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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Christlich-sociale Partei - Chronometer

sich eine Anzahl bedeutender poet. Briefe erhalten hat und der besonders seinen Schutzpatron, den heil. Felix, in längern Gedichten feierte (Ausgabe von W. Hartel, Wien 1895). Der Gallier Paulinus von Périgueux dichtete um 470 ein Epos über den heil. Martin von Tours nach der Prosa des Sulpicius Severus (Ausgabe von M. Petschenig, Wien 1888), und 459 verfaßte der in Pella 376 geborene Paulinus, Enkel des Ausonius, eine äußerst anziehende Autobiographie in epischem Maße (Ausgabe von W. Brandes, Wien 1888). Die Gedichte der Bischöfe Sidonius Apollinaris (gest. 482) und Ennodius (gest. 521) behandeln weltliche Stoffe und sind wesentlich Stilübungen. Venantius Fortunatus aus Treviso (etwa 530-609), der letzte große Verskünstler in röm. Sprache, der Freund Gregors von Tours, verherrlichte in einem Epos den heil. Martin. In seinen Miscellengedichten preist er die Frankenkönige und die meisten bedeutenden Zeitgenossen. Seine Gedichte leiden an übertriebener Rhetorik. Als erster Hymnendichter in der lat. Welt gilt Hilarius von Poitiers. Doch der Begründer des regelmäßigen Kirchengesangs ist Ambrosius von Mailand. Von ihm hat sich eine Anzahl Hymnen erhalten, welche trotz ihrer streng kunstmäßigen Form infolge ihrer Innigkeit durchaus volkstümlich gehalten sind. Die Sprache ist von edler Einfachheit und der Schwung dieser Gedichte zeugt von der Erhabenheit der religiösen Gefühle. Mit dem lyrischen Ergusse verbindet sich bei ihnen vielfach ein gewisses episches Element. Die Bedeutung des Dichters für die Folgezeit zeigt sich besonders darin, daß man später Hymnen im iambischen und trochäischen Dimeter einfach Ambrosianische Hymnen genannt hat. Im Geiste des Ambrosius dichtete besonders Prudentius, sonst werden Hymnen mit Namen überliefert von Sedulius, Ennodius, Fortunatus und Beda, anonym im Antiphonar aus dem Kloster Bangor. Die größte Mehrzahl der überlieferten Gedichte ("Analecta hymnica aevi", hg. von Dreves, Lpz. 1886 fg.) ist erst noch Verfassern zuzuweisen. (Über die Hauptvertreter der C. L. s. die Einzelartikel in den frühern Bänden.)

Litteratur. A. Ebert, Allgemeine Geschichte der Litteratur des Mittelalters, I (2. Aufl., Lpz. 1889); M. Manitius, Geschichte der christl.-lat. Poesie (Stuttg. 1891); Teuffel, Geschichte der röm. Litteratur (5. Aufl., Lpz. 1890).

*Christlich-sociale Partei. Die C. P. nahm nach einem zeitweiligen Rückgang in den letzten Jahren einen neuen Aufschwung und dehnte ihre Organisation über ganz Deutschland, namentlich nach Hessen, der Rheinprovinz und Westfalen, aus. Während sie früher nur eine Gruppe innerhalb der deutschkonservativen Partei gebildet hatte, nahm sie schon bei den Reichstagswahlen im Juni 1893 eine selbständigere Stellung ein, und auf dem im Juni 1895 in Eisenach abgehaltenen Parteitag stellte sie ein neues Programm auf, worin eine energische Förderung der Socialpolitik gefordert wurde, namentlich staatliche Unterstützung der genossenschaftlichen Produktion, gerechtere Regelung der Versicherungsgesetzgebung, Maßregeln gegen unverschuldete Arbeitslosigkeit, unentgeltlicher Arbeitsnachweis, Ausdehnung des Arbeitsschutzes auf die Hausindustrie, staatliche Regelung der Wohnungsverhältnisse, Progression der Einkommen- und Vermögenssteuer sowie Ausbildung der Erbschaftssteuer. Scharfe Auseinandersetzungen, die während des J. 1895 zwischen den deutschkonservativen Parteiorganen, der "Conservativen Correspondenz" und der "Kreuzzeitung" einerseits und dem christlich-socialen "Volk" und der Wochenschrift "Hilfe" des Pfarrers Naumann andererseits stattfanden, offenbarten eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit in socialpolit. Fragen, und als 1. Febr. 1896 der Elferausschuß der deutschkonservativen Partei an den Gründer der C. P., den frühern Hofprediger Stöcker, das Ansinnen stellte, seine Beziehungen zu dem "Volk" zu lösen, erklärte dieser seinen Austritt aus der konservativen Partei und führte dadurch die Scheidung herbei. Immer mehr machte sich nun auch innerhalb der C. P. der Gegensatz zwischen den mehr konservativen und den einer freiern Richtung und einer energischern Socialpolitik zuneigenden Elementen geltend, und nachdem schon 16. Dez. 1895 der preuß. Oberkirchenrat sich in einem Erlaß gegen die agitatorische Beteiligung der Geistlichen an der christl.-socialen Bewegung ausgesprochen hatte, kam es auf dem im Febr. 1896 in Frankfurt a. M. abgehaltenen Parteitag zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Richtungen, den Alten unter Stöcker und Adolf Wagner und den Jungen unter Naumann, indem der Parteitag trotz mancher Berührungspunkte ein Zusammengehen mit der jüngern radikalern christl.-socialen Richtung für unmöglich erklärte. Als Stöcker dann im Mai auch seinen Austritt aus dem Evangelisch-socialen Kongreß (s. d.) vollzogen hatte, erließ er mit Professor von Nathusius und Licentiat Weber 21. Juli im "Reichsboten" einen Aufruf, worin er sich scharf gegen die "moderne Theologie" und das "agitatorische Treiben einer Richtung, die den Klassenkampf schüre", aussprach und zur Bildung einer kirchlich-socialen Partei aufforderte (s. Kirchlich-social). Dagegen vollzogen die jüngern Christlich-socialen auf einem im Nov. 1896 in Erfurt abgehaltenen Parteitag ebenfalls einen engern Zusammenschuß zu einem National-socialen Verein (s. d.). - Vgl. Göhre, Die evang.-sociale Bewegung, ihre Geschichte und ihre Ziele (Lpz. 1896); von Nathusius, Was ist christl. Socialismus? (Berl. 1896); Naumann, Was heißt Christlich-social? (Heft 1, Lpz. 1894; 2. Aufl. 1896; Heft 2, 1896).

Chromcarbīde, s. Carbide.

Chromfluāt, s. Fluate.

Chromoplasten, die namentlich in den buntgefärbten Blüten und Früchten vorkommenden Farbstoffkörper. Sie enthalten namentlich gelbe oder rote Farbstoffe, die wie das Chlorophyll (s. d., Bd. 4) einer plasmatischen Grundmasse eingelagert sind. Sie entstehen entweder aus Chlorophyllkörpern oder aus Leukoplasten.

Chronische Kriminalität, s. Kriminalität.

*Chronometer. Die Prüfung der C. geschieht für die deutsche Handelsflotte auf dem Prüfungsinstitut der Deutschen Seewarte. Da keine Verpflichtung zur Prüfung besteht, werden bis jetzt nur sehr wenige, höchstens 30 C. jährlich, geprüft. 1891 wurden nur 21 C. eingeliefert. Die Chronometerfabrikanten beteiligen sich außerdem an den jährlichen Chronometer-Konkurrenzprüfungen der Seewarte mit etwa 30 C.; die besten werden vom Reichsmarineamt prämiiert und für die Kriegsmarine angekauft. In der deutschen Handelsflotte waren 1881: 1858, 1891: 1551, 1895: 1491 C. Die Abnahme erklärt sich aus der Abnahme der Segelschiffe, die große Reisen machen. C. werden überhaupt nur von Schiffen an Bord genommen,