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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Vollkugel; Vollmacht; Vollmar

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Vollkugel - Vollmar

wir V. vom Kunstwerk, d. h. völlige Übereinstimmung mit seiner Idee oder seinem eigenen innern Gesetz; so endlich sittliche V., d. h. völlige Übereinstimmung der Willensbeschaffenheit des Menschen mit dem Sittengesetz. Die sittliche V. deckt sich daher mit dem Besitz aller Tugenden; sie ist freilich für den Menschen eine unendliche Aufgabe, doch läßt sich wenigstens ein Fortschritt zu ihr denken; daher schreibt man dem Menschen die Fähigkeit der Vervollkommnung (Perfektibilität) zu.

Vollkugel, das früher aus glatten Geschützen geschossene massive Geschoß (s. d.) aus Stein, Blei, Schmiedeeisen, Gußeisen oder Bronze.

Vollmacht, die Erklärung, daß der in der Erklärung bezeichnete Bevollmächtigte befugt sei, Rechtshandlungen im Namen des Vollmachtgebers vorzunehmen (Bürgerl. Gesetzb. §. 166). Gewöhnlich sollen diese Handlungen auch für Rechnung des Vollmachtgebers gehen. Doch kann auch die V. Handlungen betreffen, welche für Rechnung des Bevollmächtigten oder eines Dritten gehen, z. B. das Grundstück, welches einem Vierten aufgelassen, oder die Hypothek, welche einem Vierten cediert werden soll, steht noch auf Namen des Vollmachtgebers, obwohl dieser diese Gegenstände bereits längst dem Dritten oder dem Bevollmächtigten veräußerte. Das der V. zu Grunde liegende Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ist gewöhnlich das Mandat, und der Auftrag (s. d.) geht immer auf Handlungen, welche für Rechnung oder auf Gefahr des Auftraggebers vorzunehmen sind, aber nicht immer auf Vornahme solcher Handlungen im Namen des Auftraggebers. Aber das Rechtsverhältnis zwischen Bevollmächtigtem und Vollmachtgeber kann auch ein anderes, Dienstmiete, Werkvertrag, Auftrag, Gesellschaftsvertrag, sein. Der Bevollmächtigte ist Stellvertreter (s. d.) des Vollmachtgebers im Verhältnis zu dem Dritten, dem gegenüber er eine Rechtshandlung im Namen des Vollmachtgebers vornimmt. Die Erteilung der V. kann durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden, gegenüber dem Dritten, dem gegenüber die Erklärung stattfinden soll (Bürgerl. Gesetzb. §. 167) und durch öffentliche Bekanntmachung (§. 171) erfolgen. Das Preuß. Landrecht giebt dem Vollmachtgeber bei nur mündlich erteilter V. aus den in seinem Namen geschlossenen Geschäften Ansprüche, aber verpflichtet wird er nur bei schriftlicher V. Das Deutsche Bürgerl. Gesetzb. §. 167 verlangt nicht mehr Schriftlichkeit. Natürlich braucht sich der Dritte mit einem Vertreter nicht einzulassen, der seine V. nicht nachweist, und er handelt, abgesehen von dem Anspruch gegen den Vertreter (s. Falsus procurator), auf seine Gefahr, wenn er mit einem Vertreter abschließt, der keine V. hatte oder keine so weitgehende V. (§. 174), wie auch, wenn die vorgelegte V. gefälscht war. Hatte aber der Vertreter V., wenn auch nur mündliche, so gilt das von dem so legitimierten Vertreter im Namen des Vollmachtgebers geschlossene Geschäft so, als ob es dieser selbst geschlossen hätte (§. 164). Ebenso gutgläubigen Dritten gegenüber allgemein, wenn der Vertreter keine V. erhalten hatte, sofern der Vertretene davon, daß derselbe für ihn in derartigen Geschäften auftrete, Kenntnis erhielt und dies Gebaren, ohne es zu rügen, duldete (§. 166). Gab der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten mündlich oder schriftlich in die V. nicht aufgenommene Instruktionen und handelt der Bevollmächtigte diesen zuwider, ohne daß sie dem Dritten bekannt wurden, so kann sich der Vollmachtgeber darauf nicht berufen. Die Behörde pflegt Vertreter nur zuzulassen, wenn sie sich durch notarielle oder gerichtliche V. legitimieren; nach Deutscher Civilprozeßordn. §. 76 genügt schriftliche V., die auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder notariell beglaubigt werden muß. Nach Österr. Civilprozeßordnung vom 1. Aug. 1895 (§. 30) kann das Gericht auch von Amts wegen solche Beglaubigung anordnen, wenn Bedenken gegen die Echtheit der unbeglaubigten V. entstehen. Bezüglich des Umfangs der V. s. Generalvollmacht und Stellvertreter. Der Bevollmächtigte ist zur Substitution befugt, wenn die V. das ergiebt, oder im Notfall. Sind mehrere bevollmächtigt, so müssen sie nach Preuß. Allg. Landrecht im Zweifel samt und sonders handeln, um den Vollmachtgeber zu verpflichten, dagegen genügt einer, um für ihn Rechte zu erwerben. Nach der Civilprozeßordn. §. 80 sind mehrere Bevollmächtigte berechtigt, gemeinschaftlich oder einzeln die Partei zu vertreten.

Die erteilte V. erlischt durch Widerruf. Ob auf diesen Widerruf verzichtet werden kann, bestimmt sich nach dem Rechtsverhältnis, welches der V. zu Grunde liegt (§. 168). Ist die V. dem Dritten gegenüber erklärt oder öffentlich bekannt gemacht, so muß auch der Widerruf in entsprechender Weise bekannt gegeben werden. Sonst kann sich der Vollmachtgeber dem redlichen Dritten gegenüber auf das Erlöschen der V. nicht berufen. Die V. erlischt auch, wenn sie nicht auf die Erben des Vollmachtgebers erstreckt ist, durch Tod des Vollmachtgebers und, wenn Vollmachtgeber oder Bevollmächtigter in Konkurs verfällt. Dem Dritten, welcher ohne Kenntnis dieses Erlöschungsgrundes mit dem Bevollmächtigten abgeschlossen hat, ist das Erlöschen unnachteilig. Handelsvollmacht (s. Handlungsbevollmächtigter), Prokura (s. d.) und Prozeßvollmacht (s. d.) erlöschen durch Tod des Vollmachtgebers nicht, die letztere auch nicht durch Verlust der Prozeßfähigkeit (nach Deutscher und Österr. Civilprozeßordnung). Nach Erlöschen ist die Vollmachtsurkunde zurückzugeben.

Vollmar, Georg von, socialistischer Publizist und Politiker, geb. 7. März 1850 in München, wurde in einem Benediktinerkloster erzogen, trat dann als Fähnrich in ein bayr. Kürassierregiment und machte 1866 den Krieg gegen Preußen als Offizier mit, diente darauf ein Jahr als Freiwilliger in der päpstl. Armee in Rom und trat nach seiner Rückkehr in den Dienst der Generaldirektion der bayr. Verkehrsanstalten. An dem Deutsch-Französischen Kriege von 1870 und 1871 nahm er als höherer Beamter der Feldeisenbahn teil, wurde beim Überfall von Blois schwer verwundet und Ganzinvalide. Er widmete sich hierauf philos., wirtschaftlichen und polit. Studien, welche ihn zur socialistischen Weltanschauung führten. 1877 übernahm er die Leitung der «Dresdener Volkszeitung». Schon im folgenden Jahre wurde er zu einem Jahre Gefängnis verurteilt und aus Dresden ausgewiesen, welcher Verurteilung noch eine Reihe anderer folgte, darunter 1886 in Freiberg zu 9 Monaten wegen «Geheimbündelei». V. besuchte 1879‒82 die Universitäten Zürich und Paris, war 1881‒87 und wieder seit 1890 (für München Ⅱ) Mitglied des Deutschen Reichstags, 1883‒89 auch Mitglied des sächs. Landtags, für den er dann eine Wiederwahl ablehnte, um ganz in Bayern zu wirken; 1893 wurde er auch für München in den Landtag gewählt. Er lebt auf seiner Besitzung in Soiensaß am Walchensee.