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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Währung

in ihrem innern Verkehr in den Vordergrund schiebt. Für diese Staaten ist auch noch mehr als für Deutschland die Gefahr vorhanden, daß ihre Silbermünzen im In- und Auslande genau nach den gesetzlichen Vorschriften aus Silber nachgeprägt werden, weil dabei angesichts des großen Unterschiedes zwischen dem Marktpreis des Silbers und dem Nennwert der Silbermünzen ein großer Gewinn in Aussicht steht.

Wegen der Silberentwertung sind alle Kapitalanlagen in Papieren, die in Silber zahlbar sind, stark entwertet, was große Verluste für die betreffenden Besitzer bedeutet. Neue Kapitalanlagen in Silberländern sind erschwert. Die Schwankungen der Wechselkurse und Silberpreise verstärken die ungesunde Spekulation. Die Ausfuhr nach Silberländern wird weniger lohnend und kann unter Umständen auch eingeschränkt werden, wenngleich die Statistik bis jetzt Anhaltspunkte für eine allgemeine derartige Wirkung nicht ergeben hat. Weiterhin besteht die Gefahr einer verstärkten Konkurrenz aus den Silberländern. Der Kaufmann des Silberlandes kann billiger liefern, weil er auf dem Weltmarkt für dieselbe Menge Gold viel mehr Silber als früher erhält, während im innern Verkehr seines Landes das Silber noch annähernd im alten Verhältnis zu den übrigen Warenpreisen steht. Die deutschen Landwirte fürchten namentlich aus diesem Grunde eine stärkere Konkurrenz des ind. Weizens, haben aber thatsächlich mehr durch die Konkurrenz aus Argentinien zu leiden, das ein stark entwertetes Papierwährungsland ist und von der Silberentwertung ganz und gar nicht betroffen wird.

Besonders wichtig ist die Gefahr, daß bei fortdauerndem Sinken des Silberpreises allenthalben die Nachfrage nach Gold zunehmen und das Gold schließlich knapp werden, d. h. an Kaufkraft gewinnen würde. Das müßte sich in einem allgemeinen Lohn- und Preisrückgang äußern. Daß schon jetzt diese Gefahr verwirklicht sei, wird vielfach behauptet, hat aber noch nicht statistisch erwiesen werden können; denn die Löhne und ein Teil der Preise halten eine steigende Richtung inne, und bei den Preisen, die gesunken sind, ist die Bewegung ungleichmäßig; vor allem ist es nicht möglich gewesen, festzustellen, welchen Anteil an dem Preisabfall die Verminderung der Produktionskosten (durch Verbesserung und Verbilligung des Verkehrs, Fortschritte der Technik und Ausdehnung der Massenproduktion u. s. w.) und die Verschärfung der Konkurrenz gehabt haben. Auch die deutsche Silberkommission (s. d.) hat einen zwingenden Beweis für das Vorhandensein einer Goldknappheit nicht erbringen können, wohl aber haben die Vermehrung der Goldausbeute am Witwatersrand im Transvaal und in Colorado und die Aufschließung großer Goldstätten in Westaustralien, Alaska, Britisch-Columbia die Befürchtung einer Goldknappheit voraussichtlich dauernd beseitigt. Dagegen sind die Nachteile für die Silberproduktion nicht zu übersehen. Die deutsche Silberproduktion hat gegenüber dem Preise von 180 M. für 1 kg fein Silber im ganzen von 1873 bis 1893 einen Mindererlös von etwa 235 Mill. M. zu verzeichnen. Für die Silberproduzenten in Mexiko war der Mindererlös 1892 etwa 116 Mill. M., für die der Vereinigten Staaten von Amerika etwa 148 Mill. M.

Daß alle diese mittelbaren und unmittelbaren Nachteile der Silberentwertung sehr ernster Art sind, ist nicht zu bezweifeln. Das Ziel aller Erörterungen über die Währungsfrage richtet sich deshalb erklärlicherweise darauf, ob es möglich ist, die Silberentwertung zu hemmen. Unter den zahlreichen Vorschlägen, die dieserhalb gemacht sind, sehen einige von grundsätzlicher Umgestaltung der Währungsverhältnisse ab. In der deutschen Silberkommission wurde in dieser Hinsicht unter anderm die Verstaatlichung der ganzen Silberproduktion auf Grund internationaler Verständigung und die Schaffung einer «Hauptsilbermünze» nach dem Wertverhältnis 1:21 mit Zahlungskraft bis zu 1000 M., also einer Courantmünze zweiter Klasse an Stelle der bisherigen Reichssilbermünzen erörtert (Vorschlag von Professor Lexis). Ein ähnliches Ziel verfolgten der frühere Reichsbankpräsident von Dechend und andere mit dem Vorschlag, an Stelle der kleinern Gold- und Papiergeldzeichen vollwertige Silbermünzen mit Zahlungskraft bis zu bestimmter Grenze auszugeben. Diese und ähnliche Vorschläge sind entweder nicht durchführbar oder gegenüber der starken Silberproduktion nicht wirksam genug.

Das Hauptinteresse bieten deshalb nach wie vor die Vorschläge, die eine Umgestaltung der Währungsverhältnisse bezwecken. In Wahrheit kommt hier nur die Einführung der Doppelwährung in einem Lande, oder in mehrern oder in allen Kulturstaaten in Frage als ein Mittel, durch Steigerung des Münzbedarfs an Silber den Silberpreis zu heben.

Dem Ziele des Bimetallismus, der auf Grund eines internationalen Vertrages die Doppelwährung in allen oder wenigstens den wichtigsten Kulturstaaten einführen will, stehen nicht die Bedenken entgegen, die gegen den Plan erhoben werden müssen, die Doppelwährung in einem einzelnen Lande einzuführen. (Über die Entwicklung des Bimetallismus s. Doppelwährung.) Die Gefahr, daß einem Lande sein Gold entzogen würde, besteht bei Durchführung dieses Gedankens nicht. Auch würde der Bedarf an Silber dadurch sehr wesentlich gesteigert werden, so daß nur bei größern Verschiebungen in den Produktionsverhältnissen der Marktpreis des Silbers sich von dem international vereinbarten Wertverhältnis entfernen würde. Ganz ist indes diese Möglichkeit nicht auszuschließen, weil man die Produktion des Silbers nicht in der Hand hat. Die Silberproduktion würde bei der internationalen Doppelwährung ohne Frage einen starken Antrieb erhalten und leicht über den Bedarf hinauswachsen. Geschieht das in erheblichem Maße, so wird sich auf dem Weltmarkt das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber zu Ungunsten des letztern verschieben, was sich in einem Goldagio äußern würde. Damit aber wäre die Kalamität der Silberentwertung, wenn auch vielleicht in weniger scharfer Weise als jetzt, wiederhergestellt. Diese Gefahr ist um so größer, je mehr das vereinbarte Wertverhältnis sich von den jetzigen Marktverhältnissen entfernt. Am stärksten ist die Gefahr, wenn man das frühere Verhältnis 1:15½ wiederherstellt. Die Vertreter des Bimetallismus sind über die Frage des Wertverhältnisses, die übrigens nicht grundsätzlicher, sondern rein praktischer Art ist, nicht einig. Auch in der deutschen Silberkommission zeigte sich das, da die einen das Verhältnis 1:15½, andere dagegen 1:24 empfahlen, während es in der That im Sept. 1897 auf 1:40 gesunken war.

Daß, abgesehen von diesen Bedenken, das Zustandekommen und die Dauer des bimetallistischen Vertrags bei den zum Teil auseinandergehenden Interessen der einzelnen Länder sehr schwierig,