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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ferienkurse - Fermente
Seehospiz "Kaiserin Friedrich" <796), Nordcrncy,
evang. Diakonissenanstalt <212), Travemünde <120),
Wangeroog (95), Westerland Sylt (78), Wyk auf
Föhr Ml), Zoppot l105).
Auch in außerdeutschen Staaten haben die F. m den
letzten Jahren überall Fortschritte gemacht. In der
Schweiz sind zu den in Zürich, Basel, Aarau, Bern,
Genf, Chur, Ncuenburg, St. Gallen, Schasshauseu,
Winterthur, Lausanne, Viel, Dos; und Wädcns-
weil bereits bestebenden Vereinen für F. noch neue
in Luzern und Solothurn hinzugetreten. Ebenso
liegen aus fast allen andern Ländern Europas Be-
richte vor, welche für die Verbreitung der F. und
ihre innere Entwicklung erfreuliches Zeugnis ab-
legen. Sogar in auhereurop. Städten, z. V. in
Buenos-Aires ^der Hauptstadt der Argentinischen
Republik, sind F. hervorgerufen worden.
Besondere Freude spricht sich überall da in den
Berichten aus, wo es, wie z. V. in Leipzig und an
mehrern Orten in der Schweiz, gelungen ist, eigene
Heimstätten für Eommcrpflege zu erwerben. Nicht
nur können diese den ganzen Sommer hindurch für
^H/'ö Kinder, die in der Genesung von schwerer
Krankheit begriffen find, nutzbar gemacht werden,
sondern es wird durch sie auch eine wesentliche Er-
sparnis herbeigeführt und dadurch die Möglichkeit
geschaffen, einer gröhcrn Anzahl von Kindern die
Wohlthat einer Sommerpflege zu gewähren.
Was die Erfolge betrifft, so erzählen alle Berichte
von "günstigen Resultaten", "dauernden Erfolgen",
"wesentlicher Besserung", "tcilwciser Heilung". Fast
überall werden die Kinder vor und nach dem Be-
ginn der Sommerpflegc gewogen, und es wird regel-
mäßig eine nicht unbeträchtliche Gewichtszunahme
^1-16 Pfund) konstatiert. Ebenso zeigt sich ge-
wöhnlich eine bemerkenswerte Erweiterung des
Brustkastens. Dr. ineä. Schmid-Monnard in .halle
berichtete 1893 auf der 65. Versammlung Deutscher
Naturforscher und Arzte in Nürnberg über seine
Beobachtungen an 1000 Halleschen Kindern, die er
vor und nach den Ferien untersucht hatte, sowie
an 1300 zurückgewiesenen Kindern, und stellte als
Endergebnis hin: "Nach dreiwöchigem Ferienauf-
enthalt haben die Kolonisten etwa um ein Jahr an
Körpergewicht und Atmungsgröße zugenommen.
Damit ist alles erreicht, was überhaupt zu gewinnen
war, da sie dem Durchschnitt gerade um ein Jahr
nachstanden." lind Dr. meä. Goepel in Frankfurt
a. O. beantwortet in einem Vortrage auf dem
8. Internationalen Kongreß für Hygieine und De-
mographie in Budapest die Frage, ob die F. auch
dauernden Nutzen stiften, also den Kolonisten nicht
bloß eine vorübergehende Erholung gewähren, auf
Grund vielfacher und fortgesetzter Untersuchungen
folgendermaßen: "Es ist doch auffallend, wenn Kin-
der, die bisher in ihrer Entwicklung weit zurück-
geblieben sind, nach einem 30tägigen Aufenthalt in
den F. einen so gewaltigen Anlauf nehmen, das
Versäumte nachzuholen! Sollte ich mich da täuschen,
wenn ich annehme, daß durch den Ferienkolonien^
aufenthalt bei vielen Kindern die Energie der Zellen
einen Anstoß erhält, der sie befähigt, auch in den
später sie wieder umgebenden ungünstigen häuslichen
Verhältnissen ihrer Träger sich rascher zu vermehren?
Der Fcrienkolonienaufcnthalt wirkt wie ein Accu-
mulator der Wachstumsenergie, der Kraft zur Aus-
bildung von Gewebe. Der Aufenthalt in F. kann
zwar aus schwächlichen Kindern keine Athleten ma-
cken, aber er ist wohl im stände, bei einer Anzahl
derselben den Grund zu besserer Entwicklung in der
Folgezeit und hiermit zur künftigen Erwerbsthätig-
keit zu legen."
Nimmt man dazu noch die erziehlichen Einwir-
kungen, die unter erfahrener Leitung gewiß nicht
ausbleiben, die Gewöhnung der Kinder an ^rdmcng,
Sauberkeit, Gehorsam, Verträglichkeit, Dienstfertig-
kcit u. s. w., die Einwirkung auf ihr Gcmütsleben
und die Weckung des Interesses in verschiedener
Richtung und nickt zuletzt die Wahrung vor schäd-
licken Einflüssen in sittlicher Hinsicht, so kann wohl
nicht bezweifelt werden, daß der Segen, den die F.
stiften, die Mühen und Kosten, die sie verursachen,
wirklich aufwiegt.
Vgl. Die Ergebnisse der Sommerpflege in Deutsch-
land. Bericht der Eentralstelle der Vereinigungen
für Sommcrpflege in Deutschland (Berl. 1895 u.
1896), sowie viele Einzelberichte.
Ferienkurse, s. Fortbildungskurse.
""Fermente. Man hat die Notwendigkeit er-
kannt, eine strenge Scheidung und getrennte wissen-
schaftliche Behandlung der Ferment- und der Gä-
rungsprozesse eintreten zu lassen. Früher wurden
beide oft unter den gemeinsamen Namen "Ferment-
wirkungen" zusammengeworfen, wobei dann zwi-
schen unorganisierten F. oder Enzymen einerseits
und organisierten F. oder Mikroorganismen an-
dererseits unterschieden wurde. Die Notwendigkeit
einer strengen Scheidung liegt darin begründet,
daß die Fermcntprozcsse an isolierbare chem. Sub-
stanzen gebunden sind und auch nach Trennung
derselben an ihren lebenden Erzeugern in unver-
minderter Intensität vor sich gehen, während die
Gärung, genau wie der Stoffwechfcl und die Er-
nährung, eine unmittelbare Funktion der lebenden
Wefen selbst darstellt und mit dem Bestände des
Lebens und der Fortpflanzungsfahigkeit untrennbar
verknüpft ist. So kann man z. B. das Invcrtin,
welches die Spaltung des Rohrzuckers in Trau-
ben- und Fruchtzucker bewirkt, auch aus abgetöteter
Hefe ausziehen und erzielt mit diesem rein dar-
gestellten chem. Präparat denselben Effekt, wie es
vorher die lebende Hefe that; doch läßt sich der
Träger der Gärthätigkcit nicht in gleicher Weise
von der Hefezclle abtrennen; man kennt bisher
keine aus der Zelle isolierbare Substanz, die diese
Gürthätigkeit auszuüben vermöchte, und muß daher
als den Träger derselben das lebende, fortpflan-
zungsfühige Protoplasma selbst annehmen. Die
durch die Fermentwirkungen hervorgebrachten stoff-
lichen Veränderungen sind ganz anderer und zwar
durchweg viel einfacherer Natur als die beim Gär-
prozcß auftretenden Umsetzungen; während es sich
bei lctzterm immer um sehr erhebliche Umformun-
gen des Moleküls, um bedeutende Verschiebungen
der Atome innerhalb desselben handelt, beruhen
die Fermentwirkungcn sämtlich nur auf hydrolyti-
scher Spaltung, d. h. nntcr Aufnahme eines Mole-
küls Wasser zerfällt das Molekül der zu zerlegenden
Suhftanz in seine Komponenten, ohne daß die mo-
lekulare Struktur derselben irgendwelche Verände-
rung erlitte-. z. V. verläuft der Prozeß bei der Spal-
tung des Rohrzuckers unter dem Einfluß des In-
vertins folgendermaßen:
(^II.220ii ^ 11.20 ^ 5aIIi20" 4- c^II^o"
Rohrzucker Wasser Traubenzucker Fruchtzucker.
In ganz analoger Weise verlaufen der Ver-
zuckcrungsprozcß der Stärke, die Spaltung des
Eiweiß in Peptone und andere Prozesse. Als wei-