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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Arbeiterfrage (Außerdeutsche Fabrikgesetzgebung)
mindestens enthalten muß, ist im Gesetz vorgesehen und bestimmt, daß sie der Verwaltungsbehörde einzureichen ist, damit sich diese überzeugen kann, ob sie im Einklang mit dem Gesetze steht.
Arbeiterausschüsse, auch Fabrikräte und Ältestenkollegien genannt, sind Vertretungen der Arbeiter innerhalb jeder einzelnen größern Unternehmung.
Seit ungefähr 30 Jahren, immer zunächst nur auf Initiative der Unternehmer, meist in Anlehnung an die Verwaltung bestehender Wohlfahrtseinrichtungen ins Leben gerufen, wurden sie durch die erwähnten kaiserl. Erlasse von 1890 besonders für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitern empfohlen. Ihre Aufgabe soll im allgemeinen sein, alle Interessen der Arbeiter im Wege friedlichen Zusammenwirkens zu fördern und dem Fabrikherrn gegenüber alle Wünsche und Forderungen der Arbeiter zum Ausdruck zu bringen. Sie bilden mithin ein Seitenstück zu den Gesellenausschüssen im Handwerk, die zwar nicht in der Gewerbeordnung vorgesehen, wohl aber im Musterstatut für Innungen, das das Reichskanzleramt herausgegeben hat, genannt sind, und die überall bei den Innungen bestehen. Die Gesetzgebung hat nun zu den Arbeitsausschüssen eine wohlwollende Haltung eingenommen. Sie hat Normativbedingungen für sie aufgestellt und bestimmt, daß sie in Fabriken, wo sie ins Leben gerufen sind, über den Inhalt der zu erlassenden Arbeitsordnung gehört werden. Auch ist der Erlaß von Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung von Wohlfahrtseinrichtungen sowie über das Verhalten minderjähriger Arbeiter außerhalb des Betriebes an die Zustimmung der Ausschüsse geknüpft.
Frauenarbeit. Unter den für einzelne Arbeiterkategorien getroffenen Bestimmungen ist die wesentliche Erweiterung des den Arbeiterinnen und den Kindern gewidmeten Schutzes bemerkenswert. Die deutsche Gesetzgebung bemüht sich, was bisher noch in keiner andern geschehen war, die besondere Stellung der Ehefrau und Mutter, die sich zur Fabrikarbeit veranlaßt sieht, zum Ausdruck zu bringen. Daher die erwähnte Regelung der Arbeitszeit. Umsicht darauf, daß die Frau die Hervorbringerin des künftigen Geschlechts ist, läßt man die Wöchnerinnen während der ersten drei Wochen nach ihrer Entbindung gar nicht, und während der beiden nächsten Wochen nur mit Zustimmung des Arztes zur Arbeit zu. Außerdem wurde dem Bundesrat das Recht eingeräumt, in gewissen Fabrikationszweigen, die mit besondern Gefahren für Gesundheit und Sittlichkeit verknüpft scheinen, die Thätigkeit von Arbeiterinnen ganz oder teilweise zu untersagen. Von dieser Befugnis Gebrauch machend, hat der Bundesrat 1892 und 1893 verschiedene Bekanntmachungen erlassen, die die Beschäftigung von Personen weiblichen Geschlechts regeln in Glashütten, Drahtziehereien mit Wasserbetrieb, Cichorienfabriken, Rohzuckerfabriken und Zuckerraffinerien, Walz- und Hammerwerken, Ziegeleien, Bleifarben- und Bleiwerkfabriken sowie Cigarrenfabriken. Daß Arbeiterinnen nicht unter Tage in Bergwerken, Salinen u. s. w. beschäftigt werden dürfen, ist in der Gewerbeordnung selbst ausgesprochen. Anderswo genießen die Fabrikarbeiterinnen keinen gleich weitgehenden Schutz. In Frankreich klagt man sehr über die mangelhafte Durchführung des Fabrikgesetzes von 1892, und in Belgien dürfen Frauen über 21 Jahre sogar noch unterirdisch beschäftigt werden.
Kinderarbeit. Ausreichender Schutz wird der Kinderarbeit, sofern sie sich in Fabriken abspielt, durch die neue Novelle zu teil. Mit dem nunmehr auf 13 Jahre festgesetzten Zulassungsalter (früher 12 Jahre) ist man den Wünschen der internationalen Arbeiterschutzkonferenz nahe gekommen und hat erreicht, daß volksschulpflichtige Kinder von der Arbeit bin der Fabrik ausgeschlossen bleiben. Die Dauer der Beschäftigung von Kindern unter 11 Jahren darf nicht über 6 Stunden täglich, die junger Leute im Alter von 14 bis 16 Jahren nicht über 10 Stunden täglich hinausgehen. Sofern Ausnahmen von diesen Vorschriften zulässig sind, kommen in der Hauptsache i dieselben bundesrätlichen Bekanntmachungen in Betracht wie bei der Frauenarbeit. Die verschärften Bestimmungen haben wohlthätig gewirkt und die Zahl der in Fabriken und diesen gleichzuachtenden gewerblichen Anlagen beschäftigten Kinder verringert. 1892 waren 11339, 1893: 5211, 1894 nur noch 4259 Kinder unter 14 Jahren in Fabriken thätig. Die Zahl der jugendlichen Arbeiter aber zwischen 14 und 16 Jahren betrug 1892: 208835, 1893: 213959, 1894: 209715. So erfreulich dieses Ergebnis ist, so hat es seine Schattenseite doch darin, daß notorisch auf diese Weise viele Kinder in die gesetzlich nicht überwachte Hausindustrie gedrängt sind, wo sie unter sanitär und social höchst ungünstigen Bedingungen thätig sind. Ferner ist beklagenswert der große Unifang, in dem noch immer die gewerbliche Nebenbeschäftigung von Schulkindern außerhalb der Fabriken vor sich geht. Was hier an Einzelheiten in den letzten Jahren durch die dankenswerte Initiative verschiedener Schulverwaltungen an die Öffentlichkeit gedrungen ist, war wohl geeignet, ernste Bedenken zu erregen. Zu Botengängen, Aufwartung, beim Austragen von Milch und Backwaren, im Zeitungsbestelldienst, als Laufburschen, als Kindermädchen, beim Kegelaufsetzen, Petroleum- und Bierabziehen, Steineladen, Tütenkleben u. dgl. m. werden in vielen Städten, mitunter auch bei ländlicher Arbeit, Kinder in einer ihre Kräfte weitaus überschreitenden Weise angestrengt. Viele der genannten Verrichtungen müssen bereits früh am Morgen, ehe die Kinder den Schulweg antreten, erledigt werden, wodurch sie so übermüdet werden, daß sie während des Unterrichts einschlafen. In andern Fällen kann bei so intensiver Beschäftigung die Zeit zur Bewältigung der durchaus notwendigen häuslichen Schularbeit nicht mehr gefunden werden. Es wäre zu wünschen, daß man das Umsichgreifen solcher Zustände durch weitern Ausbau der Gewerbenovelle verhüte. Einstweilen sind einzelne Stadtverwaltungen vorgegangen, z. B. die Bürgermeisterei der Stadt Mainz im Okt. 1895 mit einer Polizeiverordnung, betreffend die Verwendung schulpflichtiger Kinder zum Hausierhandel.
Außerdeutsche Fabrikgesetzgebung. Außerhalb Deutschlands hat die Fabrikgesetzgebung, abgesehen von Österreich, dessen Gesetz über die Sonntagsruhe erwähnt wurde, weitere Fortbildung erfahren in der Schweiz durch Beschluß des Bundesrats vom 3. Juni 1891. Nach diesem sind unter das Fabrikgesetz gestellt: 1) Betriebe mit mehr als 5 Arbeitern, die mechan. Motoren verwenden oder Personenunter 18 Jahren beschäftigen oder gewisse Gefahren für Leben und Gesundheit der Arbeiter bieten; 2) Be-^[folgende Seite]