Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

783

Wirkmaschine

den Faden zwischen den Nadeln niederdrückt und vor den alten Maschen a zwei neue Henkel b kuliert. Die Platine wird gegen die Nadelhaken vorgeschoben. Sie drängt mit ihrem Kinn die neuen Henkel unter die Haken, die gleich darauf von der herabgehenden Presse bei p geschlossen werden (Fig. 3). Die alten Maschen gleiten daher über die niedergepreßten Hakenspitzen und werden bei weiterm Vorschub und gleichzeitigem Steigen der Platine (Fig. 4) von den Nadeln abgeschlagen. Sinken und Zurückziehen der Platine nach der Ausgangsstelle A bewirkt erneutes Einschließen der Ware und damit den Beginn eines neuen Spiels (Fig. 1).

Bei dem 1589 von William Lee (s. d.) in Calverton erfundenen, noch vielfach in Gebrauch stehenden Handkulierstuhl erfolgen die Bewegungen der einzelnen Werkzeuge teils unmittelbar durch die Hand des Wirkers, teils unter Vermittelung geeigneter Mechanismen (Platinenbarre, Platinenschwingen, Rößchen, Walze u. a.) durch vom Arbeiter benutzte Tretschemel. Mechanische Wirkstühle, Wirkmaschinen (Fig. 9), die seit der Mitte dieses Jahrhunderts Verwendung finden, werden mit Elementarkraft betrieben und arbeiten selbstthätig.

Durch Mindern oder Mehren der Maschenzahl in den aufeinander folgenden Maschenreihen entstehen Gewirke verschiedener Umrißgestalt; andererseits können durch gleichzeitige Verwendung verschiedenfarbiger Fäden, durch Abweichungen der Fadenlage und Maschenform von derjenigen der glatten Ware verschiedene Musterungen hergestellt werden. Hierzu dienen besondere Hilfswerkzeuge. Zu den wichtigsten derselben gehören: die Mindernadel, der Decker sowie die Minder- und Deckmaschine zum Abheben einzelner Maschen von den sie tragenden Nadeln und Überhängen derselben auf Nachbarnadeln, wodurch entweder die Breite der in der Herstellung begriffenen Ware geändert wird, oder innerhalb der Warenfläche teils Öffnungen, wie bei der Petinetware, teils Erhöhungen entstehen, wie bei der Ananasware; Einrichtungen des Fadenführers, um mittels derselben verschiedenfarbige Fäden in regelmäßigem Wechsel oder gleichzeitig in bestimmter gegenseitiger Lage den maschenbildenden Werkzeugen zuzuführen, so daß lang- oder quergestreifte, karrierte und plattierte Waren entstehen; die Ränder- oder Fangmaschine, eine zweite Nadelreihe, deren Nadeln (Maschinennadeln) etwa senkrecht zwischen den Stuhlnadeln stehen und die vermöge allseitiger Beweglichkeit der Nadelbarre befähigt sind, die auf den Stuhlnadeln gearbeiteten Maschen so umzuformen, daß verwickeltere Fadenverschlingungen hervorgehen, wie sie z. B. der Ränder- oder Rechtsware, der Fangware, der Perlware eigentümlich sind; die Preßmaschine oder das Preßblech, eine an der gewöhnlichen glatten Presse verstellbar befestigte, gezahnte Blechschiene, mittels deren bei dem zum Zweck des Abschlagens der Ware vorgenommenen Pressen nicht alle Nadelhaken gleichzeitig, sondern nur in der Gestaltung des Preßbleches entsprechender Auswahl geschlossen werden, so daß die auf den nicht gepreßten Nadeln hängenden Maschen nicht abgeschlagen werden (Preßmuster).

Im Rund- oder Cirkularkulierstuhl liegen die Nadeln entweder auf einer Kreisscheibe in radialer Richtung (franz. Rundkulierstuhl) oder auf der Umfläche eines stehenden Kreiscylinders parallel zur Cylinderachse (engl. Rundkulierstuhl). Die Scheibe oder der Cylinder bilden den Nadelkranz des Rundstuhls. Derselbe ist um seine geometr. Achse drehbar, so daß bei der Drehung die Nadelhaken auf einer Kreislinie fortschreiten und hierbei nach und nach in den Bereich des Fadenführers und der diesem folgenden Platinen gelangen. Diese Platinen werden durch lamellenartig gestaltete, feste oder bewegliche Stahlblechzähne eines oberhalb der Nadeln gelagerten Rades, des Kulierrades oder der Mailleuse, gebildet, das um eine gegen die Nadelrichtung geneigt gelagerte Achse drehbar ist und durch den umlaufenden Nadelkranz in Drehung versetzt wird. Eine neben dem Kulierrad angeordnete metallene Kreisscheibe, das Preßrad, wirkt als Presse. In engl. Stühlen tritt zum Kulierrad noch ein Verteilungsrad hinzu zur Herstellung gleich langer Fadenhenkel, sowie zwei weitere, dem Kulierrad ähnlich eingerichtete Räder, die zum Auftragen der Maschen auf die gepreßten Nadelhaken sowie zum Abschlagen derselben dienen. Bei großem Durchmesser des Nadelkranzes können auch zwei oder mehr Maillons an diesem angebracht sein, so daß gleichzeitig zwei oder mehr Fäden zur Verarbeitung kommen. Das auf dem Rundstuhl hergestellte Gewirk besitzt die Form eines Schlauches, der entweder als solcher unmittelbar verwendet wird (z. B. als Strumpflängen) oder in der Längenrichtung aufgeschnitten werden muß. Auch auf dem Rundstuhl lassen sich unter Zuhilfenahme geeigneter Nebeneinrichtungen gemusterte Wirkwaren herstellen.

Der Kettenstuhl, der entweder als Hand- oder mechan. Stuhl, als flacher oder Rundstuhl ausgeführt sein und mit Haken- oder mit Zungennadeln arbeiten kann, ist erheblich einfacher als der Kulierstuhl. Zu den Nadeln, der Presse und den Platinen (die hier nur stehende sind) tritt noch eine Reihe Lochnadeln, die in einer Nadelbarre befestigt sind und unter 45° gegen den Horizont geneigt vor der Stuhlnadelreihe liegen sowie gehoben und gesenkt, seitlich verschoben und zwischen die Stuhlnadeln eingeführt werden können. Die von einem Kettenbaume kommenden und mittels einer Spannvorrichtung in geeignetem Maße straff gehaltenen Kettenfäden sind, bevor sie das bereits fertige Warenstück erreichen, durch die Bohrungen der Lochnadeln gezogen. Durch die der Lochnadelbarre mitgeteilte eigentümliche Bewegung wird jeder Kettenfaden seitwärts gezogen, unter und über eine Stuhlnadel gelegt und dadurch zu einer Schleife gebogen, die nun unter Vermittelung der Platinen und der Presse dieselbe Behandlung erfährt wie die Henkel der Kulierware, so daß sie sich nach dem Abschlagen der fertigen Ware als Masche anschließt. Durch Legen in verschiedener Weise unter und über die Nadeln entstehen verschiedene Kettenwaren.

Eine besondere Art des Wirkstuhles bildet die Strickmaschine, die ebenfalls sowohl glatte als gemusterte Wirkwaren liefert. Die Maschenbildung und Vollendung des Gewirkes erfolgt hier nach Art des Handstrickens, indem der Strickfaden mit Hilfe einzeln beweglicher Hakennadeln durch die schon fertigen Maschen hindurchgezogen und hierbei immer nur je eine neue Masche fertig gestellt wird. Die Nadeln der Strickmaschinen werden mit Hilfe eines Schlosses in ihrer Längenrichtung verschoben. Sie gleiten hierbei in prismatischen Riemen eines Nadelbettes, das entweder cylindrisch oder ebenflächig gestaltet ist. Man unterscheidet danach auch hier Rund- und Flachstrickmaschinen.