «Luzern» (übersetzt von Lange in Reclams «Universalbibliothek») enthält ein herbes Urteil über die westeurop. «Pseudokultur». In dasselbe Jahr gehört «Albert» (übersetzt ebd.). T. zog sich nun auf sein Gut Jasnaja Poljana zurück, um hier jenes Ideal eines zufriedenen Daseins zu erstreben, das er in der Novelle «Familienglück» (1859; übersetzt ebd.) schildert. Hier entstanden ferner die Erzählungen «Drei Tote» (1859), «Polikuschka» (1860; beide übers. von Wolfsohn in den «Russ. Geschichten») und «Cholstomjer, Geschichte eines Pferdes» (1861). Das Interesse für Hebung des Volksunterrichts in Rußland führte ihn zum zweitenmal ins Ausland, er wurde aber dort nicht befriedigt und gründete nun auf seinem Gute eine Dorfschule nach eigenen Grundsätzen, die er in seiner Zeitschrift «Jasnaja Poljana» verfocht. 1862 heiratete er Sofia Andrejewna Behrs, die Tochter eines Moskauer Arztes. Er faßte den Plan zu einem Roman «Die Dekabristen», von dem aber nur drei Kapitel erhalten sind. Aber bei dem Materialsammeln richtete sich sein Interesse schließlich auf den Franzoseneinfall 1812, und es entstand sein großer Roman «Krieg und Frieden», der 1865 im «Russ. Boten» zu erscheinen begann (Einzelausg. in 4 Bdn., 1872; deutsch von E. Strenge, Berl. 1885, und von Claire von Glümer in Löwenfelds Gesamtausgabe, auch in Reclams «Universalbibliothek»). Anfang der siebziger Jahre beschäftigten ihn wieder volkserzieherische und volkswirtschaftliche Fragen (er schrieb das «Abc», einige «Lesebücher» und die Schrift «Über die Volksbildung»), 1874 begann er seinen Roman «Anna Karenina» (3 Bde., 1877; deutsch von P. W. Graff, Berl. 1885; auch in Reclams «Universalbibliothek»; vollständige deutsche Ausg. von Helene Mordaunt, Berl. 1897). Die Unzufriedenheit mit dem Parasitendasein, das er als Mitglied einer privilegierten Minorität zu führen meinte, die Überzeugung von der der Majorität schädlichen sog. Kultur, das Verlangen sich zu vervollkommnen und sich nützlich zu machen, führte ihn Ende der siebziger Jahre zur Abschwörung seines bisherigen Lebens und seiner bisherigen dichterischen Thätigkeit. Er widmete sich theol. Studien und der Übersetzung der Evangelien. 1881 schrieb er die Erzählung «Wovon die Leute leben», dann seine «Beichte» (in Rußland nur als Manuskript cirkulierend; deutsch übersetzt von Sophie Behrs als «Worin besteht mein Glaube», Lpz. 1884; französisch als «Ma religion», 2. Aufl., Par. 1885; englisch als «Christ’s Christianity», Lond. 1885); ferner «Was sollen wir denn thun» (deutsch von H. von Samson-Himmelstjerna, Lpz. 1886); in den letzten Jahren endlich außer Volksschriften und sociologisch-theol. Artikeln die Novelle «Der Tod Iwan Iljitschs» (deutsch in «T.s neue Erzählungen», Lpz. 1887), das naturalistische Bauerndrama «Die Macht der Finsternis» (deutsch von Aug. Scholz, Berl. 1887), die Novelle «Die Kreutzersonate» (ebd. 1890; im selben Jahr ins Deutsche und Englische übersetzt), das satir. Lustspiel «Früchte der Bildung» (deutsch von Löwenfeld, ebd. 1891), «Herr und Diener» (mehrmals deutsch übersetzt, auch in Reclams «Universalbibliothek»), «Politik und Religion» (Berl. 1894), «Neueste Erzählungen und Abhandlungen» (russisch, ebd. 1895). – Eine Gesamtausgabe der Werke T.s erschien in 2. Auflage in 12 Bänden 1885‒86 in Moskau, eine billige Ausgabe in 13 Bänden (8. Aufl. 1889‒90); in deutscher Sprache: «Gesammelte Werke», hg. von R. Löwenfeld (Berl. 1891 fg.); «Gesammelte Schriften», hg. von H. Roskoschny (ebd. 1891 fg.). – Über T. existiert eine ganze Litteratur in russ. Sprache (vgl. K. von Reinholdt, Geschichte der russ. Litteratur, Lpz. 1886, S. 741, Anm.; seitdem erschien unter anderm Skabitschewskij, Graf L. N. T. als Künstler und Denker). Von ausländischen Arbeiten sind zu erwähnen, außer den bei Reinholdt (S. 722 fg.) genannten: de Vogüé, Le roman russe (Par. 1886); Löwenfeld, Gespräche mit T. (Berl. 1891); ders., L. N. T., sein Leben, seine Werke, seine Weltanschauung (Tl. 1, ebd. 1892); Eugen Zabel, Litterar. Streifzüge durch Rußland; Glogau, Graf Leo T. (Kiel 1893); G. Dumas, T. et la philosophie de l’amour (Par. 1893); Anna Seuron, Graf L. T. Intimes aus seinem Leben (mit Einleitung von Zabel, Berl. 1895); Baart de la Faille, Leo N. T. als theoloog en moralist (Groningen 1897) u. a. Vgl. Bulgakow, Graf L. N. T. und die russ. und ausländische Kritik seiner Werke (Petersb. und Moskau 1886).

Toltēca (Tolteken, Tulteken), die sagenhaften Bewohner der Stadt Tollan oder Tula, einer Stadt, die im Norden von Mexiko, inmitten einer in histor. Zeit von dem barbarischen Stamm der Otomi besiedelten Gegend, gelegen ist, die aber schon lange Zeit vor der Ankunft der Konquistadoren in Trümmern lag. Die ausgedehnten Ruinen derselben sind erst in neuerer Zeit bloßgelegt worden. Von dort stammen die riesigen Karyatidenbasen, die jetzt im Museo Nacional zu Mexiko aufgestellt sind. Die Tolteken sind die Pelasger des alten Mexiko. Alle Ruinen, deren Ursprung dem Gedächtnis des Volks entschwunden war, die Erfindung von Ackerbau, Handwerk und Künsten, von Zeitrechnung und Wissenschaft wird ihnen zugeschrieben. Die Berichte über das Reich der Tolteken, die Regentenliste mit ihren zum Teil sehr großen, zum Teil sehr regelmäßigen Zahlen, sind alle fabelhaft. Nichtsdestoweniger darf man wohl kaum die Tolteken einfach als Fabelgebilde, als Bewohner von Tonallan, des Sonnenlandes, auffassen, denn die Stadt Tula hat existiert. Sahagun nennt als ihre Nachkommen die Nahua, d. h. die mexikanisch redenden Provinzbe-^[folgende Seite]