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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Militärstrafverfahren - Millenniumsausstellung
ten im allgemeinen (Ausnahme: Einstellung in
die Arbeiterabteilung, f. d., Bd. 1) ans bessernde
Disciplin beschränkt ist, während die sog. reinigende
Disciplin, die gegen Unverbesserliche anzuwenden
ist, in der Hand des Strafrichters liegt. Dienst-
entlassung, Degradation u. s. w., also die sog. Ehren-
strafen (s. d., Bd. 5>, können nur vom Strafrichter
über das Militär verhängt werden. Die Natur
einer Reihe von Dienstpflichtverletzungen, welche
das Militärstrafgesetzbuch mit Strafe bedroht und
damit nach der Sprache des Gesetzes zu militär.
Delikten im Gegensatz zu Disciplinarvergehen stem-
pelt, als eigentlicher Disciplinarvergehen zeigt sich
auch noch darin, daß diese Dienstpflichtverletzungen,
wie allerdings auch andere Delikte, zum Teil in leich-
tern Fällen (z. B. unerlaubte Entfernung, sofern die
Abwesenheit durch Schuld des Abwesenden nicht
länger als sieben, im Felde nicht länger als drei Tage
gedauert hat) auf dem Disciplinarwege geahndet
werden dürfen. Die militär. Delikte oder Verbrechen
(im weitern Sinne des Wortes, s. Militärverbrechen,
Bd. 11) werden in rein militärische, die nur von
einer Militärperson begangen werden können, und
in militärisch qualifizierte eingeteilt; letztere betreffen
Handlungen, welche an sich auch von andern Per-
sonen begangen werden können, also an sich sog. ge-
meine Delikte sind (z. B. Kriegsverrat, Beleidigung
Vorgesetzter, Diebstahl), welche aber, weil es das
militür. Interesse erfordert, für Militärpersonen mit
andern Strafen als im Neiä)sstrasgesetzbuch bedroht
sind. Beide Arten von militär. Verbrechen und Ver-
gehen werden nach dem Militärstrafgefetzbuch, die
von den Militärpersonen verübten gemeinen De-
likte (z. B. Zweikampf) nach den allgemeinen Straf-
gesetzen beurteilt, insoweit nicht Militärgesetze <§§. 112
u. 113 des Militärstrafgefetzbuches) ein anderes be-
stimmen. Im übrigen ist zu bemerken, daß das
Militärstrafa.esetzbuch nur Verbrechen und Vergehen,
nicht auch Übertretungen kennt. Militärverbrechen
ist eine Handlung, die im Militärstrafgesetzbuch mit
Tod, mit Zuchthaus oder mit Gefängnis- oder
Festungshaft von mehr als fünf Jahren bedroht ist,
militär. Vergehen die daselbst mit Freiheitsstrafen bis
zu fünf Jahren bedrohte Handlung; Gefängnis ist
also, anders als nach dem Civilstrafgesetzbuch, sowohl
ordentliche Verbrechens- wie Vergehensstrafe. So-
weit das Militärstrafgesetzbuch Kriegsstrafrccht ent-
hält, gilt es zum Teil auch für Civilpcrsonen (Armee-
troß; auch für andere Civilisten, z. V. hinsichtlich
Plünderung von Verwundeten und Gefallenen).
Das österreichische Militärstrafgesetz vom
15. Jan. 1855 normiert ebenfalls nicht bloß dic
reinen Militärdelikte, sondern auch die militärisch
qualifizierten gemeinen Delikte. Es beruht in seinen
Grundlagen auf dem Civilstrafgesetzbuch von 1852
und ist demnach, wie dieses, reformbedürftig. Ins-
besondere fehlen im österreichischen M. zum Teil der
unterdessen erfolgten Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht entsprechende Normen. Was das Ver-
hältnis des M. zur Militärdisciplinargewalt anlangt,
so gestattet das österr. Militärstrafgefetz eine große
Zahl von reinen Disciplinarvergehen, fobald sie zwei-
mal im Disciplinarwege geahndet wurden, unter
Umständen ausdrücklich als militär. Kriminaldelikte
zu behandeln.
Vgl. Koppmann, Militärstrafgesetzbuch für das
Deutsche Reich (2. Aufl., Nördl.1885); Heckcr, Lehr-
buch des deutschen M. (Stuttg. 1887); Artikel Mili-
tärdisciplin in Stengels "Wörterbuch des deutschen
Verwaltungsrechts", Bd. 2 (Freib. i. Vr. 1890);
Dangelmaier, Die Militärverbrechen und -Veraehen
! nach österr. Recht (Innsbr. 1884); ders., Geschichte
^ des M. (Berl. 1891); ders., Militär-rechtliche und
militär-ethische Abhandlungen (Wien 1893); Artikel
Heerwesen im "Österr. Staatswörterbuch", Bd. 2
(ebd. 1896); Weisl, Heeres strafrecht (ebd. 1892);
Solms, Strafrecht und Strafprozeh für Heer und
Marine des Deutfchen Reichs (Berl. 1892); von Liszt,
Das Strafrecht der Staaten Europas (ebd. 1894),
S. 69 fg., und Lehrbuch des deutschen Strafrechts
(7. Aufl., ebd. 1896), S. 669 fg.
* Militärstrafverfahren. Im Okt. 1896 ist
dem deutschen Bundesrat der Entwurf einer Militär
strafprozeßordnung zugegangen. - Auch in Öster-
reich ist das M. noch ein vollkommen schriftliches
Untersuchungsverfahren. Es beruht an sich noch auj
einer Gerichtsordnung vom 31. Dez. 1768, jedocb
wird eine 1884 erschienene amtliche Zusammenfiel
lung aller auf das M. bezüglichen Vorschriften, an
sich nichts anderes als eine Dienstanweisung, als
Militärstrafprozeßordnung bezeichnet. Der Gerichts'
Herr (der militür. Befehlshaber) ordnet die Unter'
suchung an. Eine Anklagebehörde besteht ebenso
wenig wie eine formelle Verteidigung. Der Auditor
allein führt die Unterfuchung und erhebt die für und
gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände. Das
Urteil wird in einer nichtöffentlichen Schlußverband-
lung von einem aus Standesgenosfen von Fall zu
Fall gebildeten, aus sieben Personen des Soldatew
standes(bei Mannschaftsprozessen: ein gemeiner Sol-
dat, ein Gefreiter, ein Korporal, ein Feldwebel, ein
Subalternoffizier, ein Hauptmann, ein Stabsoffizier
als Präses) und dem Auditor, der die Untersuchung
geführt hat, bestehenden Assessorium nach Vortrag
dcs Auditors entschieden. Dabei ist ein mehr odcl
weniger förmliches Verfahren der Schluhverhand
lung zu unterfcheiden: Verfahren durch krieasrecht
liches Urteil (Kriegsrecht) oder durch rechtliches Er
kenntnis. Das Kriegsrecht findet statt: gegen Offi
ziere und Kadetten in allen Fällen, gegen Mann
schaften bei Verbrechen und, wenn Degradierung zv
erfolgen hat oder die angedrohte Strafe fechsmona
tigen Arrest übersteigt, auch bei Vergehen. Das gc
fällte Urteil wird durch Bestätigung seitens des Gc
richtsherrn rechtskräftig. Rechtsmittel mit aufschie
bender Wirkung finden nur ausnahmsweise statt
Außerordentliche Verfahrensarten sind der Edittal
Prozeß (bei Flucht), das Standrecht (wenn ein war
nendes Beispiel nötig ist; das Verfahren muß regel
müßig in 24 Stunden beendet fein; Todesstrafe Wirt
fofort nach Verkündigung vollzogen) und das außer
ordentliche Krieczsrecht (zulässig, wenn die Unpartei
lichkeit des Gerlchtsherrn bezweifelt wird). Auch in
Österreich zeigen sich Reformbestrebungen nach dem
Vorbilde Bayerns, Italiens und Frankreichs. -
Vgl. Weisl, Vorschläge zur Regelung des M. (Wien
1893); Mark, Der Militärstrafprozeß in Deutschland
und feine Reform, Bd. 2, 1. Hälfte (Berl. 1895);
Zenk, Öffentlichkeit im Militärstrafprozeß, zusamt
den verwandten Materien (2. Aufl., Würzb. 1896).
*Millais, John Everctt, wurde 1896 Präsident
der königl. Akademie in London, starb aber dafelbsl
schon 13. Aug. desselben Jahres.
Millenniumsausftellung in Ungarn. Noch
unter dem ungar. Handelsmmister Gabriel von'
Varoß (1891) beschloß das ungar. Parlament die
tausendste Jahreswende dcr Entstehung und des Be-
stehens des ungar. Staates im 1.1895 durch eine