Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

424
Fortbildungskurse
entgegengekommen und haben dadurch der Univer-
8it)s AxtonLion jede gegen sie gerichtete Spitze abge-
brochen. Auf der andern Seite wird freilich auch
die Gefahr nicht Überfehen werden dürfen, daß viele
von den Teilnehmern an solchen Kurfen in einer
oberflächlichen Halbbildung stecken bleiben und nun
erst recht unzufrieden werden mit ihrer untergeord-
neten Lebensstellung.
Seit 1887 hat sich Nordamerika dem Vorgang
Englands in dieser Frage angeschlossen, und auch
hier hat die Bewegung rasch Wurzel gefaßt und
eine teilweise noch größere Ausdehnung gewonnen.
Während aber in England das Unternehmen von
den zwei altangesehenen Universitäten Cambridge
und Oxford in die Hand genommen und einheitlich
geordnet worden ist, mußte man in Amerika, dessen
jungen Hochschulen die Autorität fehlt, daneben auch
die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen, und da
es vielfach an geeigneten Lehrern fehlte, eigene An-
stalten für die Heranbildung von solchen gründen.
Die Feuerprobe muß das ganze Werk hier erst noch
bestehen. Die Einrichtung von Korrespondenzkursen
zum Unterricht in adZentia dient als Ersatz oder als
Fortsetzung für die persönliche Teilnahme an den
Kursen, weist aber zugleich auch auf den mehr schul-
mäßigen Unterrichtsbetrieb der amcrik. Hochschulen
hin. 3coch früher hat sich in Amerika (Chautauqua)
die Sitte eingebürgert, vor allem für Lehrer und
Lehrerinnen in den Ferienmonaten Juli und August
Sommer- oder Ferienkurse an den Universitäten ab-
zuhalten, damit sie hier ihre Kenntnisse wieder auf-
frischen, erweitern und vertiefen können. 1888 adop-
tierte Oxford dieses System, und Cambridge folgte
nach. In beiden Ländern hatte auch diese Einrich-
tung großen Erfolg.
Während außerhalb Englands und Amerikas die
Universitäts - Ausdehnungsbewegung im engern
Sinne wesentlich nur in den skandinav. Reichen und in
Belgien, seit 1895 langsam auch in Österreich (Wien
und Prag) und Rußland (Odessa) sich Bahn bricht,
verhält sich Deutschland wenigstens in der Praxis
ziemlich ablehnend dagegen. Daß die Bewegung hier
so wenig Anklang findet, hängt in erster Linie mit
dem ganz anders organisierten Mittel- und Fort-
bildungsschulwcsen Deutschlands, der leichtern Zu-
gänglichkcit der Universitäten, dem Wanderlehrcr-
tum, aber auch mit dem wesentlich auf das Nütz-
liche gerichteten Zweck des Universitätsstudiums zu-
sammen; zugleich aber auch mit der geschlossenen
und staatlich geregelten Form unserer Universitäten
und unsers ganzen Unterrichtssystems, das eine
solche freiwillige Arbeit neben sich nicht leicht auf-
kommen läßt. Auch der das Volkstümliche vornehm
ablehnende Zug vieler Vertreter der Wissenschaft
steht der Sache hindernd im Wege; und endlich trägt
auch die Schwierigkeit, die Mittel für die nicht uner-
heblichen Auslagen und Kosten eines fo weitans-
sehenden Unternehmens zu beschaffen, mit Schuld
daran. Im Wintersemester 1896/9? bildete sich jedoch
in München ein Volkshochschulverein, der mehr-
stündige, gut besuchte Vortragscyklen abhielt, und
auch in Leipzig wurden von Universitätsdocenten
populärwissenschaftliche Vorträge gehalten, wäh-
rend in Berlin der Senat den von 52 Mitglie-
dern des akademischen Lehrkörpers gestellten An-
trag auf Einrichtung von Volkshochschulkursen ab-
lehnte. Sehr viel Ähnlichkeit mit der UniverLit)-
Nxt6N8ion haben die Lehrgänge des Freien Deutschen
Hochstifts (s. d., Vd. 7) zu Frankfurt a. M., die nach
dem Lehrplan von 1885 auch dem nicht fachmäßig
Gebildeten einen überblick über den Stand und die
allgemeinen Ergebnisse der betreffenden Wissenschaft
gewähren sollen. Jeden Winter werden acht fünf-
stündige Kurse gehalten. Seit einigen Jahren sind
dazu noch besondere Volksvorlesungen getreten. In
Berlin verfolgt die Humboldt-Akademie mit ihren
meist 10 - 12stündigen Vortragscyklen ähnliche
Zwecke; im Studienjahr 1895/96 wurden 154 solcher
Cyklen mit 4210 eingeschriebenen Hörern abgehalten.
Dagegen gewinnt die Sitte der Fortbildungs-
kurse an einigen deutschen Universitäten mehr und
mehr Boden. Nachdem die militärärztlichen F. schon
geraume Zeit eingeführt waren, begann die Univer-
sität Jena 1889 im Anschluß an das amerik.-engl.
System Ferienkurse (änininei- Ooui-868, Ooui-8 ä6
^6i'l^ctionn6M6nt) einzurichten, die seither alljähr-
lich im August stattfinden und in drei Gruppen
(Naturwissenschaften; Hygieine, Psychologie, Philo-
sophie und Pädagogik; Sprachkurse, Litteratur und
Geschichte) zerfallen; an der ersten follen nur Lehrer
höherer Unterrichtsanstalten teilnehmen, die übrigen
sind Lehrern und Lehrerinnen aller Schulgattungen
zugänglich. Die Kurse wurden 1895 von 86 Teil-
nehmern (Deutschen und Ausländern) besucht. Die-
sem Vorgang folgten dann auch andere deutsche
Universitäten für bestimmte Fächer, so Halle und
Berlin für Socialwissenschaft, München und Bonn
für Archäologie, München für Geographie, Greifs-
wald für franz. Sprache und Kultur; neusprachliche
und naturwissenschaftliche Knrse werden auch in
andern als in Universitätsstädten gehalten. Dagegen
sind die F. für Frauen an der Universität Göttingen
ebenso wie die Vorlesungen an dem von Miß Archer
gegründeten Victoria-Lyceum in Berlin Anfänge
und Ersatz eines regelrechten Frauenstudiums, wäh-
rend die in der preuh. Verfügung vom 31. Mai 1894
vorgesehenen wahlfreien F. an höhern Töchterschulen
für 15-16 jährige Mädchen nur einen recht dürftigen
Notbehelf für das durch diese Verfügung grundsätz-
lich in Wegfall kommende zehnte Schuljahr an diesen
Anstalten bilden, überall aber sind es einstweilen
noch Experimente und tastende Versuche, aus denen
sich ein Festes erst zu entwickeln hat.
Endlich sind in diesem Zusammenhang auch zu
erwähnen die Volkshochschulenin den skandinav.
Staaten, die zuerst Grundtvig (s. d., Bd. 8) in Däne-
mark 1844 in nationalem und christl. Interesse ins
Leben gerufen hat, und die sich nun in verschiedenster
Weise das Ziel setzen, der erwachsenen Jugend, na-
mentlich des Bauernstandes, nach Beendigung der
Schulzeit eine erweiterte Ausbildung und fachlichen
Unterricht zu verschaffen. In den 50 ersten Jahren
ihres Bestehens (1844-94) sind 146 solcher An-
stalten in Dänemark eröffnet und diese sind im ganzen
von ungefähr 110000 Personen besucht worden; der
vermehrte Besuch im Winter (75000 gegen 35000
im Sommer) zeigt, daß sie vor allem auf die Heran-
ziehung und Hebung des Bauernstandes berechnet
sind. Nach Abstreifung des ihnen von Grundtvig
aufgedrückten national-christl. Charakters entsprechen
sie dem, was wir in Deutschland unter dem Namen
von landwirtschaftlichen und gewerblichen Fortbil-
dungsschulen, wenn auch in anderer Form und bei
weitem nicht in genügendem Umfange und Zahl
ebenfalls haben; von unsern Einrichtungen aber
unterscheiden sie sich durch Betonung des erziehlichen
Moments und den durchaus privaten und freien,
nicht reglementierten und deshalb den Verhältnissen