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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Armentières - Arnaboldi

Häfen des Mittelmeers zum Teil zu großem Reichtum. Diese stete Auswanderung hat aber zur Folge gehabt, daß die Armenier in ihrem Stammland in keinem größern Bezirk mehr die Majorität haben, sondern in den Provinzen, wo sie am zahlreichsten sind, höchstens nur ein Viertel der Bevölkerung ausmachen (vgl. "Petermanns Mitteilungen", Bd. 42, Gotha 1896). Als nun ein Teil A.s durch die russ. Annexion 1878 unter eine geordnetere Verwaltung kam, wurden die Mißstände des türk. Regiments um so schwerer empfunden. Dazu kam das Beispiel der Griechen und der slaw. Völker der Balkanhalbinsel, denen die Befreiung vom türk. Joch gelungen war. So entstand in patriotisch gesinnten Männern die Idee eines selbständigen, alle Armenier umfassenden Fürstentums. Der hauptsächlichste Vertreter dieser Chimäre war der Armenier Loris Melikow, General in russ. Diensten. Im Sommer 1887 pflog er mit seinen Landsleuten, den ägypt. Staatsmännern Nubar, Tigranes und Boghos, Beratungen in Vevey, die die Gründung der Association anglo-arménienne zur Folge hatten. Daneben bildete sich ungefähr gleichzeitig nach dem Muster der russ. Nihilisten der anarchistische Geheimbund Hintschak (Glocke), der seit 1887 unter dem gleichen Titel eine Zeitung in London herausgiebt. Die Emissäre desselben zwangen die reichen Kaufleute zu Beiträgen und hetzten im Stammlande. Im J. 1893 gelang es den türk. Behörden den Agitator Damadjan zu verhaften; er wurde zum Tode verurteilt, da er aber wichtige Enthüllungen zu machen versprach, nach Konstantinopel geschickt und dort wieder freigelassen. Im Herbst 1894 kam das schon lange glimmende Feuer zum Ausbruch. Der Kurdenstamm der Bikranli verlangte von den im Talongthal in Sasun ansässigen Armeniern den Durchzug durch ihr Gebiet, um zu den Matten des angrenzenden Hochgebirges zu gelangen. Die von den Agitatoren Damadjan und Hamparssun aufgehetzten Armenier verweigerten die Erlaubnis dazu. So kam es zu einem Kampf, in dem die Kurden geschlagen wurden. Hamparssun, der den Oberbefehl übernommen hatte, setzte sich nach diesem Siege im Andogdagh fest und forderte die noch nicht beteiligten Gemeinden zum Anschluß auf. Die türk. Lokalbehörden requirierten Truppen von Bitlis. Zaki Pascha sandte ein Regiment unter dem Obersten Tewsik Bei. Am Westfuß des Andogdagh angekommen, forderte er die Armenier, die dort zwei Dörfer besetzt hielten, auf, die Waffen zu strecken. Erst am Morgen darauf ließ er beide Dörfer mit Sturm nehmen. Der Sultan ordnete eine strenge Untersuchung an und sandte eine Kommission von höhern Beamten nach A., der sich engl., franz. und russ. Delegierte anschlossen. Während des Winters waren die Agitatoren unermüdlich thätig. Am 12. Jan. 1895 berief der neugewählte armenisch-gregorianische Patriarch Mattheo Ismirlian eine Versammlung armenischer Notabeln nach seinem Palais in Kumkapu in Stambul, um über die bei der Pforte zu beantragenden Reformen zu beraten. Man verlangte Teilnahme an der Landesgesetzgebung und an der Handhabung der Gesetze. Der erstere Punkt zielte auf Wiedereinführung der von Midhat Pascha entworfenen Verfassung, die auch von der jungtürk. Partei angestrebt, vom Sultan aber energisch verweigert wurde. Der zweite Punkt bildete den Kern der später auf Drängen der Mächte zugestandenen Reformen. Jedem mohammed. Mutessarrif (Gouverneur) sollte ein christl. Muavin (Adjunkt) an die Seite gestellt und die Gendarmerie nach dem Prozentsatz der Bevölkerung aus beiden Konfessionen zusammengesetzt werden. England suchte den Sultan durch ungestümes Drängen zur Annahme dieser Reformen zu zwingen, und da im Sommer 1895 auch die Kämpfe in A. wieder zum Ausbruch kamen, veranstaltete es eine Flottendemonstration im Ägäischen Meere, der sich ital., franz. und amerik. Schiffe anschlossen. Nach altbewährter Politik suchten die türk. Staatsmänner die Mächte untereinander zu entzweien, was ihnen aber nicht gelang. Inzwischen bildeten sich in Konstantinopel mehrere neue armenische Komitees, vor allen der Troschak. Am 30. Juni veranstalteten die Armenier daselbst eine Massendemonstration, um dem Sultan eine Adresse zu überreichen; doch wurde der Aufzug ohne Blutvergießen unterdrückt. In Kleinasien hetzten die Agitatoren die Armenier dazu auf, die Türken durch Beschimpfung ihrer Religion zu Gewaltthaten zu reizen. Nach mehrern kleinen Scharmützeln an verschiedenen Orten kam es 8. Okt. in Trapezunt zu einem großen Gemetzel, dem 600 Armenier zum Opfer gefallen sein sollen. Schon vorher, am 30. Sept., hatte sich in Kumkapu, dem armenischen Quartier von Stambul, eine große Schar, meist Lastträger, zusammengerottet und war vor die Hohe Pforte gezogen, um dem Großwesir eine Denkschrift zu überreichen. Als die Wache das Verlangen der Demonstranten, vor den Großwesir gelassen zu werden, abschlug, kam es zum Kampf. Nun fielen die bereits zahlreich versammelten Türken, meist Studenten und Angehörige des geistlichen Standes, über die Armenier her, etwa 200 sollen getötet sein, doch wurde das Asylrecht der Kirchen nicht verletzt. Nachdem die Ruhe wiederhergestellt war, wurden zahlreiche beschäftigungslose Armenier nach der Heimat abgeschoben. Die wohlhabenden Armenier suchten nun durch einen Run gegen die Ottomanische Bank den Kredit der Pforte zu erschüttern. Wenn ihnen auch diese Hauptabsicht nicht gelang, so entfremdeten sie sich doch durch die so herbeigeführte wirtschaftliche Krisis die Sympathien aller übrigen Christen. Da nun auch die Regierung die zahlreichen Beamten armenischer Herkunft ihr Mißtrauen fühlen ließ, so trat in der Hauptstadt sehr bald eine starke Ernüchterung der patriotischen Gefühle ein. In A. konzentrierte sich inzwischen der Kampf um die feste Stadt Zeitûn (s. d.). Von den türk. Truppen eingeschlossen, hielten sich die Aufständischen dort fast zwei Monate, bis durch Vermittelung der europ. Konsuln in Aleppo eine Kapitulation zu stande kam. Am 15. Juni 1896 kam es gelegentlich der Verhaftung eines armenischen Mädchens in Wan von neuem zu blutigen Zusammenstößen und 26. bis 28. Aug. infolge eines von armenischen Revolutionären auf die Ottomanische Bank in Konstantinopel ausgeführten Handstreichs zu einem furchtbaren Morden, bei dem mehrere tausend Armenier getötet sein sollen. (S. Osmanisches Reich.) Danach fanden auch bei Charput im armenischen Hochgebirge neue Mordscenen statt, wobei etwa 600 Armenier getötet sein dürften. - Vgl. R. de Coursons, La rébellion arménienne (Par. 1895); Lepsius, A. und Europa (Berl. 1896).

*Armentières hat (1891) 26160, als Gemeinde 28638 E.

*Armitage, Edward, starb 24. Mai 1896 in Tunbridge Wells.

Arnaboldi, Alessandro, ital. Dichter, geb. 19. Nov. 1827 zu Mailand, studierte zu Pavia die