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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Baugewerkenschulen - Baukrankenkassen
In Österreich gesteht das Gesetz vom 9. Febr.
1892 Steuerbegünstigungen für Neubauten mit
Arbeiterwohnungen zu, sofern diese von Gemeinden
und gemeinnützigen Vereinen oder von aus Arbei-
tern gebildeten Genossenschaften oder von Arbeit-
gebern für ihre Arbeiter errichtet werden.
In Frankreich befaßt sich gleichfalls ein Gesetz
vom 30. Nov. 1894 mit der Beförderung der Her-
stellung von wohlfeilen Wohnungen. Es wendet
unter anderm gewisse Steuer- und Gebührenbegün-
stigungen den Gesellschaften zur Erbauung billiger
Häuser oder Gewährung von Vorschüssen für den
Ankauf oder die Erbauung von solchen zu, gleichwie
es ihnen auch durch verschiedene Mahnahmen die
Beschaffung von Kapital erleichtern soll.
In anderer Weise hat sich imDeutschenNeiche
eine Förderung der Baugenossenschaften ergeben.
Während dieselben früher regelmäßig den Zweck ver-
folgten, den Mitgliedern ein eigenes Heim zu ver-
schaffen, haben dieselben in neuerer Zeit vorwiegend
die beschränktere Aufgabe auf sich genommen, den
Mitgliedern billige Mietwohnungen zur Verfügung
zu stellen, was zusammenhängt mit der durch das
Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 erfolgten Zulassung
der beschränkten Haftpflicht bei den Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschaften, welche Neuerung sich
gerade beiden Baugenossenschaften als sehr anregend
erwies und wesentlich zu ihrer Verbreitung in wei-
tere Schichten beitrug. Von den 1889 bis Mai 1895
neu begründeten 94 Baugenossenschaften beruhen
in der That 75 auf der beschränkten und nur 19 auf
der unbeschränkten Haftpflicht. Während aber Ende
1888 überhaupt nur 28 Baugenossenschaften gezählt
wurden, war diese Anzahl bereits Ende 1890 auf
50, im I.1895 auf 132 gestiegen. Von Einfluß auf
diese Zunahme erwies sich auch der Umstand, daß
diese Genossenschaften mehrfach feitens der Invali-
ditäts- und Altersversicherungsanstalten durch die
Gewährung von Darlehen zu günstigen Bedin-
gungen gefördert wurden.
In England haben die Baugenossenschaften
iLuildinF 8oci6ti68> gleichfalls in der letzten Zeit
zugenommen. Es bestanden dort Ende 1893: 2885
derartige Genossenschaften; von 2297 derselben
liegen nähere Mitteilungen vor und wiesen diese
31 Mill. Pfd. St. eingezahlte Anteile und 11^ Mill.
Pfd. St. aufgenommene Darlehen auf. Viel ge-
ringere Bedeutung haben nach wie vor die I^nä
anä duiläinF Locwtißs, welche nicht wie die ebengc-
nannten bloß Darlehen zum Zwecke des Haus-
erwerbes gewähren, sondern selbst Land kaufen und
Häufcr bauen, um ihren Mitgliedern den Erwerb
davon zu erleichtern. 1891 bestanden 119 derartige
Gesellschaften. Mit den Iwilclin^ 80ci6ti63 befaßt
sich ein Gesetz aus dem I. 1894, das, um gewissen
wahrgenommenen Mißbräuchen zu steuern, Vor-
schriften über die Art der Rechnungsabschlüsse giebt,
unter bestimmten Voraussetzungen eine Revision
der Bücher vorsieht u. s. w.
Große Verbreitung hat auch in Nordamerika
das System, wonach die Baugenossenschaften nicht
selbst bauen, sondern den Mitgliedern das Kapital
für die Vauführung oder den Hausankauf beschaffen;
1893 wurden in den Vereinigten Staaten 5838 der-
artigeGesellschaftenmiti^Mill.Mitgliederngezählt.
Vgl. Bücher, Die belg. Socialgesetzgebung und
das Ärbeiterwohnungsgesetz (im "Archiv für sociale
Gesetzgebung und Statistik", Verl. 1891); Nintk
diiiläinZ and loan 9.880ciati()N8 (Washingt. 1894);
Schriften der Centralstelle für Arbeiterwohlfahrts-
einrichtungen, Nr. 5: Die Beschaffung von Geld-
mitteln für Baugenossenschaften (Berl. 1894); Han-
sen, Die Förderung des Baues von Arbeiterwoh-
nungen aus Mitteln der Invaliditüts- und Alters-
versicherungsanstalten (im "Arbeiterfreund", ebd.
1894); Crüger, Der heutige Stand der Erwerbs-
und Wirtschaftsgenossenschaften linden "Jahrbüchern
für Nationalökonomie und Statistik", Jena 1895).
*Naugewerkenschulen. Sowohl das Bedürf
nis nach theoretischer Ausbildung auch bei dem klei-
nen Vaugewerksmeister in der Provinz als auch der
vermehrte Andrang zu diesem Berufe hat in den
letzten Jahren zur Gründung vieler neuer B. geführt
und deren Zahl in Deutschland allein auf 45 cr-
böht. Von diefen 45 Schulen entfallen 15 auf
Preußen, davon 9 königliche. Die erste königlich
preuß. Baugewerkenschule war die 18l>6 von Han-
nover übernommene zu Nienburg. Die Absolvierung
einer Vaugewerkenschule ist gewöhnlich die Vorbe-
dingung für die Ablegung des Meistereramens; nach
ministerieller Anordnung vom 4. Sept. 1888 gilt in
Preußen die an einer königlichen oder auch nur an
einer staatlich beaufsichtigten Baugewerkenschule vor
einer königl. Prüfungskommission bestandene Reife-
prüfung als wissenschaftlicher Teil der Innungs-
meisterprüfnng.
* Bauhandwerker, s. Handwerkerfrage.
Baukau, Landgemeinde im Landkreis Bochum
des preuß. Reg.-Bez. Arnsberg, an der Emscher,
hat (1895) 4922 E.; Ammoniak-, Schwemmstein-
fabriken und Steinkohlenbergbau (Zechen Julia und
von der Heydt).
Baukrankenkassen, eine vom deutschen Kran-
kenversicherungsgesetz für die bei Eisenbahn-, Kanal-,
Wege-, Strom-, Deich- und Festungsbauten u. dgl.
beschäftigten Personen geschaffene VersicherunaFein-
richtung, bestimmt, den eigenartigen Verhältnissen
solcher größerer Vauunternehmungen Rechnung zu
tragen, die sich oft über weite Bezirke ausdehnen,
fortschreitend von einem Ort zum andern sich be-
wegen und eine stark fluktuierende, nur vorüber-
gehend an der Arbeitsstätte thätige, oft großenteils
aus Auslandern gebildete Arbeiterschaft zeitweilig
vereinigen. Die Zuweisung dieser Arbeiter an die
Ortskrankenkassen oder Gemeindekrankenversiche-
rungen der von den Bauten berührten Ortschaften
würde für alle Beteiligten große linzuträglicbkeiten
mit sich bringen; es empfiehlt sich daher in solchen
Fällen, besondere Kassen zu errichten, die mit dem
Bau selbst entstehen, seinem Gange folgen und sich
nach seiner Vollendung wieder auflösen.
Die Errichtung der B. geschiebt lediglich auf An-
ordnung der höhern Verwaltungsbehörde; diese kann
auf Antrag Beteiligter oder aus eigener Initiative
getroffen werden. Verpflichtet zur Errichtung ist
principiell der Bauherr, doch darf er seine Ver-
pflichtung auf einen oder mehrere Bauunternehmer
übertragen, die den Bau ganz oder teilweise für
eigene Rechnung ausführen, sofern sie für Erfüllung
der Verpflichtung ausreichende Sicherheit stellen.
Wird der Anordnung der Behörde nicht entsprochen,
so hat der Bauherr oder der Unternehmer den beim
Bau beschäftigten Personen und ihren Hinterbliebe-
nen die gesetzliche Krankenfürsorge und das Sterbe-
geld aus eigenen Mitteln zu leisten.
Die Organisation der V. entspricht fast durchweg
derjenigen der Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen, doch