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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Waltham; Waltham Holy Croß; Walthamstow; Waltharĭus; Walther von der Vogelweide

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Waltham - Walther

amtes, hat (1895) 5618 E., darunter 47 Katholiken, Postamt zweiter Klasse, Telegraph, evang. Stadtkirche, ein Schloß (Tenneberg, 1392) auf dem Burgberg, jetzt Sitz der Behörden, Rathaus, zwei Bürgerschulen, Gewerbeschule, Mädchenpensionat, Bezirkskrankenhaus, Hospital, Gasanstalt, Wasserleitung, Gewerbebank; bedeutende Fabrikation von Spielwaren aus Papiermaché, Fleisch- und Wurstwaren, Pfeifen und Cigarrenspitzen, Tierfiguren, Alabasterwaren, Schläuchen, Bürsten und Papier, Gerbereien und Mühlen; Handel mit Spielwaren und Fleischwaren. Nahebei Schnepfenthal (s. d.).

Waltham (spr. wóllthämm), Stadt im County Middlesex im nordamerik. Staate Massachusetts, 16 km westlich von Boston, links am Charles-River und an zwei Bahnen, hat (1890) 18707 E., die bekannte große Waltham-Taschenuhrenfabrik, welche 1854 errichtet, zuerst Uhren mit Hilfe von Maschinen herstellte, zwei Baumwoll- und Bleichwerke, Eisengießerei, Papiermühle, Fabrikation von Schmirgelrädern, Wagen u. s. w.

Waltham Holy Croß (spr. wólltämm), angelsächs. Wealdham, Stadt in der engl. Grafschaft Essex, links am Lea, an der Linie London-Cambridge der Great-Eastern-Eisenbahn, hat (1891) 6066 E., eine teilweise erneuerte Abteikirche, in welcher der letzte angelsächs. König Harald begraben liegt; Pulvermühlen und Zündhölzchenfabrikation.

Walthamstow (spr. wólltämmstoh), Stadt in der engl. Grafschaft Essex, nordnordöstl. Vorort von London, 11 km von Charing Croß, an der Great-Eastern-Eisenbahn, hat (1891) 46346 E. gegen 21715 im J. 1881.

Waltharĭus, genauer Waltharius manu fortis, eine lat. Dichtung, die etwa 930 in Hexametern als metrische Schulübung von dem St. Galler Mönche Eckehart Ⅰ. (s. d.; gest. 973) gedichtet und später von einem Mönche desselben Klosters, Eckehart Ⅳ. (gest. um 1060), zum Teil überarbeitet wurde. Die Dichtung, die im letzten Grunde sicher auf deutsche allitterierende Lieder zurückgeht, gehört dadurch trotz christl. und gelehrter Einschiebsel zu den wichtigsten Quellen für die Kunde der alten deutschen Heldensage. Sie berichtet, wie ihr Held, der vergeiselte Königsohn Walther von Aquitanien, bei Attila weilt, wie er mit Hildegunde, der Tochter König Heinrichs von Burgund flieht, und wie er auf dem Wasgenstein (d. i. den Vogesen) gegen den habgierigen König Gunther und seine Recken siegreich kämpft. Dem Dichter, der Virgil besonders plündert, glückt der einheitliche Aufbau des Ganzen und der wilde volksmäßige Humor der Einzelkämpfe wunderbar gut. Der W. wurde herausgegeben von Peiper (Berl. 1873), mit Übersetzung von Scheffel und Hölder (Stuttg. 1874), übersetzt von P. von Winterfeld (Innsbr. 1897). Von einem angelsächsisch allitterierenden und einem strophischen mittelhochdeutschen Walthergedicht des 13. Jahrh. sind nur Bruchstücke da. In der Thidrekssaga, die aus niederdeutschen Quellen schöpft, und, wie es scheint, in dem mittelhochdeutschen und bruchstückweise erhaltenen Gedicht von Walther aus dem 13. Jahrh. mußte Walther seinen Raub gegen die verfolgenden Hunnen, unter ihnen Hagen, verteidigen. Auswüchse der Walthersage zeigt die poln. Version von Walczerz wdały, die neben alten Zügen ganz junge Motive enthält. – Vgl. Müllenhoff (in der «Zeitschrift für deutsches Altertum», Bd. 12, S. 264); Heinzel, Über die Walthersage (Wien 1888); Knoop, Die deutsche Walthersage und die poln. Sage von Walther und Helgunde (Pos. 1887).

Walther von der Vogelweide, mittelhochdeutscher Dichter, wurde um 1165‒70 geboren, wahrscheinlich in Österreich (nach anderer Ansicht in der Gegend von Bozen), aus niederm Adelsgeschlecht, lernte in Österreich, wo Reinmar der Alte gefeierter Modedichter war, «singen und sagen». Als sein junger Gönner, Herzog Friedrich der Katholische, 26. Dez. 1174 auf einer Kreuzfahrt starb, verlor W. seine bis dahin sehr günstige Stellung in Wien und begann ein Wanderleben, das ihn von der Seine bis zur Mur, vom Po bis zur Trave brachte. Im Dienste König Philipps besang er im Sept. 1198 dessen Krönung; im nächsten Jahre erscheint er in seinem oder im Gefolge Hermanns von Thüringen auf dem Weihnachtsfest zu Magdeburg. Damals etwa wird er am Thüringer Hofe Wolfram von Eschenbach, später in Meißen Heinrich von Morungen kennen gelernt haben. Schon im Mai 1200 und nach urkundlichem Zeugnis im Nov. 1203 war er wieder in Österreich und machte vergebliche Versuche in Wien, bei Herzog Leopold dem Glorreichen dauernde Aufnahme zu finden. Von neuem bot ihm der Thüringer und zeitweise der meißnische Hof eine Zuflucht (etwa 1203 bis Sommer 1211). Als der Papst den einst begünstigten Kaiser Otto Ⅳ., der nach Philipps Tode allgemein anerkannt war, in den Bann that (Frühling 1211), loderte W.s Zorn gegen Roms treulose Politik auf; für Otto sang er seine mächtigsten, leidenschaftlichsten, polit. Sprüche, die nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen Tausende dem Papste abwendig machten. Aber schon im Herbst 1213 ging W., dessen innerste Neigung immer den Staufern gehörte, mit der egoistischen Sorglosigkeit des Fahrenden von dem geizigen Welfen zu Friedrich Ⅱ. über, der ihn durch ein kleines Lehn belohnte. Neue Wanderungen führten ihn nach Kärnten, Aquileja, Mödling, Tegernsee, besonders nach Österreich (Anfang 1217), wo er bis etwa 1220 blieb und den vom Kreuzzug heimkehrenden Herzog begrüßte. Im Auftrage Friedrichs Ⅱ. und seines nächsten Rates, des Erzbischofs von Köln, spätern Reichsverwesers Engelbert, dem W. sehr nahe stand, war er dann für die Wahl Heinrichs Ⅶ. und für den Kreuzzug thätig; dagegen ist er wohl nicht der Erzieher des jungen Königs Heinrich gewesen. Nach 1220 ward ihm zum Dank ein neues reicheres Lehn zu Würzburg zu teil, das dem armen Sänger endlich gesicherte Existenz gab. Engelberts Ermordung beklagte er in zorniger Trauer auf dem Nürnberger Tage (Nov. 1225). Noch einmal erhob er grollend seine Stimme, als wiederum Rom seinen Kaiser bannte (Nov. 1227); aber sein Pathos mischt sich mit elegischen müden Tönen. Den Kreuzzug von 1228 hat er nicht mitgemacht. Er starb um 1230, wahrscheinlich in Würzburg, wo er im neuen Münster begraben sein soll.

W. dichtete Lieder und Sprüche. Er begann im Geschmack Reinmars des Alten mit modischen, reflektierenden Liebesliedern; als er aber genötigt war, sich an den Höfen und auf der Straße sein Brot zu ersingen, da überwand er das adlige Vorurteil, dem nur das höfische Minnelied und der Ritterroman standesgemäß schien. Dadurch, daß er die vollendete Kunstform der höfischen Dichter mit der erquickenden Frische des Volksliedes, mit dem ausgelassenen Humor der Vagantenlyrik verband, schuf er unerreichte Perlen des Minnesanges, so das berühmte Lied «Unter der Linde». Deutschlands Lob sang er