Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Buddhismus'
Was nun das Pantheon der nördlichen Kirchen betrifft, so ist eine kurze Darstellung äußerst schwierig, da die Verehrung der
Bodhisatvas, der «Beschützer des Glaubens» u.s.w., je nach den Sekten differiert. Die Hauptbodhisatvas sind bereits erwähnt: Maitreya (tibetan.
’Byams-pa, mongol. Maidari, chines. Mai-ta-li, japan.
Mi-roku), Mañjuçrî (tibetan. dByam-dpal, mongol.
Manjuschari, chines. Wen-tschu-she-li, japan.
Mondzu-siri), Padmapâṇi oder Avalokiteçvara (tibetan. sPyan-ras-gzigs, mongol.
Nidduber-üsektschi, chines. Kwan-yin, japan. Kannon).
Dazu kam (doch nicht allgemein anerkannt) im 12. Jahrh. noch der Urbuddha Vajradhara (tibetan. rDo-rje-’chan), aus dem alle
Dhyânibuddhas emanieren. Eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Mahâyânamythologie spielte das Gandhâragebiet (Kafiristan). Dort wurden unter spätantiken
Einflüssen die Typen der nordbuddhistischen Heiligen und Götter geschaffen, besonders der Buddhatypus (der griech. Typus s. Taf.
III, Fig. 4; der japan. Typus s. Taf.
I, Fig. 5 und der siames. Typus s. Taf.
I, Fig. 3), welcher nun in den verschiedenen Ländern nationale Entartungen
durchmachen mußte. Unsere Quellen für die Mythologie (in Tibet werden die inkarnierten Lamas an die Spitze gestellt) sind einheimische Werke, welche auf Grund
alter Musterkompositionen (alter berühmter Bilder) die Typen aufführen mit Angabe der Kloster, der Dhâraṇis u.s.w. Im
Tandschur (s. d., Bd. 15) ist eine umfangreiche Litteratur über Darstellung der Heiligen, Komposition, Farbenverteilung,
Nimbus und Strahlenkränze vorhanden. Bis jetzt ist davon so gut wie nichts bearbeitet, die kritische Bearbeitung des ganzen Gebiets ist mit der Kunstgeschichte
innig verknüpft, aber noch kaum begonnen. Im Lamaismus sind unter den «defensores fidei» besonders die sog. Drag-gshed verehrt,
darunter sind: Yama, der Gott der Hölle (tibetan. Shin-rje, mongol. Ärlik; Abbildung s.
Taf. II, Fig. 11 unten im Bilde: stierköpfiger Gott), Yamântaka, der Bezwinger des
Yama (tibetan. hJigs-byed), Dêvî, die Gattin Çivas (tibetan. lHa-mo, s. Taf.
II, Fig. 12), Mahâkâla (tibetan. Nag-po chen-po)
und Vaiçravaṇa (tibetan. Dod-nas dvan-po), der Reichtumsgott (Abbildung s. Taf.
II, Fig. 1). Von diesen ist Yama allgemein bekannt auch in China und Japan; ebenso
Vaiçravaṇa (japan. Bischamon), der auch zu den Welthütern gehört. Die Laien sind nicht im stande, die Unterschiede auseinander
zu halten, und verehren schließlich alles gleichmäßig als Götter: für den Mongolen ist alles Verehrungswürdige «burchan»
(eigentlich «Buddha»). Vor den Göttern aber werden die Hierarchen der Kirche, die alten Heiligen und Pilger (auch der Chinese Hiouen-tschang, s.
Indische Religionen und Taf. II, Fig. 2) als verehrungswürdig
betrachtet.
Was die äußere Form des Kults (Lamaismus) betrifft, so stehen in den Tempeln vor den
Statuen «Buddhas» und andern Heiligen (etwa Padmasam-bhava oder Tsoñ-kha-pa, je nach der
Sekte) Altäre, besetzt mit Blumengefäßen, Kerzenständern, den symbolischen Darstellungen der sog. sieben Juwelen u.s.w., ferner Schalen, worein Opfer und Blumen
gelegt werden. Dabei ist ein Metallspiegel, eine Platte mit fünf Erhebungen, welche den Berg Meru mit den Hauptweltgegenden
(dvipa’s) darstellen, und ein Weihwassergefäß mit langem Ausguß, geschmückt mit Pfauenfedern. Der Dienst im Tempel wird mit
Musik begleitet, große Pauken, Trompeten und lange Posaunen (s. Taf. II, Fig. 5,
und Taf. I, ↔ Fig. 1 u. 8) sind dabei im Gange. Die erwähnte
Glocke (s. Taf. II, Fig. 8, und Taf.
I, Fig. 6) zeigt die Pausen an; die Vajras werden in der Hand gehalten, die Hände
ahmen unter eigentümlichen Fingerstellungen (mudrâ’s) Dhâranî's nach. Eine Hauptceremonie
ist die Wasserweihe. Der die Ceremonie leitende Mönch fängt das Bild des Buddha mit dem Metallspiegel auf, aus dem Opferkännchen
(kalâça) wird Weihwasser, gemischt mit Zucker und Safran, über den Spiegel gegossen, so daß es auf den untergehaltenen, den
Berg Meru u.s.w. vorstellenden Teller abläuft. Dies soll das Bad Buddhas vorstellen, welches ihm nach der Geburt die Götter bereitet haben. Die übrigen Mönche
fangen das Wasser mit den Händen auf und schlürfen es. Für die Verstorbenen lesen die Mönche Seelenmessen, welche bei ärmern Leuten einige Tage, bei reichern
sieben Wochen, bei Fürsten wohl ein Jahr dauern und viel Geld kosten. Besonders gefürchtet ist die Zeit kurz nach dem Tode (tibetan.
bar-do bis zu 40 Tagen), bevor die Wiedergeburt eingetreten ist. Bannungen der kompliziertesten Art, wobei ein merkwürdiger
Zauberdolch (tibetan. p‘ur-bu, s. Taf. II, Fig.
7) gebraucht wird, müssen bei ungünstigen Anzeichen aufgeführt werden, um der Seele bei Yama eine möglichst gute Wiedergeburt zu sichern.
Im alten B. waren Schauspiele verboten. Alle Schaustellungen: Theater, Puppenspiele u.s.w. schloß der Vinaya für den Mönch
aus. Im nördlichen B. aber bildet das Theater, maskierte Aufzüge u.s.w. ein Hauptmittel, das Interesse an der Religion wachzuerhalten, zu zeigen, daß die Götter
leben. In China war die Blütezeit des Theaters (vielleicht auch die Zeit seiner Entstehung) die Zeit der mongol. Yuendynastie (1280–1363). Die Stoffe sind immer
buddhistisch. In Japan spielen die Nōs eine ähnliche Rolle: es sind Singspiele, welche rein ind. Stoffe darstellen, mit eigentümlicher Musik und halb antikem
Bühnenapparat. (Vgl. F. Müller, Ikkaku Sennin, Berl. 1896.) (Maske s. Taf. I, Fig.
2.) Im Lamaismus sind die höchstphantastischen Maskenfeste in Hemis (Ladâkh) zu erwähnen, welche das Leben und Wirken des Padmasambhava darstellen, sowie ähnliche
Spiele in Lha-sa und an andern Orten. Bei den Mongolen bildet noch heute der großartige Zamtanz, in welchem in prachtvollen Masken und Kostümen die Dragshed
auftreten, einen Anziehungspunkt für Tausende von Pilgern. (Vgl. Posdnjejew, Skizzen aus dem lamaischen Klosterleben in der Mongolei, russisch, Petersb. 1887.)
Unter den Bannformeln (dhâraṇi’s) sind zwei besonders erwähnenswert. Die eine derselben
oṃ âḥ gehört der roten Kirche, im besondern dem Padmasambhava an. Durch diese Zauberformel soll es möglich sein, Blut- u.s.w.
Opfer an die çivaitischen Dämonen in Ambrosia zu verwandeln. Die andere ist die Formel: oṃ maṇi padme hûṃ (in Lantsaschrift
auf Taf. II, Fig. 4) «O das Kleinod im Lotus, Amen.» Es ist dies die Dhâraṇiformel
des Avalokiteçvara und mit dem Siege der gelben Kirche das am weitesten verbreitete Gebet. Über die Bedeutung und Wirkung der einzelnen Silben dieser Dhâraṇi
giebt es eine ganze Litteratur. Diese Formel zu tausend-, ja zu millionenmalen auf Papierstreifen mittelst Blockdruck abgedruckt, füllt die sog. Gebetsmühlen
(maṇi, tibetan. chos-kyi’k‘or-lo, mongol. kürde). Es
giebt Gebetsmühlen von allen Größen, solche, die durch Wasser getrieben werden, und solche, die von Menschenhänden in Bewegung
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 232.