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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wahlb. - Wahnsinn

schneidenden Vermögenscensus. (S. Dreiklassenwahlsystem und Preußen, Verfassung.)

Über den Vorzug der einen oder der andern dieser Wahlarten wird gestritten. Der überwiegende Zug unserer Zeit geht noch nach möglichster Erweiterung der Wahlfähigkeit. Fast alle Kulturstaaten haben in den letzten Jahrzehnten neue Wahlgesetze erlassen oder durchgreifende Revisionen der vorhandenen vorgenommen. Dabei hat neuestens das Problem der sog. Minoritätsvertretung eine große Rolle gespielt (s. Pluralwahlsystem, Proportionalwahlsystem, Listenskrutinium) und zu Versuchen veranlaßt, z. B. in Belgien und Österreich.

Wahlb., hinter lat. Pflanzennamen Abkürzung für Göran Wahlenberg (s. d.).

Wahlbrüderschaft, ein bei den Südslawen bestehender Gebrauch, wobei sich zwei Jünglinge oder Mädchen das Gelübde geben, treu und innig wie leibliche Brüder oder Schwestern zusammen zu leben. Gewöhnlich geschieht dies am Ostermontag, und wenn sich das ganze Jahr hindurch das eingegangene Verhältnis nicht gelockert hat, so wird es am folgenden Ostermontag erneuert und in der Kirche durch den Priester eingesegnet. Fortan übernehmen die Wahlbrüder oder Wahlschwestern die natürlichen Pflichten eines Familienbandes bis an das Ende des Lebens. Von den Südslawen nahmen diesen Gebrauch die Griechen an. – Vgl. Krauß, Sitte und Brauch der Südslawen (Wien 1885); Ciszewski, Künstliche Verwandtschaft bei den Südslawen (Lpz. 1897).

Wahlenberg, Göran (d. i. Georg), schwed. Botaniker, geb. 1. Okt. 1780 auf dem Eisenwerk Skarphyttan in Philipstads Bergslag der Provinz Wermland, studierte in Upsala und wurde Amanuensis bei dem naturhistor. Museum der Universität. Nach längern botan. und geolog. Reisen in die entlegenern Landstriche Skandinaviens, die Karpaten, die Schweiz und Deutschland kehrte W. 1814 nach Upsala zurück, wo er zunächst Demonstrator der Botanik und 1829 Professor der Botanik und Medizin wurde. Hier starb er 23. März 1851. Seine vorzüglichsten botan. Werke sind die «Flora Lapponica» (Berl. 1812), «Flora Carpatorum» (Gött. 1814), «Flora Upsaliensis» (Ups. 1820) und die «Flora Suecica» (2 Bde., ebd. 1824‒26; 2. Aufl. 1831‒33). Als Geolog ist er geachtet wegen seiner genauen Beschreibung der Kemi-Lappmark und anderer wichtiger Abhandlungen. Als Arzt bemühte er sich besonders um Einführung der Homöopathie in Schweden.

Wahlershausen, preuß. Dorf, s. Bd. 17.

Wahlfähigkeitsprüfung, s. Lehramtsprüfungen.

Wahlgesetze, s. Wahl.

Wahlkapitulation, s. Kapitulation.

Wahlkollegium, s. Wahl und Electoral College.

Wahlkommissar, s. Wahl.

Wahlkonsuln, s. Konsul.

Wahlkreisgeometrie, s. Gerrymander.

Wahllinie, s. Chiffrieren, Chiffrierschrift.

Wahlmänner, s. Wahl.

Wahlrecht, s. Wahl, Jus optionis und Aktiv.

Wahlreich, eine Monarchie, in welcher im Fall der Erledigung des Throns der persönliche Inhaber und Träger der Staatssouveränität gesetzlich nicht durch eine Geblütsfolge, sondern durch die Wahl der dazu Berechtigten oder Verpflichteten bestimmt wird. W., wie ehedem das Deutsche Reich und Polen es waren, giebt es nicht mehr.

Wahlspruch, s. Devise.

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Wahlstatt oder Kloster-Wahlstatt, Dorf im preuß. Reg.-Bez. und Landkreis Liegnitz, 9 km östlich von der Katzbach, hat (1895) 1084 E., darunter etwa 400 Katholiken, Post, Telegraph, kath. und evang. Kirche und eine Kadettenanstalt in dem ehemaligen Benediktinerkloster, welches die Herzogin Hedwig zum Andenken an ihren Gemahl, Heinrich Ⅱ (s. d.) den Frommen, Herzog von Schlesien, gründete, der hier 9. April 1241 gegen die Mongolen fiel. Das Erinnerungsfest (Tataren- vulgo Tatternfest) an diese Schlacht wird hier jährlich Sonntag nach Ostern gefeiert. Von der Anhöhe, auf welcher Dorf und Kloster W. liegt, übersieht man fast das ganze Schlachtfeld an der Katzbach (s. d.). Friedrich Wilhelm Ⅲ. ließ hier ein Denkmal setzen.

Wahlvergehen, die Verletzungen der zum Schutz des Wahlrechts erlassenen Vorschriften; es gehören dahin die Wahlfälschung, die Wahlbestechung durch Kauf und Verkauf der Wahlstimme und die Verhinderung eines Wahlberechtigten, sein Wahlrecht auszuüben. Dieselben sind im Deutschen Reichsstrafgesetzb. §§. 107, 108, 109 mit Gefängnis in verschiedenen Abstufungen oder, im Falle der Wahlhinderung, mit Festungshaft bis zu 5 Jahren bedroht (zuständig: Strafkammer). Bei Wahlfälschung kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. In Österreich ist für W. maßgebend Art. 4 des Gesetzes vom 17. Dez. 1862, Nr. 8.

Wahlvermächtnis, ein Vermächtnis, bei welchem es von einer zu treffenden Wahl abhängt, was der Bedachte erhält (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §. 2154). Das lat. Optio legata bezeichnet im engern Sinn, daß das Aussuchen aus einem bestimmten Kreise von Erbschaftssachen derartig gestattet ist, daß der Beschwerte das schlechteste, der Bedachte das beste Stück wählen darf. Dem W. verwandt ist das Gattungsvermächtnis, bei dem ein nur der Gattung nach bestimmter Gegenstand zu leisten ist, z. B. ein Hektoliter Rüdesheimer (§. 2155). Von letzterm ist eine Unterart das sog. gemischtgenerische Vermächtnis, bei dem ein Gegenstand aus einer bestimmten Menge oder Zahl zu leisten ist.

Wahlverwandtschaft oder chemische Verwandtschaft, s. Affinität.

Wahn im Rheinland, Dorf im Kreis Mülheim am Rhein des preuß. Reg.-Bez. Köln, an der Linie Niederlahnstein-Köln der Preuß. Staatsbahnen, hat (1895) 1390 E., darunter etwa 150 Evangelische, als Bürgermeisterei 3941 E., Post mit Zweigstelle (Schießplatz), Telegraph, kath. Kirche; Kabel- und Drahtseilfabrik. Nahebei die Wahner Heide mit Schießplatz für die Fußartillerie.

Wahnideen oder Wahnvorstellungen, Vorstellungen eines Individuums, die, meist infolge von Hallucinationen entstanden, nur von diesem selbst als wahr und begründet angesehen werden, während sie dem gesunden Urteil sofort als irrig und unhaltbar erscheinen. W. sind das Hauptsymptom der Verrücktheit (s. d.) und werden oft mit großer Zähigkeit festgehalten (s. Fixe Idee); häufig sind sie mit maßloser Selbstüberschätzung oder mit krankhafter Furcht vor Verfolgungen verbunden. (S. Größenwahn, Verfolgungswahn.)

Wahnkante, s. Kantholz.

Wahnsinn, im populären Sinne jede Geisteskrankheit mit schon äußerlich auffallenden und darauf hindeutenden Erscheinungen, wie Aufregung, Verwirrtheit, Äußerungen und Handlungen, die auf Sinnestäuschungen, Wahnideen u. dgl. m. hindeuten.