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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Weber (Karl Maria, Freiherr von)

gleiten, und nahm, als ihm dieser entfloh, tief gekränkt seine Entlassung; er lebte nun als Privatmann 1804‒9 in Jagsthausen, dann in Weikersheim. 1820‒24 vertrat W. das Oberamt Künzelsau in der württemb. Ständeversammlung. Er starb 20. Juli 1832 zu Kupferzell. Als Schriftsteller trat er zuerst auf mit seiner «Möncherei» (3 Bde., Stuttg. 1818‒20), einer Geschichte des Mönchtums, die, obgleich als Geschichtswerk mit wesentlichen Mängeln behaftet, doch das Gepräge eines eigentümlichen Geistes trägt. Ähnliches gilt von seiner Schrift «Das Ritterwesen» (3 Bde., Stuttg. 1822‒24). Allgemeinen Beifall fanden seine satir.-humoristischen Schriften «Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen» (4 Bde., Stuttg. 1826‒28) und der noch heute gelesene «Demokritos, oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen» (Bd. 1‒5, ebd. 1832‒35; 8. Aufl. in neuer Ausg., 12 Bde., 1888; Auswahl, Berl. 1870; auch in Reclams «Universalbibliothek»). Eine Sammlung seiner «Sämtlichen Werke» erschien nach seinem Tode (30 Bde., Stuttg. 1834‒44).

Weber, Karl Maria, Freiherr von, Komponist, geb. 18. Dez. 1786 in Eutin, Sohn des Offiziers Franz Anton von W. (des Vetters der Konstanze von W., s. Mozart). Sein Vater war vom Militär zur Musik und Theaterleitung übergegangen und damals Kapellmeister am Eutiner Hofe, zog aber später, voller Projekte und ohne Ruhe, in Deutschland umher, besonders nachdem sein Wunsch, seinen Sohn zu einem musikalischen Wunderkinde gedeihen zu sehen, in Erfüllung zu gehen schien. W.s Kunstneigungen blieben lange unentschieden, so daß er auch in den bildenden Künsten Fortschritte machte, bis endlich die Musik die Oberhand gewann. Bei Heuschkel in Hildburghausen legte er 1796 den Grund zu einem soliden und fertigen Klavierspieler; 1798 genoß er in Salzburg Michael Haydns Unterricht und ließ sechs Fughetten als sein erstes Werk drucken, worauf er noch in demselben Jahre bei dem Gesanglehrer Wallishauser (Valesi) und dem Organisten Kalcher seine Studien fortsetzte. Während er bei Kalcher mit Harmonie- und Kompositionslehre beschäftigt war, schrieb er seine erste Oper «Die Macht der Liebe und des Weins». Die Erfindung des Steindrucks durch Senefelder in München und die Unvollkommenheit seiner Maschinen brachte die beiden W., Vater und Sohn, auf die Idee, durch Selbstdruck und Selbstverlag sich von den spröden Musikverlegern zu emancipieren. Senefelders Verfahren wurde von ihnen verbessert und schon 1798 in den so gedruckten «Sechs Variationen fürs Klavier Nr. 1» erprobt.

In Freiberg in Sachsen, wohin sie 1800 kamen, gedachten sie die Sache im großen zu betreiben, waren aber bald mit ihren Mitteln zu Ende. Hier komponierte W. als vierzehnjähriger Knabe die Oper «Das Waldmädchen», die im Okt. 1800 zuerst in Chemnitz aufgeführt wurde. In Salzburg schrieb er 1801 die zweiaktige Oper «Peter Schmoll und seine Nachbarn», die 1802 in Augsburg zur Aufführung kam. 1803 ging W. nach Wien, wo er bei Abt Vogler ein Jahr lang eifrig studierte, auch einige Variationen und den Klaviersauszug zu Voglers Oper «Samori» herausgab. Vogler verschaffte ihm die Stelle eines Musikdirektors in Breslau, die er im Herbst 1804 antrat. Ende 1806 ging er auf Einladung des kunstliebenden Prinzen Eugen von Württemberg nach Karlsruhe in Schlesien. Außer zwei Sinfonien für die dortige Kapelle schrieb er noch mehrere Konzert- und Harmoniestücke. Als der Krieg die Kapelle wie überhaupt diesen Kunst- und Ruhesitz zerstörte, kam W. an den Hof des Herzogs Louis von Württemberg nach Ludwigsburg bei Stuttgart als dessen Sekretär. Hier, an einem wilden, verderbten Hofe, als Schuldenverwalter des Bruders des Königs, führte ihn seine vom Vater ererbte und genährte Neigung, den Kavalier zu spielen, in bedauerliche, mit ihren Nachwirkungen tief in sein folgendes Leben sich hineinziehende Verirrungen. Als dann auch noch sein alter Vater im April 1809 bei ihm anlangte, kam er bald dem pekuniären wie moralischen Bankrott nahe. Ende Febr. 1810 wurde er nebst seinem Vater des Landes verwiesen: ein unrühmlicher Abschluß seiner Staatslaufbahn, aber die größte Wohlthat, die ihm als Künstler widerfahren konnte.

W. ging im April 1810 nach Darmstadt zu seinem Lehrer Abt Vogler, wo er in Gemeinschaft mit Gänsbacher und Meyerbeer seine Studien wieder aufnahm. In Stuttgart entstanden trotz seiner amtlichen Stellung mehrere bedeutende Kompositionen: die Rochlitzsche Kantate «Der erste Ton», Lieder, die erste der vier großen Klaviersonaten, Ouverturen, Sinfonien und endlich seine erste namhafte, von Hiemer in Stuttgart nach der Handlung, des «Waldmädchen» umgebildete Oper «Silvana», die nicht nur in der Musik, sondern auch in der Handlung (Wald- und Ritterleben) als eine Vorläuferin seiner beiden Hauptwerke «Freischütz» und «Euryanthe» angesehen werden muß. Merkwürdig, wie die Oper selbst, war für sein folgendes Leben auch ihre erste Aufführung in Frankfurt, 16. Sept. 1810, weil die Titelrolle von seiner nachherigen Frau, Karoline Brandt, gegeben wurde. Im Nov. 1810 schrieb er in Mannheim bei Gottfried W. die Operette «Abu Hassan», ebenfalls von seinem Freunde Hiemer gedichtet, welche Stuttgarter Vorgänge (drängende Gläubiger und gequälte Schuldner) behandelt und dortige Persönlichkeiten persifliert. Von Ostern 1813 bis Okt. 1816 leitete W. die Oper in Prag als Nachfolger Wenzel Müllers und entfaltete eine bedeutende Thätigkeit. Im Sept. 1814 entstanden auf einer Erholungsreise als Nachwirkung der in Berlin erhaltenen nationalen Anregung seine begeisternden, Aufsehen erregenden Kriegslieder zu Theodor Körners Dichtungen, an deren Spitze «Lützows wilde Jagd» und das «Schwertlied» stehen. Nach der Schlacht bei Waterloo folgte die große Kantate «Kampf und Sieg». 1816 war W. vorübergehend in Berlin und kam Ende dieses Jahres nach Dresden als Kapellmeister an die im Entstehen begriffene deutsche Oper, die neben der vom Hofe begünstigten und mit allen Mitteln der Kunst ausgerüsteten ital. Oper einen harten Stand hatte. Zu Hoffesten entstanden eine Jubelkantate, Jubelouverture, Jubelmesse in Es, die kleinere Messe in G und mehrere Kantaten.

Zu Anfang 1817 geriet W. in Gemeinschaft mit Friedrich Kind auf die Geschichte des Freischützen, die schon 1810 in Mannheim ihm und seinem Freunde Dusch als passender Opernstoff erschienen war. Die Komposition war 1820 vollendet. Unmittelbar darauf schrieb W. die reizende und charakteristische Musik zu Wolffs Schauspiel «Preciosa», die 15. März 1821 zum erstenmal in Berlin mit nachhaltigem Erfolg auf die Bühne kam und die Erwartungen in hohem Grade spannte auf W.s neue