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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Zollverein

Nassau, die schwarzburg. und die reuß. Fürstentümer sowie die Freien Städte Frankfurt a. M. und Bremen 24. Sept. 1828 den sog. Mitteldeutschen Handelsverein bildeten, der ohne sonstige positive Bestimmungen nur die Verpflichtung enthielt, innerhalb sechs Jahre keinem fremden Zollverbande einseitig beizutreten, und dazu bestimmt war, einen Zusammenschluß des preußisch-hessischen und bayrisch-württembergischen Z. zu hindern. Schon 27. Mai 1829 aber schloß Preußen-Hessen mit dem süddeutschen Verein einen Handelsvertrag, in dem beide Teile sich erhebliche Zollerleichterungen zugestanden und sich verpflichteten, ihre Zollsysteme mehr und mehr in Übereinstimmung zu bringen. Dadurch war die Sprengung des mitteldeutschen Vereins vorbereitet, die eintrat, als 11. Febr. 1831 Sachsen-Weimar, 25. Aug. 1831 Kurhessen mit ihren Hauptländern sich dem preuß.-hess. Verbande anschlossen. Schon 1827 waren Sachsen-Gotha, 1829 Hessen-Homburg, 1830 Sachsen-Coburg und Oldenburg, 1831 Waldeck für einzelne Gebietsteile beigetreten.

Nachdem der preuß.-hess. Verein in dieser Weise sich entwickelt hatte, ging sein Hauptbestreben dahin, mit dem süddeutschen Verein zu einer vollständigen Zolleinigung zu gelangen, die nach Überwindung vielfacher Schwierigkeiten schließlich in dem Zollvereinigungsvertrag vom 22. März 1833 erreicht wurde. Dieser Vereinigung schlossen sich auch das Königreich Sachsen durch Vertrag vom 30. März und die thüring. Staaten durch Vertrag vom 11. Mai desselben Jahres an, und nunmehr trat mit dem 1. Jan. 1834 unter dem Namen Deutscher Zoll- und Handelsverein ein Verband ins Leben, der die Erhebung der bisherigen Ein-, Aus- und Durchfuhrzölle an den gemeinschaftlichen Landesgrenzen beseitigte und nur noch eine Zollerhebung an den Grenzen gegen das Vereinsausland auf Grund eines gemeinschaftlichen Zolltarifs und auf gemeinschaftliche Rechnung dergestalt zuließ, daß die aufkommenden Zolleinkünfte unter den einzelnen Vereinsstaaten nach der Kopfzahl der Bevölkerung geteilt wurden. Damit war ein einheitliches Verkehrsgebiet geschaffen, das sich auf den größern Teil Deutschlands erstreckte, indem es ein Gebiet von 7730 Quadratmeilen mit 23478120 E. umfaßte.

Von den dem Z. nicht beigetretenen Bundesstaaten bildeten Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe auf Grund von Verträgen vom 1. Mai 1834 und 7. Mai 1836 einen besondern Verband unter dem Namen Steuerverein, dem auch einige preuß. und kurhess. Gebietsteile angeschlossen wurden. Dieser Sonderverband, in dem mit Rücksicht auf die volkswirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Länder ein Zolltarif mit wesentlich niedrigern Sätzen zur Geltung kam, hinderte indessen nicht die weitere rasche Ausdehnung des Z. Denn bereits 1. Jan. 1836 traten ihm Baden, Nassau und das hess. Oberamt Homburg bei, während 1. Febr. desselben Jahres Frankfurt a. M., 1. Jan. 1842 Braunschweig und Lippe nachfolgten. Am 1. April 1842 erfolgte der Anschluß von Luxemburg, und endlich gelang es durch Vertrag vom 7. Sept. 1851 auch mit dem Steuerverein zu einer Einigung zu gelangen, der 1. Jan. 1854 nach Gewährung eines bedeutenden Präcipuums, dem Z. beitrat, wodurch die Erweiterung des Vereinsgebietes bis auf 9021 Ouadratmeilen mit einer mittlern Bevölkerung von 32645000 Köpfen erreicht war. Preußen begegnete damit zugleich den Plänen Österreichs, welches eine für Deutschland damals noch unvorteilhafte Zolleinigung Deutschlands und Österreichs erstrebte und sich damals bemühte, den Z. zu sprengen.

Die Gründung des Norddeutschen Bundes war auch für die weitere Entwicklung des Z. von tiefeinschneidender Bedeutung, da der Norddeutsche Bund nach Art. 33 der Verfassung ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet bildete, von dem grundsätzlich nur die wegen ihrer Lage nicht geeigneten einzelnen Gebietsteile ausgeschlossen blieben, während der Ausschluß der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg in der Eigenschaft von Freihäfen nur so lange dauern sollte, bis sie selbst ihren Einschluß in die Zollgrenze beantragen würden. Als daher durch den Vertrag mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vom 8. Juli 1867 die Fortdauer des Z. sichergestellt ward, wurden ihm die Gliederstaaten des Norddeutschen Bundes nicht als solche, sondern der Norddeutsche Bund als eine Einheit angeschlossen, und damit wurde die Umgestaltung des Z. aus einer vertragsrechtlichen, der Kündigung unterworfenen zu einer verfassungsrechtlichen Einrichtung vorbereitet. Weiter aber wurde dem Z., in dem bis dahin eine Art gemeinsamer Vertretung nur durch die jährlichen Generalzollkonferenzen bestanden hatte, zu denen die einzelnen Vereinsregierungen Bevollmächtigte abzuordnen hatten, eine zeit- und sachgemäßere Verfassung namentlich insofern gegeben, als er in dem aus den Vertretern der Mitglieder des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Staaten zusammengesetzten Zollbundesrat und dem aus den Mitgliedern des Reichstags des Norddeutschen Bundes und aus Abgeordneten der süddeutschen Staaten gebildeten Zollparlament (s. d.) staatsrechtliche Organe erhielt, welche die Gesetzgebung in den gemeinsamen Angelegenheiten des Z. in der Weise auszuüben hatten, daß die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen zu einem Vereinsgesetz erforderlich und ausreichend war, während früher Veränderungen der Zollgesetzgebung nur durch Übereinstimmung aller Vertragsglieder stattfinden konnten. Als die wichtigste Frucht dieser gemeinschaftlichen Gesetzgebungsthätigkeit ist das noch gegenwärtig in unveränderter Geltung stehende Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 zu bezeichnen, das nicht bloß eine materielle Revision, sondern zugleich formell eine neue übersichtliche Kodifikation der gesamten Zollgesetzgebung mit Einschluß des Zollstrafrechts (s. d.), jedoch ausschließlich der speciellen Zolltarifgesetzgebung, in sich begreift; die Ausführungsanweisungen hierzu wurden zuletzt 1888 einer Revision unterzogen.

Mit der Begründung des Deutschen Reichs verlor der Z. seine selbständige Bedeutung und ging im Reiche auf, in dem in gleicher Weise wie im ehemaligen Norddeutschen Bunde die Einheitlichkeit des Zoll- und Handelsgebietes und die Gemeinschaftlichkeit der Zollgrenze zu einer verfassungsmäßigen Einrichtung wurde (Art. 33 der Verfassung von 1871), was zur Folge hatte, daß die Gesetze des Z. die Bedeutung von Reichsgesetzen, der Vereinszolltarif die Bedeutung eines Zolltarifs des Deutschen Reichs erlangten. Mit rastlosem Eifer ist auch seitdem daran gearbeitet worden, die einzelnen deutschen Gebietsteile in möglichster Vollständigkeit dem Zoll- und Handelsgebiet des Reichs ein- ^[folgende Seite]