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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Urgeschichte

Beilen, Schabern und Meißeln; charakteristisch ist auch der bei Absprengung von Steinsplittern zurückbleibende Steinkern (Nucleus).

Auf die ältere folgt die jüngere Steinzeit (neolithische Periode), die natürlich nur ein Kulturbegriff ist, da sie in verschiedenen Gegenden zu sehr verschiedener Zeit begonnen haben mag. Sie ist charakterisiert durch die bessere Ausführung der Steingeräte, die nun geschliffen, poliert und nötigenfalls durchbohrt werden (so Steinhämmer und -Beile, Hacken, Schaber, Pfeil- und Lanzenspitzen, Dolche, Messer, Meißel u. s. w., Taf. I, Fig. 9 u. 10; II, Fig. 1-7, 11 u. 14), durch die Kunst der Töpferei (Taf. I, Fig. 6 u. 8; II, Fig. 12) und die größere Sorgfalt, die man der Bestattung (s. d.) der Toten und der Errichtung mächtiger Grabmäler zuwendet. In Europa fällt der Beginn dieser Periode ungefähr in die Zeit, in der das Klima des Erdteils seine heutige Beschaffenheit annahm, die diluviale Tierwelt zurücktrat und Viehzucht und Ackerbau möglich wurden. In Amerika dagegen ist überhaupt eine scharfe Trennung der Steinzeit in eine ältere und jüngere nicht möglich, da poliertes Steingerät schon in sehr alten Schichten vorkommt. Die Bewohner Europas unterhielten damals bereits einen gewissen Handelsverkehr, an günstigen Stellen, wie auf Rügen, wurden Feuersteingeräte fabrikmäßig hergestellt und weithin ausgeführt, während von Südosten her, von den Stätten der uralten babylon. Kultur, bereits gewisse fördernde Einflüsse bis nach dem Norden gelangt zu sein scheinen. Die ältesten Schweizer Pfahlbauten gehören der neolithischen Periode an. Die mächtigsten Denkmäler aus jener Zeit sind aber die megalithischen Grabkammern (Dolmen, s. d. und Tafel I, Fig. 5), ebenso wie die Cromlechs (s. d.) und Menhirs (s. d.).

Mit dem Auftreten der Metalle beginnt eine neue Zeit, die indessen von der vorigen nicht scharf geschieden ist. Am frühesten scheint das Kupfer erkannt und benutzt worden zu sein. Aber die Kupferzeit (s. d.) ist in Europa und Asien nur ein kurzes Vorspiel der Bronzezeit (s. d.). Wo man zuerst die Bronze hergestellt haben mag, ist noch immer unsicher, indes deutet manches auf das südl. Centralasien; in Amerika ist die Legierung ebenfalls bekannt gewesen und wohl selbständig erfunden worden. Die Bronzeperiode beginnt nicht überall gleichzeitig und ist in den einzelnen Gebieten von verschiedener Dauer und Bedeutung; häufig kehrt die Erscheinung wieder, daß dort, wo die Keramik blühte, wie z. B. in Mitteldeutschland, die Metalltechnik zurücktrat, während von Skandinavien das Gegenteil gilt. Gegenden hochentwickelter Bronzekultur waren in Europa die Schweiz, Ungarn, Skandinavien mit einem Teile Norddeutschlands; schwächer vertreten war diese Kultur in Frankreich, Spanien, Italien, da sie hier früh durch die Eisenkultur beeinträchtigt wurde. Die häufigsten und charakteristischsten Stücke aus der Bronzezeit sind die Beile, die sich erst allmählich aus ungeschicktern, den Steingeräten nachgebildeten Formen zu neuen Typen umgebildet haben, zum Paalstabe oder Schaftcelte und zum Celt oder Hohlcelt (s. Celte). Die Eigenschaft der Bronze, sich zu elastischem Draht ausziehen zu lassen, führte zur Erfindung neuer Geräte, vor allem der überaus häufigen Vorstecknadel oder Fibula (s. d. und Taf. III, Fig. 6 u. 7). Ringe, Armringe (Fig. 5, 10 u. 11), Halsringe (Fig. 8, 9 u. 13), Lanzenspitzen (Fig. 4), Schwerter (Fig. 1), Helm und Panzer, selbst Teile von Streitwagen wurden aus Bronze hergestellt, ferner Äxte (Fig. 2 u. 3), Messer (Fig. 15 u. 16), Sicheln (Fig. 14), Nadeln (Taf. II, Fig. 9 u. 15), Gefäße (Taf. III, Fig. 13), Musikinstrumente u. s. w.

Allmählich drang von Südosten her die Kenntnis der Eisenbereitung in Europa ein und rief mit der Zeit eine völlige Umwälzung hervor. Die sog. Eisenzeit (s. d.) verdrängte die Bronzezeit, deren Ende im Süden mit dem Jahre 1000, in Skandinavien mit dem Jahre 400 v. Chr. ungefähr zusammenfallen dürfte. Zunächst war indessen das Eisen noch das seltnere Metall, und so können wir eine frühe Eisenzeit unterscheiden, in der die Bronze noch massenhaft verwendet wird und an erster Stelle steht, und eine vollentwickelte, in der das Eisen die Bronze fast ganz verdrängt hat. Der wichtigste Typus der frühen Eisenzeit ist die Hallstätter Zeit (s. d.). Die Formen der Hallstattkultur finden sich fast in ganz Europa mit Ausnahme des Nordens; die Blütezeit dieser Kultur war aber nicht überall von gleicher Dauer, nur kurz in Italien und Griechenland, wo bald eine entwickelte Eisenzeit einsetzte, länger im Norden der Balkanhalbinsel, in den Alpen und Süddeutschland.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Hallstattkultur unter Völkern verbreitet war, über die auch die Anfänge der europ. Geschichte schon zu berichten wissen. Es sind vor allem die einst mächtigen Stämme der Illyrier in den Ostalpen und der nordwestl. Balkanhalbinsel, ferner die Etrusker, Italiker und die ältern Kelten, die ihr anhingen. Während nun im Süden die reine Eisenzeit ziemlich früh, aber nicht sehr plötzlich der Hallstattperiode ein Ende macht, findet weiter im Norden eine fast ruckweise Ausbreitung einer jüngern Eisenkultur statt, die man nach einem der ersten wichtigen Fundorte die La-Tène-Zeit (s. d.) genannt hat. Hier waltet das Eisen durchaus vor, und dem Charakter dieses Stoffes entsprechend treten die Schmucksachen und Prunkgeräte der Bronze- und Hallstattzeit vollständig gegen Waffen und Gerätschaften des praktischen Gebrauchs zurück. Der Ausgangspunkt dieser neuen, hervorragend kriegerischen Kultur ist Frankreich, und die Verbreitung der La-Tène-Funde läßt mit Sicherheit erkennen, daß es Kelten gewesen sind, die diese Kultur geschaffen und auf ihren Eroberungszügen nach Süddeutschland, Oberitalien und Spanien verbreitet haben.

Noch weiter in das Reich der eigentlichen Geschichte ragen jene Funde einer dürftigen Eisenzeit hinein, die häufig im Osten Deutschlands auftreten und den slaw. Einwohnern des frühen Mittelalters zuzuschreiben sind. Von Wällen umschlossene Zufluchtsplätze (s. Burgwall) und eine eigentümliche Keramik sind für diese Kultur charakteristisch.

Seitdem im Anfange unserer Zeitrechnung die Römer in häufige Berührung mit den german. Völkern des Nordens kamen, gewann ihre Kultur mehr und mehr Einfluß auf diese, und ein lebhafter Handelsverkehr brachte massenhaft röm. Fabrikate (Taf. IV, Fig. 14-17) nach Deutschland und Skandinavien. Nach der Zertrümmerung des Römischen Reichs bildeten sich diese Keime selbständig fort, zunächst meist in roher und ungeschickter Weise; die Reihengräber der Merowingerzeit geben Zeugnis von dieser Periode, die in vieler Beziehung einen Rückfall bedeutet. Die merowingische Zeit liegt aber bereits so vollständig im Lichte der glaubwürdig überlieferten Geschichte, daß die Gräberfunde (z. B.