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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Getreidepreise - Getreideproduktion
firmen oder besondern Lagerhausgesellschaften, die
zum größcrn Teil dem Farmer das Getreide bei der
Einlieferung sofort abkaufen, es aber auch auf
seinen Wunsch gegen Lagergebühren lediglich in
Depot nehmen. Das Getreide wird, nach gewissen
Typenmustcrn sortiert, aufbewahrt, worauf der
EigentümervermittelstübertragbarerWarrantsodcr
Lagerhausscheine über die eingelieferten Mengen
verfügen kann. Die Lagerhausscheine geben nicht
Anspruch auf das eingelieferte Getreide selbst, son-
dern nur auf eine gleiche Menge gleichartigen Ge-
treides überhaupt. Vermöge ihrer technischen und
ökonomischen Einrichtung haben diese G. nicht nur
die Lagerung und den Transport des Getreides
wesentlich verbilligt, sondern vor allem die Verfü-
gung über die vorhandenen Vorräte außerordentlich
erleichtert. In Deutschland hat der herrschende
landwirtschaftliche Notstand den Gedanken nahe ge-
legt, durch Errichtung von G. an Eifenbahnknoten-
punkten den einheimischen Landwirten zu den tech-
nischen und ökonomischen Vorteilen solcher Einrich-
tungen ebenfalls zu verhelfen, vor allem aber sie
durch Verbindung solcher G. mit Verkaufs- und
Absatzgenossenschaften zu befähigen, sich aus der
Abhängigkeit vom Zwischenhandel zu befreien und
dadurch einen zugleich gesicherten: und vorteil-
haftcrn Verkauf als bisher zu erzielen. Die Ein-
lagerung des Getreides inG. soll überdies vornehm-
lich dessen Veleihung durch die Lagerhausgenossen-
schaften selbst oder durch die bestehenden Kredit-
genossenschaften erleichtern und den Landwirt der
Notwendigkeit überheben, seine Ware behufs Be-
schaffung von Bargeld alsbald nach der Ernte zu
niedrigen Preisen loszuschlagen, anstatt günstigere
Zeiten abzuwarten. Von den beiden möglichen
Systemen, dem Silosystem und dem Vodenspeicher-
system, wird das letztere in Deutschland bevorzugt.
Denn wenn es sich auch etwas teurer stellt als das
erstere, so ist es doch mit Rücksicht darauf, daß die
klimatischen Verhältnisse ein völlig trocknes Ein-
bringen des Getreides nicht allgemein ermöglichen,
für Deutschland zweckmäßiger. Die ersten G. wur-
den, zum Teil mit staatlicher Unterstützung, in Süd-
deutschland, besonders in Bayern, errichtet, so in
Worms, Eppingen, Ebern, Trostberg u. s. w. 1890
wurden der preuß. Regierung 3 Mill. M. vom Land-
tag zu solchen Zwecken bewilligt. Die Kornhäuscr
sollen vom Staat erbaut, aber von leistungsfähigen
Genossenschaften verwaltet werden. Der Einführung
des Lagerhausschein- oder Warrantsystems ist man
in deutschen landwirtschaftlichen Kreisen bis jetzt
abgeneigt. Man befürchtet, daß dieses System eine
Vereinigung großer Getreidemengen in einzelnen
Händen erleichtern und dadurch eine den Landwirt
benachteiligende Preisspekulation entfesseln, unter
Umständen auch die G. in volle Abhängigkeit vom
Geldkapital bringen könnte. Die vielfach von dem
Einfluß der G. erhoffte Erhöhung der Getreideprcise
hätte zum mindesten eine ganz allgemeine Verbrei-
tung der Kornhäuser und des genossenschaftlichen
Kornverkaufs zur Voraussetzung. (S. Agrarfrage
und Lagergeschäft.) - Vgl. Sering, Die landwirt-
schaftliche Konkurrenz Nordamerikas (Lpz. 1887);
von Graß-Klanin, Die wirtschaftliche Bedeutung
der Kornzölle (Berl. 1891); ders., Kornhaus kontra
Kanitz (ebd. 1895); Ackermann-Salisch, Der Silois-
mus und der Antrag Kanitz <ebd. 1895).
*Getreidepreife. Alle Vergleiche zwischen G.
verschiedener Orte, besonders ausländischer, leiden
daran, daß die Handelsgebräuche örtlich sehr stark
voneinander abweichen und die an den einzelnen
Börsenplätzen gehandclten Qualitäten oft ganz ver-
schieden sind. Die in der folgenden Tabelle auf-
geführten Großhandelspreise von Getreide können
daher nicht schlechthin miteinander verglichen wer-
den, sondern sollen nur eine annähernde Vorstellung
von der Bewegung der G. an einigen Hauptmärkten
innerhalb der letzten Jahre geben. Nach einer Zu-
sammenstellung des kaiserl. Statistischen Amtes be-
trug der Durchschnittspreis (in Mark) für je 1000 k^:
Städte
Jahr
Roggen
Weizen
Hafer
Gerste
s1893 ^1894 li895
134
152
157
_
Berlin . .
118
136
131
_
120
142
121

s1893
115
141
115
145
Wien . .
^1894
98
125
114
147
l.1895
109
125
113
144
s1893 ^1894 l.1895
104
131
109
113
Budapest .
88
115
108
124
97
115
106
117
s1893 ^1894 N895
114
169
157
146
Paris . .
101
156
158
134
88
155
127
118
s1893 ^1394 l.1895

123
135
144
London. .
__
107
123
133
__
108
105
124
s1893 <1894 (1895

142
149
135
Liverpool .
-
121
136
113

123
121
105
s1893

112


Neuyork .
^1894
__
92
-
__
li895

104
__
-
Fast durchweg ist also auf die hohen Preife des
I. 1893 im nächsten Jahre ein Rückgang gefolgt,
welcher meist auch noch 1895 angehalten hat.
Von Interesse wegen des Zusammenhanges der
Preisbewegung sind die für Berlin zur Veröffent-
lichung gelangenden Preife von Noggen und Noggen-
brot, welche aus der folgenden Tabelle (für 100 kg
in Mark) hervorgehen:
1893
1394
1895

Monate













3^




Z


33
Z

Januar ....
13,38
21,83
12,59
21,16
11,40
19,97
Februar


13,26
22,08
12,27
20,87
11,40
19,70
März .


12,83
22,01
11,91
20,94
11,83
19,93
April .




21,65
12,09
20,62
12,4 5
20,10
Mai .



14^46
21,90
11,46
20,61
13,39
20,74
Juni .



14,55
22,36
12,06
20,65
13,1?
21,03
Juli .



14,42
22,41
11,88
20,39
12,07
21,31
August



13,69
22,31
11,72
20,30
11,33
21,33
September


12,92
21,94
11,76
20,16
11,58
91,0?
Oktober .


12,55
21,72
10,82
20,11
11,56
21,05
November

12,39
21,37
11,29
19,76
11,69
20,33
Dezember . . .
12,62
21,09
11,44
19,57
11,84
20,45
Durchschnit

13,37
21,89
11,77
20,43
11,93
20,63
Im ganzen ist also der Zusammenhang zwischen
G. und Vrotpreisen erklärlicherweise überall zu er-
kennen, doch sprechen bei der Bildung der Brotpreise
noch andere Faktoren mit, so daß im einzelnen beide
Preise nicht immer parallel gehen.
Die Litteratur über die G. ist außerordentlich
reichhaltig; vgl. bezüglich derselben die Litteratur-
angaben in (5onrads "Jahrbuch für Nationalöko-
nomie und Statistik" (Jena 1893 fg.).
^ Getreideproduktion. Die Schwankungen
der G. sind nicht sehr erheblich gewesen. Die ge-
samte G. der Erde (in Millionen Hektoliter) in dem
Zeitraum von 1891 bis 1894 ist wie folgt veran-
schlagt worden: