Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Verfälschungen'
setzte Butter dieses, wenn man mit dem Finger stark auf die Butter drückt, sofort in kleinen Tröpfchen zu
Tage treten. Mit Kreide, Kartoffelmehl u. s. w. versetzte Butter hat ihren glatten Strich verloren und zergeht
nicht auf der Zunge, ohne die zurückbleibende körnige Masse durchfühlen zu lassen. Nichtsdestoweniger
kommen diese Fälschungen vor, zu deren Verdeckung schlaue Fälscher das gefälschte Butterstück mit einer
Hülle von guter Butter plattieren. Zum Färben der Butter wendet man Mohrrübensaft, Curcume, Safran,
ferner die Calendulablüten und bisweilen Orlean an. Alle diese Manipulationen sind nicht direkt
gesundheitsschädlich, jedoch im hohen Grade verwerflich, infofern sie eine gute Ware minderwertig machen
oder eine geringe Ware zum Preise von normaler Butter zu verkaufen bestimmt sind. Das jetzt als
Margarine (s. d.) und
Kunstbutter (s.d.) in großer Menge auf den Markt
kommende Buttersurrogat ist, wenn sorgfältig bereitet und als solche bezeichnet, eher als eine nützliche
Vermehrung, denn als eine Fälschung von Nahrungsmitteln zu betrachten. An Nährwert steht sie der
Naturbutter ganz gleich; auch wird sie nicht leicht ranzig. Für den Nachweis der stattgehabten Ersetzung der
Butter durch andere tierische Fette bietet die chem. Untersuchung genügenden Anhalt. Für den Gehalt an
Wasser gilt als Maximalgrenze 10–12 Proz.; wo gesalzene Butter üblich ist, darf der Salzgehalt 5 Proz. nicht
übersteigen.
Beim Bier sind alle Surrogate und Färbemittel
(s. Bier und Bierbrauerei) als V. zu betrachten. Als Surrogate für
Malz wendet man Stärke, Stärkezucker, Sirup und Glycerin, auch Rübenmelasse an. Letztere liefert als
Gärungsprodukt auch Amylalkohol (Fuselöl), welcher zweifellos gesundbeitsschädliche Folgen nach sich
ziehen kann; auch das Glycerin, obgleich es in der Menge von einigen Promille in dem Bier sich findet, ist in
größern Quantitäten dem Organismus gegenüber nicht ganz indifferent. Stärke und Stärkezucker drücken als
stickstofffreie Substanzen den relativen Gehalt an Eiweißkörpern im Bier herab und stören so die der
Gesundheit zuträgliche Mischung des Biers. Hopfensurrogate, wie Quassia, Aloe, Wermut, Bitterklee,
Tausendgüldenkraut, Enzianwurzel u. s. w. können weder in chem., noch in physiol. Hinsicht den Hopfen
ersetzen und sind durchaus unstatthaft. Was dagegen Krähenaugen
(Nux vomica), Herbstzeitlosesamen
(Semen colchici), Belladonna, Pikrinsäure, Pikrotorin,Koloquinten u.s.w.
anbelangt, welche gewissenlose Brauer anstatt eines Teils des Hopfens angewendet haben, so sind diese
Körper als Gifte von nachhaltigstem Einfluß auf die Gesundheit der Konsumenten, und diejenigen, die sie
anwenden, dem Strafgesetzbuch verfallen. Übrigens werden, wie die neuesten genauern Untersuchungen
ergeben haben, die Brauereien oft mit Unrecht beschuldigt, diese Ingredienzien beim Brauen hinzuzufügen.
Übereifer Nichtsachverständiger hat hier oft des Guten zu viel gethan. Als Klärungsmittel ist gegen
Haselnuß- und Buchenspäne, gegen Haufenblase, Gelatine und Tannin nichts einzuwenden, sehr verwerflich
ist aber das Calciumbisulfit.
Über die Verfälschung von Kaffee,
Milch,
Thee,
Zucker s. diese Artikel; über diejenige von
Wein s. Weinbereitung; über die von
Mehl s. Mehlfabrikation. Bei den
Konditoreiwaren findet nicht selten ein Zusatz von Gips oder
Schwerspat statt; an Stelle des Honigs werden der billige Kartoffelzucker, statt der echten Fruchtsäfte und
↔ Limonaden künstliche Äther und Essenzen, statt der Mandeln das schädliche rohe
Bittermandelöl oder Nitrobenzol verwendet. Zur Färbung werden nicht selten giftige Farbstoffe benutzt,
obwohl unschädliche zur Verfügung stehen. Auch die Gewürze sind
vielfachen V. ausgesetzt, und zwar besonders häufig im gepulverten Zustande. Die fremden Beimengungen
bestehen in Zusätzen von bereits benutzten Gewürzen, von gerösteter Brotrinde, Leinsamenmehl, Holzpulver,
Preßrückständen, Thon, Ziegelmehl, Kreide, Ocker, Schwerspat u. dgl. Die meisten V. lassen sich durch das
Mikroskop leicht nachweisen: der beste Schutz vor Gewürzverfälschung besteht darin, daß man die Gewürze
niemals in zerkleinertem Zustande kauft.
Unter den Fleischwaren sind am häufigsten die
Würste Gegenstand betrügerischer Manipulationen. Abgesehen davon,
daß zu ihrer Darstellung oft minderwertiges, verdorbenes, selbst ganz ungenießbares Fleisch Verwendung
findet, dessen fauler Geruch und Geschmack durch starke Zusätze von Pfeffer, Nelken, Zwiebeln, Knoblauch
und andern scharfen Gewürzen verdeckt wird, finden auch häufig noch übermäßiger Wasserzusatz und
reichliche Beimengung von Stärkemehl, Mehl oder Semmelmehl und Färbung mit Fuchsin statt. Man genieße
daher keine Wurst, die fleckige, weichere Stellen unter der Darmhaut hat und süßlich oder sauer riecht.
Um dem großen Unfug mit der Verfälschung der Nahrungsmittel zu steuern, bedroht das
Nahrungsmittelgesetz (s. d.) vom 14. Mai 1879 in §. 10 mit Gefängnis bis zu 6 Monaten
und mit Geld bis zu 1500 M. oder mit einer dieser Strafen das Nachmachen sowie das Verfälschen von
Nahrungs- oder Genußmitteln zum Zwecke der Täuschung im Handel; ebenso wird bestraft, wer wissentlich
verdorbene, nachgemachte, verfälschte Nahrungsmittel unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft
oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält. Nach §. 12 wird mit Gefängnis, neben
welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, bestraft, wer vorsätzlich Nahrungs-
oder Genußmittel, Bekleidungsgegenstände, Spielwaren, Tapeten, Eß-, Trink- oder Kochgeschirre oder
Petroleum, welche die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet sind, herstellt oder wissentlich solche
Gegenstände verkauft oder feilhält, wenn schwere Körperverletzung oder der Tod erfolgte, mit Zuchthaus bis
zu 5 Jahren; nach §.13 mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren, wenn der Genuß oder Gebrauch der Gegenstände
die Gesundheit zu zerstören geeignet und dies dem Thäter bekannt war; mit Zuchthausstrafe nicht unter
10 Jahren oder lebenslänglicher Strafe, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht ist.
Zugleich kann auf Polizeiaufsicht erkannt werden. Diese Bestimmungen werden ergänzt durch ähnliche des
Reichsgesetzes
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1) vom 25. Juni 1887 über den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen,
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2) vom 5. Juli 1887 über die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben,
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3) vom 20. April 1892, betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken
(Kunstwein),
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4) vom 15. Juni 1897 (früher 12. Juli 1887), betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und
deren Ersatzmittel (sog. Margarinegesetz).
Dem Gesetz vom 14. Mai 1879 ist nachgebildet das österreichische
vom 16. Jan. 1897 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen.
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 262.