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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wolsk; Wolter; Woltmann

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Wolsk – Woltmann

von England. Seine fast unbeschränkte Staatsleitung hielt sich in den von Heinrich Ⅶ. vorgezeichneten Bahnen, eine grundsätzliche Friedenspolitik schuf dem Handel Freiheit zur Entwicklung, und zugleich gab er England eine europ. Großmachtstellung durch seine meisterhafte Diplomatie. Im Innern arbeitete er an dem Ausbau des von Heinrich Ⅶ. begründeten königl. Absolutismus im Verfassungsstaat, und um die Einsprache der Parlamente zu meiden, führte er trotz der Verschwendung des Königs die Finanzverwaltung so vorzüglich, daß unter seiner Staatsleitung nur ein einziges Mal (1523) ein Parlament berufen wurde und zwar wegen des gegen Franz Ⅰ. von Frankreich begonnenen Krieges, in den Heinrich Ⅷ. gegen W.s Willen den Staat gestürzt hatte. Der Krieg verlief für England gänzlich unfruchtbar; doch gelang es W., wenigstens einen finanziell günstigen Friedensabschluß herbeizuführen (1525). Inzwischen war W.s Gegnern, an deren Spitze der Herzog von Norfolk stand, das Glück widerfahren, daß Heinrich sein Auge auf eine Nichte Norfolks, Anna Boleyn (s. d.), warf, mit deren Hilfe sie ihn völlig umgarnen und ihn sogar zum Plan einer Ehe mit Anna bringen konnten. W. arbeitete dagegen, aus persönlichen Gründen und weil die Scheidung Heinrichs von seiner Gemahlin Katharina (s. d.) von Aragonien unfehlbar England zu einem gefährlichen Zerwürfnis mit deren Neffen Karl Ⅴ. bringen mußte. Aber Heinrich forderte die Scheidung, W. suchte wenigstens die Durchführung so gefahrlos wie möglich zu machen, indem er die Lösung der Ehe an das Urteil des Papstes band. Aber dieser stand damals ganz unter kaiserl. Einfluß, das Fehlschlagen aller Versuche W.s, dagegen anzukommen, ermöglichte seinen Gegnern, ihn bei Heinrich zu verdächtigen und ihn schließlich zu stürzen (1529). W. wurde auf sein Erzbistum York beschränkt, vom Hofe verbannt und schließlich wegen Hochverrats verhaftet. Ein gebrochener Mann, erlag er auf der Reise nach London zu Leicester einem Ruhranfall (27. Nov. 1530). Von je ein Gegner der Reformation, trat W. ihr entschieden entgegen, suchte sie aber mit ihren eigenen Waffen des Geistes zu überwinden und gründete zum Teil aus eigenen Mitteln zwei Universitätskollegien zu Ipswich und Oxford. Als Staatsmann war W. der größte Förderer einer neuen Zeit, als Kirchenfürst einer der letzten Verteidiger der alten. – Vgl. Cavendish, The life and death of Cardinal W. (Lond. 1641; neue Ausg., ebd. 1885); Creighton, Cardinal W. (ebd. 1888); Brewer, Reign of Henry Ⅷ., bis 1530 reichend (2 Bde., ebd. 1884); Busch, Drei Jahre engl. Vermittelungspolitik 1518‒21 (Bonn 1884); ders., Kardinal W. und die engl.-kaiserl. Allianz 1522‒25 (ebd. 1886); ders., Der Ursprung der Ehescheidung Heinrichs Ⅷ. (im «Histor. Taschenbuch», Lpz. 1889); ders., Der Sturz des Kardinals W. (ebd. 1890).

Wolsk. 1) Kreis im nordöstl. Teil des russ. Gouvernements Saratow, westlich an der Wolga, hat 5620,8 qkm, 170182 E., darunter Mordwinen (5000), Tschuwaschen (2000) und Tataren (2500); Ackerbau, Schiffahrt, viele Mühlen. – 2) W., auch Wolshsk und Wolgsk, Kreisstadt im Kreis W., rechts an der Wolga, hat (1897) 27039 E., neun Kirchen, Realschule, Mädchengymnasium, Lehrerseminar; Mühlen, Brantweinbrennereien u. a., wichtigen Flußhafen (Getreide für Ausfuhr, Holz für Zufuhr); in der Nähe Alabasterbrüche.

Wolter, Charlotte, Schauspielerin, geb. 1. März 1834 zu Köln, genoß in Wien den Unterricht der Burgschauspielerin Frau Gottdank, die ihr ein Engagement in Pest vermittelte. Von da kam sie zu einer reisenden Truppe und über Stuhlweißenburg ans Carltheater in Wien. Auf Laubes Veranlassung ging sie dann nach Brünn, erhielt 1859 eine Anstellung am Victoriatheater zu Berlin, 1861 am Thaliatheater in Hamburg, 1862 am Wiener Burgtheater. Charlotte W. war seit 1874 mit dem Grafen O’Sullivan (gest. 1887) vermählt. Sie starb 14. Juni 1897 in Hietzing. Die wesentlichsten Mittel, durch die sie in der Darstellung hochtragischer Frauengestalten ihre großen Erfolge erreichte, waren ein klangvolles und für den Ausdruck des tiefsten Affekts geeignetes Stimmorgan und ausgebildete Mimik. Den Aufschrei der Leidenschaft traf sie wie wenige. Zu ihren besten Leistungen gehörten: Sappho, Iphigenie, Kriemhild (in Friedrich Hebbels «Nibelungen»), Medea, Maria Stuart, Lady Milford, Gräfin Orsina, Lady Macbeth u. s. w. – Vgl. Hirschfeld, Charlotte W. Ein Erinnerungsblatt (Wien 1897); Charlotte W. in ihren Glanzrollen (ebd. 1897).

Woltmann, Alfr., Kunsthistoriker, Enkel des folgenden, geb. 18. Mai 1841 zu Charlottenburg, studierte in Berlin und München, wirkte im Sommer 1867 an der Universität in Berlin als Privatdocent und folgte 1868 einem Rufe als ord. Professor der Kunstgeschichte an das Polytechnikum in Karlsruhe. In gleicher Eigenschaft ging er 1874 an die Universität Prag und 1878 an die Universität Straßburg. Er starb 6. Febr. 1880 zu Mentone. Sein Hauptwerk ist «Holbein und seine Zeit» (2 Bde., Lpz. 1866‒68; 2. Aufl. 1874‒76). Andere Arbeiten W.s sind: «Die deutsche Kunst und die Reformation» (Berl. 1867), «Fürstl. Fürstenbergische Sammlungen zu Douaueschingen» (Karlsr. 1870), «Die Bauqeschichte Berlins» (Berl. 1872), «Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß» (Lpz. 1876) und die kunstgeschichtliche Einleitung zu dem von M. Pangerl herausgegebenen «Buch der Malerzeche in Prag» (in den «Quellenschriften für Kunstgeschichte», Bd. 13, Wien 1878). Den fünften Band von Schnaases «Geschichte der bildenden Künste» bearbeitete er für die zweite Auflage gemeinschaftlich mit dem Verfasser (Düsseld. 1872). In den «Publikationen des Allgemeinen Vereins für deutsche Litteratur» (Berlin) erschien 1878 die Sammlung von Studien «Aus vier Jahrhunderten niederländ.-deutscher Kunstgeschichte». Auch begann W. mit Woermann eine «Geschichte der Malerei» (Lpz. 1879), die nach seinem Tod Woermann allein vollendete.

Woltmann, Karl Ludw. von, Geschichtschreiber, geb. 9. Febr. 1770 zu Oldenburg, studierte in Göttingen die Rechte und Sprachen, dann ausschließlich Geschichte, habilitierte sich später daselbst und folgte 1795 einem Ruf als außerord. Professor der Philosophie nach Jena. 1799 ging er nach Berlin und begann die Zeitschrift «Geschichte und Politik» (Berl. 1800‒5). 1800 wurde er Resident des Landgrafen von Hessen-Homburg, 1804 Geschäftsträger des Kurerzkanzlers und 1806, nachdem er in den Adelstand erhoben worden war, Geschäftsträger für die Städte Bremen, Hamburg und Nürnberg. Nach der Schlacht bei Lützen 1813 floh er, um der Rache Napoleons auszuweichen, nach Prag, wo er 19. Juni 1817 starb. Von seinen Schriften sind zu nennen: «Geschichte der Deutschen in der sächs. Periode» (Tl. 1, Gött. 1794), die unvollendete «Geschichte Groß- ^[folgende Seite]