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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Unzelmann; Unzertrennliche; Unzialschrift; Unzucht

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Unzelmann (Karl Wilh. Ferd.) - Unzucht

sind: Franz von Sickingens Tod und Gutenberg (nach Menzel) und Erinnerung an die Verfassung von 1848 (nach Burger).

Unzelmann, Karl Wilh. Ferd., Komiker, geb. 1. Juli 1753 zu Braunschweig, trat 1771 bei der Schauspielergesellschaft Barzaetis in Schwerin ein, führte von 1774 ab ein Wanderleben, bis er sich 1784 der Großmannschen Truppe in Frankfurt a. M. anschloß, wo er Großmanns Stieftochter, Friederike Flittner, die nachmalige Bethmann, heiratete. 1778 kehrte er nach Berlin zurück, wurde hier 1814 Regisseur beim Berliner Theater, 1823 in Ruhestand versetzt und starb 21. April 1832.

Karl Wolfgang U., Sohn des vorigen, geb. 6. Dez. 1786 zu Mainz, wurde 1802 von Goethe der Bühne zugeführt. Er übertraf seinen Vater an Gewandtheit und Vielseitigkeit und wirkte in der Posse wie im Lustspiel mit größter Auszeichnung. Sein Leben war noch unsteter und wechselvoller als das seines Vaters. Aus den glänzendsten Engagements in Weimar, wo er zuerst die Bühne betreten hatte, in Dresden, Wien, Berlin u. s. w. sank er bis zum äußersten Elend herab. Er ertränkte sich 2l. März 1843 im Thiergarten in Berlin.

Bertha U., die Nichte des vorigen, geb. l9. Dez. 1822 zu Berlin, betrat die Bühne 1842 in Stettin, wurde 1845 in Leipzig, 1847 am Hoftheater in Berlin engagiert und heiratete hier den Heldenspieler Joseph Wagner. Beide fanden 1850 beim Burgtheater in Wien lebenslängliches Engagement. In der Auffassung und Darstellung weicher, gefühlvoller Charaktere leistete sie Vorzügliches. Sie trat 1854 von der Bühne zurück und starb 7. März 1858.

Unzertrennliche, Papageien, s. Inseparables.

Unzialschrift, s. Majuskeln.

Unzucht, Gesamtbezeichnung für diejenigen strafbaren Handlungen (Unzuchts-, Sittlichkeitsdelikte, fleischliche Vergehen), durch welche die nach der ethischen Volksanschauung dem Geschlechtsverkehr gesetzten Schranken gröblich verletzt werden. Die Grenzen des staatlichen Strafrechts sind nicht ganz sicher. Ob z. B. die widernatürliche U., die U. zwischen Personen männlichen Geschlechts (Päderastie) und von Menschen mit Tieren (Sodomie) unter Strafe zu stellen sei, darüber sind die Ansichten geteilt. Das Deutsche Strafgesetzbuch hat, entgegen dem Gutachten der preuß. Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen, die Strafbarkeit der widernatürlichen U. aufgenommen (§. 175, Strafe: Gefängnis bis zu 5 Jahren; Strafkammer). Ebenso das Österr. Strafgesetzbuch (§. 129) und der Österr. Strafgesetzentwurf vom J. 1891, letzterer sogar in der erweiterten Form der U. zwischen Weib und Weib, während der Vorentwurf eines Schweiz. Strafgesetzbuchs nur den Mehrjährigen, der mit einem Minderjährigen widernatürliche U. begeht, bestraft (Art. 124). Dagegen wird die Straflosigkeit des außerehelichen Geschlechtsverkehrs, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, jetzt allgemein angenommen. Dergleichen Umstände sind: Gewalt, Drohung, Irrtumserregung, Mißbrauch jugendlicher Unerfahrenheit, Mißbrauch der Autorität, Störung der Integrität der Familie, öffentliches Ärgernis, öffentlicher Anstand, Sitte, Gesundheitspflege. Hiernach gruppieren sich die Unzuchtsdelikte, abgesehen von Doppelehe (s. d.), Ehebruch (s. d.), Blutschande (s. d.) und Kuppelei (s. d.), folgendermaßen: 1) Unzuchtsdelikte, verübt unter Anwendung von Gewalt oder Drohung: a. Notzucht (s. d.). b. Gewaltsame Vornahme unzüchtiger Handlungen (nicht nur Beischlaf) an einer Frauensperson oder Nötigung zur Duldung durch lebensgefährliche Drohungen (§. 176, Nr. 1 des Deutschen Strafgesetzbuchs. Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter 6 Monaten; Schwurgericht), c. Mißbrauch einer Willen- oder Bewußtlosen oder Geisteskranken zum außerehelichen Beischlaf (§. 176, Nr. 2 ebenda. Gleiche Strafe). Ähnlich wie zu b und c das österr. Strafgesetz §. 127. d. Verleitung zur Gestattung des Beischlafes durch Vorspiegelung einer Trauung oder Erregung eines andern Irrtums, in welchem der Beischlaf für einen ehelichen gehalten wird (Deutsches Strafgesetzb. §. 179, Zuchthaus bis 5 Jahre vorbehaltlich mildernder Umstände; Aburteilung durch die Strafkammer). Ähnlich (nicht erfüllte Zusage der Ehe) das Österr. Strafgesetz §. 506. (S. Antragsdelikte.) 2) Mißbrauch jugendlicher Unerfahrenheit. a. Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Personen unter 14 Jahren und Verleitung derselben zur Verübung oder Duldung solcher Handlungen (Deutsches Strafgesetzb. §. 176, Nr. 3. Strafe wie zu 1 b, Strafkammer. Österr. Strafgesetz §. 128. Strafe: schwerer Kerker von 1 Jahr ab), b. Verführung eines unbescholtenen, noch nicht 16 J. alten Mädchens zum Beischlaf, auf Antrag (Deutsches Strafgesetzb. §. 182. Strafe bis 1 Jahr Gefängnis; Strafkammer). 3) Mißbrauch der Autorität. Gestraft mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten (Deutsches Strafgesetzb. §. 174; Strafkammer), werden unzüchtige Handlungen, vorgenommen a. von Vormündern, Adoptiv- und Pflegeeltern, Geistlichen, Erziehern und Lehrern mit ihren Kindern und minderjährigen Schülern und Zöglingen; b. von Beamten mit Personen, gegen welche sie eine Untersuchung zu führen haben oder welche ihrer Obhut anvertraut sind; c. von bei öffentlichen Anstalten (Gefängnissen) angestellten oder beschäftigten Beamten oder Medizinalpersonen mit den in die Anstalt Aufgenommenen (Österr. Strafgesetz §. 132). 4) Unzüchtige Handlungen mit öffentlichem Ärgernis. a. Erregung öffentlichen Ärgernisses durch unzüchtige Handlungen (Deutsches Strafgesetzb. §. 183: Gefängnis bis zu 2 Jahren oder Geld bis zu 500 M.; Strafkammer. Ähnlich Österr. Strafgesetz §. 516). Hierher gehört auch der Konkubinat (s. d.). b. Verbreitung und öffentliche Ausstellung unzüchtiger Schriften, Abbildungen und Darstellungen (Deutsches Strafgesetzb. §. 184. Strafe: Geld bis 300 M. oder Gefängnis bis 6 Monate; Strafkammer, eventuell Schöffengericht. Österr. Strafgesetz § 516). Die Grenze zwischen Strafbarkeit unzüchtiger Schriften und Abbildungen und Straflosigkeit wissenschaftlicher und künstlerischer Werke ist nicht immer leicht festzustellen. c. Öffentliche Mitteilungen, geeignet Ärgernis zu erregen, aus Gerichtsverhandlungen, für welche wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen war oder aus den diesen Verhandlungen zu Grunde liegenden amtlichen Schriftstücken (strafbar wie zu 4 b nach Art. 4 des Reichsgesetzes vom 5. April 1888) . 5) U. unter Verletzung von öffentlichem Anstand, Sitte und Ordnung. Die strenge Überwachung der Prostitution (s. d.) ist aus gesundheits- und sittenpolizeilichen Rücksichten und deshalb geboten, weil die Prostitution in enger Beziehung zum Verbrechertum steht. – Die Unzuchtsdelikte stehen in starker Zunahme.