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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Auswinterung - Automat
sachlicher Agitation gegen einen fremden Staat
durch Fremde liegt keine Verletzung einer Rechts-,
wohl aber einer internationalen Anstandspsticht. Der
andere Staat ist dann zu Retorsionen berechtigt.
Das dentsche Socialistengesetz hat die Folge ge-
habt, daß viele deutsche Socialdemokraten in
der Schweiz ihren Aufenthalt nahmen, um von
da aus den Ausnahmezustand zu bekämpfen.
Schlechthin war die Schweiz zur Verhinderung die-
ser Agitation nicht verpflichtet. Insbesondere er-
giebt sich in dieser Richtung keine besondere Rechts-
pflicht aus der neutralisierten Stellung der Schweiz.
Diese legt der Schweiz im Gebiete der polit. Fremden-
Polizei keine höhcrn Rechtspstichten auf, wohl aber
ein größeres Maß polit. Vorsicht in Ausübung des
Asylrechts. Die Schweiz wies, wie Nihilisten und
fremde Anarchisten, eine Reihe deutscher Social-
demokraten und Anarchisten aus. Am bekanntesten ist
die A. der vierSocialdemokratenVernstein,Motteler,
Schlütter und Taucher im 1.1888. Der in Zürich er-
scheinende "Socialdemokrat" und eine Reihe von auf-
reizenden Flugschriften, insbesondere der "Rote Teu-
fel", warcnnach Anschauuug des schweiz. Vuudesrats
geeignet, die guten Beziehungen zu Deutschland zu
stören. Bernstein war Chefredacteur des "Social-
demokrat", Schlütter Chef der Expedition und Her-
ausgeber des "Roten Teufels", Motteler Spediteur
der Publikationen, Tauscher Faktor der Druckerei und
Miturheber des "Roten Teufels". Alle vier waren
vorher gemahnt worden, sich emer ruhigen, objektiven
Diskussion zu befleißigen. Ebenso ging die Schweiz
aber auch gegen die Spione ausläudischer Regie-
ruugen vor, die sich nicht auf bloße Beobachtung und
Auskundschaftung beschränkten, sondern unter dem
Deckmantel von Socialdemokraten u. s. w. provoka-
torisch aufreizten. So wurde 1888 Haupt ausgewie-
sen, der feit sieben Jahren im Dienst der Berliner
Polizei stand, 1889 der Polizeikommissar Wohlge-
:nuth von Mülhausen (s. Deutschland und Deutsches
Reich, Geschichte, Bd. 5). Es erregte in der öffentlichen
Meinung peinliches Aufsehen, daß der Polizeispion
Schröder 1888 nicht ausgewiesen werden konnte,
weil er schweiz. Bürgerrecht erworben hatte. Er stand
gegen ein Monatsgehalt von 240 M. im Dienst der
deutschen Polizei, unterhielt enge Beziehungen mit
den Anarchisten, nahm teil an der Herausgabe von
Mosts "Freiheit" iuZürich und trat bei allen Arbeitcr-
unruhen und polit. Versammlungen hervor. Unter
der Herrschaft der alten Bundesverfassung wäre seine
A. möglich gewesen. 1873 wurde der schweizer
Kaspar Mermillod vom Bundesrat ausgewiesen,
als er die Stellung des apostolischen Vikars in Genf
gegen den Willen der schweiz. Behörden übernahm,
die in der Errichtung dieses Amtes durch die Kurie
eine nachteilige Abtrennung der kath. Kirche Genfs
von der schwciz. Diöcese sahen. Mit der Ernennung
Mcrmillods zum Bischof von Freiburg-Lausanne
siel diese A. dahin, 1890 wurde Mermillod vom
Bundesrat im Bundesratshaus zu Veru als Kar-
dinal feierlich begrüßt. Eine andere berühmte A.
war die der Herzogin von Madrid im I. 1873.
Die Gemahlin des Kronprätendenten Don Carlos,
hatte sie, in Genf weilend, den von ihrem Gemahl
ins Werk gesetzten Bürgerkrieg in Spanien durch An-
werbung und Beförderung von Teilnehmern an dem
Aufstand und durch Beschaffung von Kriegsmaterial
unterstützt. - Vgl. Langhard, Das Recht der polit.
Fremdenausweisung mit besonderer Berücksichtigung
der Schweiz (Lpz. 1891).
Auswinterung, s. Bienenzucht <S. 175a).
^ntooar, s. Motorwagen.
Autographie (grch.) oder Autographismus,
richtiger Dermographie oder Dermato-
graphie, nach Mesnet Bezeichnung für eine an
der äußern Haut des menschlichen Körpers, selten bei
Gesunden, häufiger bei Nervenkranken zu beobach-
tende eigentümliche Erscheinung. Streicht man bei ge-
eignetenPersonen mit einer Bleistiftspitze oder dem
Fingernagel über die Haut, oder zeichnet man ganze
Figuren in dieser Weise auf, so entsteht trotz der leisen
Berührung ziemlich rasch, oft momentan, eine stächen-
förmige lebhafte Nöte, innerhalb deren sich die auf-
getragene Zeichnung längere Zeit, bis zu mehrern
Minuten, durch eine blahrote Farbe von der leb-
haften übrigen Rötung deutlich abhebt. Der ganze
Vorgang erinnert vielfach an Nesselsucht (s. d., Bd. 12)
und beruht auf einer außergewöhnlichen Erregbar-
keit der Blutgefäßnerven (oder deren Centralorgane)
der Haut. Durch den mechan. Reiz wird zunächst
eine Gefäßerweiterung, kenntlich in der flächenhaften
Rötung, erzeugt; an diese schließt sich dann eine
blaßrote Schwellung der von den gezeichneten
Strichen direkt getroffenen Hautstellen an, ein Vor-
gang, der durch einen umschriebenen Gefäßkrampf
und einen wahrscheinlich erfolgenden Flüssigkeits-
erguß in das Gewebe bewirkt wird. Es handelt sich
also um eine erhöhte Reizbarkeit der gefäßerweitern-
den und in zweiter Linie der gefäßverengernden und
event, auch trophischer Nerven und deren Centren
im verlängerten Mark. Von dieser typischen Form der
A. finden sich zahlreiche Übergänge bis zu der häusig
vorkommenden Empfindlichkeit der nervösen Appa-
rate der Hautblutgefäße, wie sie bei leicht erreg-
baren Individuen in Form raschen Errötens und
Erblassens u. s. w. zu Tage tritt. Die A. tritt ent-
weder als einziges Symptom auf oder bildet eine
der vielen Nebenerscheinungen bei gewissen Nerven-
krankheiten (bei traumatischer oder gewöhnlicher
Hysterie und Neurasthenie, Syringomyelie, Menin-
gitis u. s. w). Einer speciellen Behandlung bedarf
sie weder in dem einen noch in dem andern Falle.
^Automat. Automatische Wagen und Ver-
kauf sap parat e sind, wennzumGewerbebetrieb be-
nutzt, uicht selbständige Gewerbe, sondern nur be-
sondere Betriebsmittel. Ihre Aufstellung als solche
ist also nicht besonders anzumelden. Etwas anderes
ist es, wenn in der Aufstellung der Beginn eines
Gewerbebetriebs liegt; dann kann je nach dem Ge-
werbe sogar Konzession erforderlich sein. Nur in
Österreich wird durch Ministerialverordnung vom
23. Juni 1892 unter allen Umständen Anzeige von
In- oder Ausbetriebsetzung und uon Standorts-
wecksel der A. verlangt. Im Deutschen Reich ist die
Aufstellung und der ^tandortswechsel nur dann an-
zuzcigeu, wcun der Gewerbetreibende diese Ver-
pflichtung hinsichtlich seines Gewerbelokals hat;
dies gilt demgemäß für Vertrieb von Preßerzeug-
nissen durch A. Für die A. gelten als Betriebs-
bestandteile die Bestimmungen über Sonntagsruhe.
Die Inhaber müssen also dafür forgen, daß zur be-
treffenden Zeit Entnahme von Gegenständen aus
denselben uumoglich ist. Für Gast- und Schank-
wirte gilt das Gebot der Sonntagsruhe nicht; sie
können also solche Waren, welche zum Betrieb ihres
Gewerbes gehören (Speisen, Cigarren, aber nicht
Schokolade oder Bonbons) und zum Genuß auf der
Stelle bestimmt sind, durch A. auch an Sonn- und
Festtagen uneingeschränkt verkaufen. Doch macht