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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wunder - Wundermonade

W. angewendet. Neuerdings sucht man besonders bei den Operationswunden die vielfach giftigen antiseptischen Mittel durch die aseptische Wundbehandlung zu ersetzen, indem man unter der denkbar größten Reinlichkeit und Sauberkeit (Asepsis) operiert und sich dabei nur solcher Instrumente und Verbandstoffe bedient, die zuvor, meist durch Kochen oder durch die Einwirkung heißen Wasserdampfes von 100 bis 130° C., sorgfältig von allen Bakterien befreit (sterilisiert) wurden. (S. Chirurgie.) Eine wichtige Modifikation des antiseptischen und des aseptischen Verbands ist der sog. Dauerverband, bei dem man direkt auf die W. antiseptischen oder aseptischen Mull, ferner Watte, Holzwolle, Moos, Werg u. dgl. legt und durch Mull- und Gazebinden, unter Umständen auch durch Gipsbinden mit oder ohne Schienen, befestigt. Solche Dauerverbände können 3-4 Wochen lang liegen bleiben, ohne daß ein Verbandwechsel notwendig wird, was besonders für die Kriegschirurgie von hohem Wert ist. Zum Schutze kleinerer W. hat man mit Erfolg die aus Celluloid hergestellten Wundenschutzkapseln angewendet. - Über die durch Verbrennung (s. d.) entstandenen Verletzungen s. Brandwunden.

Vgl. Thiersch, Klinische Ergebnisse der Listerschen Wundbehandlung (Lpz. 1875); Bardeleben, über die Theorie der W. und die neuern Methoden der Wundbehandlung (Berl. 1878); Volkmann, über den antiseptischen Occlusivverband und seinen Einfluß auf den Heilungsprozeß der W. (Lpz. 1876); Neuber, Anleitung zur Technik der antiseptischen Wundbehandlung (Kiel 1883); Nußbaum, Leitfaden zur antiseptischen Wundbehandlung (5. Aufl., Stuttg. 1887); Schimmelbusch, Anleitung zur aseptischen Wundbehandlung (2. Aufl., Berl. 1893); Jaffé, Principien und Technik der heutigen Wundbehandlung (Lpz. 1894).

Wunder (lat. miraculum), Ereignisse, die nach den bekannten Gesetzen der Natur und des Weltlaufs unerklärlich erscheinen. Für die populäre religiöse Anschauungsweise sind W. zunächst vorzugsweise unerwartete und außergewöhnliche Ereignisse im Natur- und Menschenleben, die ihr den Glauben an specielle göttliche Veranstaltung und Führung erregen, daher man den Begriff des W. von alters her vorzugsweise auf dergleichen Ereignisse anwandte. Der antiken Weltanschauung erschien ein unmittelbares Eingreifen der Gottheit in den äußern Lauf der Dinge ganz selbstverständlich, daher der gesamten Alten Welt der Glaube an W. der mannigfaltigsten Art gemein ist. Die kirchliche Dogmatik bestimmte das W. im strengen Sinne (miraculum rigorosum, absolutum, Mirakel) als ein durch unmittelbare göttliche Allmachtsthat, sei es ohne Mitwirkung des gewöhnlichen Naturverlaufs, sei es im Widersprüche mit demselben, gewirktes Ereignis. Die älteste christl. Kirche glaubte im Besitze übernatürlicher Wunderkräfte zu sein, und die kath. Kirche glaubt noch heute an deren Fortdauer innerhalb des kirchlichen Gebietes, wogegen der ältere Protestantismus das W. streng auf das biblische Gebiet beschränkt hat. Für das heutige Vorstellen ist dieser äußerliche Wunderbegriff erheblich erschwert durch die inzwischen erfolgte Ausbildung des Begriffs des "Naturgesetzes" oder des strengen, alles Geschehen in der Welt bedingenden Kausalzusammenhangs, da das W. unter dieser Voraussetzung ein Ereignis sein muß, das allen Naturgesetzen zuwiderläuft, oder womit Gott durch unmittelbares Eingreifen die Ordnung des Weltalls durchbrochen hat. Die moderne Orthodoxie betrachtet die Anerkennung des W. in diesem Sinne als Prüfstein des Glaubens an einen lebendigen Gott, ist aber bei solcher Trennung von Natur und Gott genötigt, im gewöhnlichen Naturverlauf Gottes Wirksamkeit als durch die Natur beschränkt zu betrachten. Die neuere religiöse Weltanschauung ist dagegen der Ansicht, daß die "Weltgesetze" gar nichts anderes sind als die eigenen Ordnungen von Gottes Wirksamkeit, die daher einerseits stets eine in der Welt unmittelbar gegenwärtige ist, andererseits aber im äußern Dasein immer nur unter der Form endlich vermittelten Geschehens aufgefaßt und angeschaut werden kann. - Über die sieben Weltwunder s. Sieben Wunder der Welt.

Wunderapfel, Pflanzenart, s. Momordica.

Wunderbaum, s. Ricinus und Robinia.

Wunderblau, s. Indigblauschwefelsäuren.

Wunderblume, s. Mirabilis.

Wundercylinder, s. Stroboskop.

Wunderer, Der (auch Etzels Hofhaltung), Gedicht des 15. Jahrh., erzählt, wie Frau Saelde (das Glück) von dem W., einer Art Wilden Jägers, verfolgt, zu König Etzel flieht; sie erwählt sich zum Kämpen den jungen Dietrich, der den W. nach viertägigem Kampfe erschlägt. Das Gedicht ist nur in dem sog. Heldenbuche Kaspars von der Rhön erhalten und in von der Hagens "Heldenbuch" (Berl. 1820) gedruckt. - Vgl. Zimmerstädt, Untersuchungen über den W. (Berl. 1888).

Wundererde, sächsische, s. Steinmark.

Wunderhöhle, Höhle bei Muggendorf (s. d.) in Oberfranken.

Wunderhorn, Des Knaben, s. Volkslied, Arnim, L. A. von, und Brentano, Clemens.

Wunderkammer, soviel wie Megaskop (s. Projektionsapparat).

Wunderkinder, s. Frühreife.

Wunderkorn, s. Weizen und Tafel: Getreidearten, Fig.6.

Wunderlich, Karl Aug., Arzt und Kliniker, geb. 4. Aug. 1815 zu Sulz am Neckar, studierte seit 1833 in Tübingen Medizin und besuchte 1837-38 auch andere deutsche Universitäten sowie Belgien und Frankreich. 1838-39 war er Assistenzarzt am Katharinenhospital in Stuttgart, 1840 habilitierte er sich als Privatdocent in Tübingen, 1841 wurde er Assistent der innern Klinik und Stellvertreter des Direktors, 1843 außerord. Professor und provisorischer Direktor, bis ihm 1846 die Direktion definitiv übertragen und er zum ord. Professor befördert wurde. 1850 folgte er einem Rufe nach Leipzig als ord. Professor der Klinik. W. starb 25. Sept. 1877 zu Leipzig. W.s Hauptwerk ist das "Handbuch der Pathologie und Therapie" (3 Bde., Stuttg. 1846-54; 2. Aufl. 1853 fg.), welchem später ein "Grundriß der speciellen Pathologie und Therapie" (ebd. 1858) folgte. Von seinen übrigen wissenschaftlichen Arbeiten sind noch besonders hervorzuheben: "Wien und Paris. Ein Beitrag zur Geschichte und Beurteilung der Heilkunde in Deutschland und Frankreich" (Stuttg. 1841), "Versuch einer pathol. Physiologie des Blutes" (ebd. l844), "Geschichte der Medizin" (ebd. 1859), "Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten" (Lpz. 1868; 2. Aufl. 1870). Auch begründete W. mit Roser 1841 das "Archiv für physiol. Heilkunde", das erste Organ dieser neuen Richtung in der Medizin. - Vgl. Korányi, Denkrede auf W. (Budap. 1879).

Wundermonade, Pilz, s. Blutendes Brot.