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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Großbritannische Eisenbahnen - Großbritannisches Heerwesen
Großmächten für Kreta eine Reihe von Reformen
und als wichtigste darunter eine fast völlige Auto-
nomie zu erwirken. Zu den Vereinigten Staaten von
Amerika geriet^Großbritanmen Ende 1895 in eine
unfreundliche Stellung, die daher rührte, daß die
Vereinigten Staaten auf Grund der Monroe-Doktrin
in einem engl.-venezuclan. Grcnzstreit (s. Venezuela,
Geschichte) sich das Schiedsrichteramt anzumaßen
suchten. Da England ein von den Vereinigten Staa-
ten vorgeschlagenes Schiedsgericht ablehnte, richtete
der Präsident Cleveland 17. Dez. eine Votschaft an
den Kongreß, worin er es für die Pflicht der Ver-
einigten Staaten erklärte, Maßnahmen zu treffen,
um die Grenzlinie festzustellen. Trotzdem Großbri-
tannien anfangs diefe Anmaßung zurückwies, ließ
es sich endlich 9. Nov. 1896 doch zu einem Vertrage
bestimmen, wodurch die Entscheidung der Grenzfrage
einer aus 5 Mitgliedern bestehenden Kommission
übertragen wurde, von denen je zwei von den beiden
kontrahierenden Staaten ernannt werden, die sich
dann durch Kooptation ergänzen sollen.
Einen ebenso energischen Widerstand erfuhr die
engl. Politik in Südafrika, wo sie darauf ausging,
die beiden noch unabhängigen Boerenstaaten unter
ihre.Herrschaft zu bringen und ganz Südafrika wenig-
stens zu einem handclspolit. Bündnis zu einigen. Der
energischste Vertreter dieser Politik war der Premier-
minister der Kapkolonie, Cccil Rhodes (s. d.), der
zugleich an der Spitze der Englisch-Südafrikanischen
Gesellschaft (s. d.) stand und der eigentliche Urheber
eines völkerrechtswidrigenGewaltstreichs war, den der
Administrator von Maschonaland, Iameson (s. d.),
zur Ausführung brachte, indem er 30. Dez. 1895
mit 800 Bewaffneten in das Gebiet der südafrika-
nischen Republik (s. d.) einfiel, angeblich um den dort
lebenden engl. Unterthanen polit. Gleichberechtigung
zu verschaffen. Er wurde 1. Jan. 1896 bei Krügcrs-
dorp geschlagen und mit seinem ganzen Korps ge-
fangen genommen. Ein Telegramm des Deutschen
Baisers, das den Präsidenten Krüger zu dem Siege
beglückwünschte, entfesselte einen Sturm der Ent-
rüstung in England und führte zu den rücksichts-
losesten deutschfeindlichen Demonstrationen. Dennoch
wagte man es nicht, gegen den tapfern Voerenstaat
mit wcitern Gewaltmaßregeln vorzugehen, sondern
mußte sich bequemen, die Auslieferung Iamefons
und seiner Genossen von der Gnade des Präsidenten
Krüger zu erbitten, der auch die übrigen in Trans-
vaal ansässigen Verschwörer völlig begnadigte. In
England wurde Iameson und seine Truppe vor Ge-
richt gestellt und er selbst im Juli 1896 zu 15 Mo-
naten Gefängnis, seine Genossen zu geringern Stra-
fen verurteilt. Als Großbritannien im Frühling 1896
von Ägypten aus eine Erpedition gegen die Mah-
disten plante, angeblich um die inKassala angegriffe-
nen Italicner zu unterstützen, und dazu 500000
Pfd. St. aus dem Reservefonds der öffentlichen
Schuld Ägyptens in Anspruch nahm, zeigte sich
Teutschland entgegenkommend und schloß sich nicht
dem Protest, den Rußland und Frankreich erhoben,
an, so daß die Erpedition unter Führung des Ge-
nerals Kitchener im April von Wadi Halfa aus gegen
Dongola vorrücken konnte, das sie im September,
ohne ernstlichen Widerstand gefunden zu haben, be-
setzte. In Sansibar (s. d.) mußten im Aug. 1896 engl.
Kriegsschiffe eingreifen, um die Thronbesteigung des
England mißliebigen Prätendenten Said Kalid zu
verhindern, doch fand dieser Schutz in dem deutschen
Konsulat und wurde auch trotz des engl. Verlangens
nicht ausgeliefert, sondern nach Deutsch-Ostafrika
übergeführt. Die Hauptgefahr, die England be-
droht, besteht aber in dem Gegensatz, der zwischen
den engl. und russ. Interessen in Asien obwaltet, und
über kurz oder lang zu einem feindlichen Zusammen-
stoß führen zu müssen scheint. Dieser Gegensatz fand
auch keine Milderung durch den Besuch des Zaren-
paares in England '(22. Sept. bis 4. Okt. 1896),
wie manche gehofft hatten; vielmehr blieb die polit.
Situation dadurch unverändert.
Angesichts dieser zahlreichen Schwierigkeiten und
der vollkommenen Isolierung, in der sich England
befand, fuchte es die Verbindung mit feinen Kolonien
enger zu knüpfen (s. (-i'öHtsr Lritain und Impsrial
Iteration I^a^ue), wozu namentlich ein von dem
Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain im Juni
1896 nach London berufener Kongreß der Handels-
kammern des brit. Reichs dienen sollte. Zwar wurde
eine Resolution gefaßt, daß, falls von dem Mutter-
lande oder den Kolonien ein bestimmt formulierter
Plan für eine.Handelsunion vorgelegt werden sollte,
dieser einer Reichskonferenz zur Beratung unterbrei-
tet werden möchte. Doch sind die Aussichten für das
Zustandekommen eines Zollvereins äußerst gering
bei der Verschiedenheit der zollpolit. Grundsätze und
Interessen. Ebenso wenig erfolgreich war die Re-
gierung mit der Vorlage eines Unterrichtsgesetzes
(s. Englisches Schul- und Universitätswesen), das
nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei ihren
Anhängern auf Widerstand stieß, so daß es 22. Juni
zurückgezogen wurde. Auch ein irischer Landgesetz-
entwurf, der in wirksamerer Weise als bisher ver-
hindern soll, daß die Pachtsumme infolge der durch
Aufwendungen der Pächter herbeigeführten Ver-
besserungen erhöht wird, und der den Pächtern den
Ankauf erleichtern soll, wurde zwar im Unterhause
29. Juli in dritter Lesung angenommen, stieß
aber im Oberhaus auf den Widerstand der irischen
Landlords und erlitt mehrfache wesentliche Verände-
rungen, so daß seine Zurückverweisung an das
Unterhaus notwendig wurde, das jedoch die meisten
Abänderungen wieder beseitigte, worauf endlich das
Oberhaus nachgab. -Vgl. Michael, Engl. Geschichte
im 18. Jahrh'. (Bd. 1, Hamb. 1896).
^ Grotzbritannische Eisenbahnen. Am
1. Jan. 1895 waren insgesamt 33 641 km Bahnen
vorhanden. Davon lagen 23388 kni in England und
Wales, 5355 km in Schottland und 4898 km in
Irland. Das Anlagekapital betrug 19 707 747000
M. oder 585 830 M. für 1 km, während im Durch-
schnitt die Herstellungskosten der europ. Eisen-
bahnen etwa 310000 M. für 1 km betragen
haben und die Eisenbahnen der übrigen Weltteile,
soweit bekannt, etwa 153 000 M. für 1 km kosteten.
Mit den vorhandenen Betriebsmitteln (18328 Loko-
motiven, 41500 Personenwagen, 16161 Gepäck-
wagen und 608079 Güter- und sonstigen Wagen)
wurden 1894: 911412 926 Personen und
324416 222 t Güter befördert und eine Gesamt-
einnahme von 1686 216 620 M. erzielt; die Be-
triebsausgaben betrugen 944166 260 M., die Ka-
pitalverzinsung 3,7? Proz.
^Großbritannifches Heerwesen. I. Land
Heer. Die gegenwärtige Heeresorganisation hat den
Grundsatz der allgemeinen WebrMicht noch nicht be-
rücksichtigt, sondern beruht auf freiwilliger Anwer-
bung zu längerer oder kürzerer Dienstzeit, so daß
also eine Art von Dienstvertrag zwischen den Rekru-
ten und der Krone abgeschlossen wird; bei drohender