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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wucherblume; Wucht; Wuchŭchol; Wudhû; Wuga; Wugi; Wühlerkakadu; Wühlmaus

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Wucherblume – Wühlmaus

ihre Überschreitung (meistens war das Maximum 5 Proz.) als W. betrachtet. In manchen Staaten wurde der W. nur mit Geldstrafen belegt, in andern dagegen auch mit Ehrverlust und mit Gefängnis, namentlich geschah dies bei gewerbsmäßigem W. Doch erwies sich die Durchführung solcher Maßregeln immer schwieriger, zuletzt fast unmöglich. Die Regierungen selbst sahen sich genötigt, Schulden zu höherm Zins zu machen, und mußten, als dadurch und durch den Zwangszinsfuß der Handel schwer gefährdet ward, bei kaufmännischen Geschäften höhern Zinsfuß gestatten oder den Zwangszinsfuß fallen lassen. Dies ist z. B. durch das Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 geschehen. In neuerer Zeit wurden die Strafgesetze gegen den W. gänzlich aufgehoben, in Deutschland durch norddeutsches Bundesgesetz vom 14. Nov. 1867, welches seit 1871 als Reichsgesetz gilt und in §. 1 bestimmt, daß Höhe der Zinsen sowie Höhe und Art der Vergütung für Darlehne u. s. w. der freien Vereinbarung unterliegen. Ein Zinsmaximum läßt sich in der That ebensowenig theoretisch rechtfertigen wie praktisch zu Gunsten der wirtschaftlich schwächern Existenzen durchführen. Der Zins bemißt sich eben auch wesentlich mit nach dem Risiko der dargeliehenen Summe, und wenn hiernach in einem gegebenen Falle z. B. 10 Proz. vollkommen berechtigt erscheinen, so wird der Geldbedürftige, wenn ein Zinstaxe von 6 Proz. besteht, bei anständigen Kapitalisten überhaupt kein Geld erhalten, sondern sich an Wucherer wenden müssen, die vielleicht 30 Proz. verlangen. Aber das Strafgesetz kann sehr wohl auch ohne Zinsmaximum dem wucherischen Treiben entgegentreten, und dies ist nicht ohne Erfolg durch Reichsgesetz (Wuchergesetz) vom 24. Mai 1880 mit Ergänzung vom 19. Juni 1893 geschehen. §. 3 desselben wird vom 1. Jan. 1900 gemäß Art. 47 des Einführungsgesetzes zum Bürgerl. Gesetzbuche durch den inhaltlich nahezu gleichen §. 138 dieses Gesetzbuches ersetzt. Hiernach ist nichtig ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines andern sich oder einem Dritten für eine Leistung (Kredit- oder Sachwucher) Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die den Wert der Leistung dergestalt übersteigen, daß den Umständen nach die Vermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnis zu der Leistung stehen. Die bereits geleisteten Vermögensvorteile sind nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (§. 818) zurückzugewähren. Außerdem steht der W. unter den Strafbestimmungen des Wuchergesetzes, und zwar einfacher W. unter Gefängnis bis zu 6 Monaten und zugleich Geldstrafe bis 3000 M., gewerbs- und gewohnheitsmäßiger unter Gefängnis nicht unter 3 Monaten und zugleich Geldstrafe bis 15000 M. und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Verwandt damit ist die gegen Übervorteilung des Käufers bei den sog. Abzahlungsgeschäften (s. d.) vermittelst drückender Vertragsbestimmungen u. dgl. durch das Reichsgesetz vom 29. Mai 1894 (ebenso österr. Gesetz über Ratengeschäfte vom 27. April 1896) gerichtete Maßnahme. Ähnlich wie im deutschen Wuchergesetz von 1880 ist die Wucherfrage behandelt in Österreich durch Gesetz vom J. 1881 und Ungarn durch Gesetz vom J. 1883. Ziffermäßige Zinsbeschränkungen bestehen dagegen derzeit noch in Frankreich, in einigen amerik. Staaten und Schweizer Kantonen. Das Gesetz genügt natürlich allein nicht zur wirksamen Bekämpfung des W. Als positive Maßregel gegen ihn ist besonders eine zweckmäßige Organisierung des Kredits auf genossenschaftlichem Wege zu empfehlen, wozu in den Raiffeisenschen Darlehnskassen (s. Darlehnskassenvereine) und den Schulze-Delitzschschen Kreditgenossenschaften (s. Vorschuß- und Kreditvereine) die Grundlage gegeben ist. Auch die Bauernvereine haben hier mit gutem Erfolge gearbeitet. (S. auch Lombard, Pfandleih- und Rückkaufsgeschäfte.) Über die Maßregeln gegen den frühern Kornwucher s. Getreidehandel und Teuerung.

Vgl. Strauber, Der Zinswucher bei den Römern (Bas. 1857); Neumann, Geschichte des W. in Deutschland (Halle 1865); Endemann, Die Bedeutung der Wucherlehre (Berl. 1866); Graf Chorinsky, Der W. in Österreich (Wien 1877); Reichensperger, Die Zins- und Wucherfrage (Berl. 1879); von Stein, Der W. und sein Recht (Wien 1880); Eheberg, Die Wucherfrage in Theorie und Praxis (im «Jahrbuch für Gesetz und Verwaltung», Berl. 1884) und Die neuesten Wuchergesetze (ebd. 1895); Der W. auf dem Lande. Berichte und Gutachten (Heft 35 der «Schriften des Vereins für Socialpolitik», Lpz. 1887); Verhandlungen der Generalversammlung dieses Vereins 1888 (Heft 38, ebd. 1889); Blodig, Der W. und seine Gesetzgebung (Wien 1892); Caro, Der W. (Lpz. 1893); Henle, Die Wuchergesetze (Münch. 1893); Lexis im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 6 (Jena 1894); Kahn, Die Reichswuchergesetze (Bamb. 1895).

Wucherblume, s. Chrysanthemum.

Wucht, im physik. Sinne soviel wie Lebendige Kraft (s. d.).

Wuchŭchol, richtiger Wychocholj (russ.), die Bisamspitzmaus (s. d.)

Wudhû (arab.), rituelle Waschung, s. Abdest.

Wuga, Hauptort von Usambara in Deutsch-Ostafrika.

Wugi, To-Wugi’, malaiischer Volksstamm, s. Bûgi.

Wühlerkakadu, eine Art der Nasenkakadus (s. d.).

Wühlmaus (Hypudaeus s. Arvicola), eine zu der Familie der Mäuse gehörige, aus 50 Arten bestehende, in den kalten und gemäßigten Gegenden der Alten und Neuen Welt verbreitete Gattung, die den Typus einer Gruppe bildet und sich von den eigentlichen Mäusen (s. d.) besonders durch stumpfe Schnauze, kaum merkliche Ohren und kurzen Schwanz unterscheidet. Hierher gehören: die Wasserratte, Scher- oder Hamaus (Hypudaeus amphibius Desmarest), die in selbst gegrabenen Röhren am Ufer der Gewässer wohnt und außer Pflanzen auch Fische, kleine Vögel und Mäuse frißt; sie wird häufig mit den Haus- und Wanderratten (s. Ratte) verwechselt, ist aber durch die oben genannten Gruppenmerkmale leicht zu unterscheiden. Durch Zerwühlen von Dämmen und Deichen kann sie sehr schädlich werden. Wohl nur eine durch Sonderanpassung aus dieser überaus variabeln Art gebildete Form ist die auf dem Lande, in Wald, Feldern und Gärten hausende Reit-, Reut- oder Schermaus (Hypudaeus terrestris Schinz), welche durch ihr Wühlen in der Erde und das Benagen der Wurzeln sehr schädlich wird. Ferner die Wurzelmaus (Hypudaeus oeconomus Desm.), 8‒11 cm groß, welche sich in ganz Sibirien findet; die Alpenratte (Hypudaeus nivalis Martius), in der Nähe der Schneeregion in den Alpen; die Waldwühlmaus (Hypudaeus glareolus Schreber), oben braunrot, unten weiß; die ähnlich zweifarbige, aber auf dem Rücken schwärzliche Erdmaus (Hypudaeus agrestis L.), und endlich die Feldmaus (Hypudaeus arvalis Pallas), an Farbe und Größe der