Autorenkollektiv,
Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig,
Dritte Auflage, 1884
Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse
unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.
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Augennichts - Aventurin
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Attich'
Attichbeermus (Roob Ebuli). In der Färberei gebraucht man
die Beeren als Zusatz zu Blauholz u. s. w.
Augennichts
(Nihilum album),
Zinkblumen, ist ein
veralteter Apothekername für
Zinkoxyd
(s. d.) in seiner Anwendung als Augenmittel. Es dient oder
diente in Wasser verteilt zu Augenwasser.
Augenstein (franz. quarts-agate
chatoyant, engl. white copperas, eye-stone). Hierunter ist
entweder der weiße Vitriol (Zinkvitriol) oder auch der
Heiligenstein
(s. d.) sowie das Mineral Chalcedon und der Achat mit
augenähnlichen Zeichnungen (agate ocillée) zu verstehen.
Aurantia; ein zum Färben von Wolle
und Seide dienender Teerfarbstoff; derselbe ist ein ziegelrotes
Pulver, färbt aber prachtvoll gelb. Man stellt die A. aus dem
Diphenylamin durch Nitrieren dar und ist dieselbe die
Ammoniakverbindung des
Hexanitrodiphenylamins.
Die mit A. gefärbten Gewebe sollen, auf dem bloßen Leib
getragen, unangenehme Hautaffektionen hervorrufen, welcher
Behauptung jedoch von andrer Seite widersprochen wird. Zoll:
Gemäß Tarif im Anh. Nr. 5 i. Zubereitete Farben daraus Nr.
5 a. (Vgl. Anilin.)
Aurin; ein dem Korallin ähnlicher,
früher mit ihm für identisch gehaltener Teerfarbstoff; ist
nur in Spiritus löslich. - Verzollung wie vorher.
Austern (franz. huitres, engl.
Oysters, ital. Ostriche, holl. Austers); dieselben sind
unstreitig unter allen als Nahrungsmittel benutzten
Muscheltieren die schmackhaftesten und beliebtesten. Die A.
der europäischen Meere,
Ostrea
edulis, findet sich von der norwegischen
Küste bis in das Mittelmeer; in der Ostsee kann sie des
geringen Salzgehaltes wegen nicht gedeihen. Die
nordamerikanische A. ist eine besondere Art,
Ostrea virginica; sie
kommt längs der Küste vom Mexikanischen Meerbusen bis zur
Mündung des Lorenzo vor. Die A. sind Zwitter und zwar in der
Weise, daß Eier und Befruchtungskörper in demselben Individuum
nicht zu gleicher Zeit, sondern nacheinander entstehen. Eine
ausgewachsene Auster kann 1 bis 2 Millionen Eier legen. Die
A. leben am liebsten in stillen Meeresbuchten von nicht über
10 m Tiefe. Die Stellen, wo sie in größerer Menge bei
einander liegen, heißen
Austernbänke oder
Austernbetten. Gewöhnlich
bringt man die halb erwachsenen A. in besondere Bassins
(Austernparks), in denen
sie sorgfältig gepflegt werden. Auch haben die Franzosen mit
Anlegung neuer Austernbetten (Austernzucht) sehr gute
Resultate erzielt. Die Versendung der A. geschieht in Fässern;
in diesen werden sie, mit der hohlen Schale nach unten, so
dicht aufeinander gelegt, daß sie ihre Schalen nicht öffnen
können und daher das eingeschlossene Seewasser bei sich behalten
müssen, bis man sie zum Verspeisen öffnet. Die A. werden in
Europa nur in den Wintermonaten vom September bis Mai gefischt.
Die besten A. sind die von der nordfranzösischen und englischen
Küste, nächstdem die von der Westküste von Schleswig und von
Holland. Unter dem Namen Holsteiner
A. kommen alle größeren von den nordischen Küsten
in unsern Handel, während
↔
unter dem Namen Natives
kleinere A. von England und Ostende zu uns kommen. In letzterem
Orte werden sie nicht gezüchtet und gemästet, sondern nur in
Bassins aufbewahrt; hier ist nur der Stapelplatz für englische
A. - Die Holländer ziehen dagegen junge A. nach der neuen
französischen Methode in der Osterschelde. In Italien sind
Tarent, Triest und Venedig Hauptplätze für Austern. Die
deutschen Austernbänke an der Westküste von Schleswig können
höchstens 4 bis 5 Millionen Stück jährlich liefern. In
Frankreich wurden 1877: 104354080 Stück A. gefangen, 1878
dagegen 169397046 Stück, letztere im Werte von 2854564 Franks.
Bei diesen Angaben sind jedoch die Erträge von den künstlichen
Austernparks nicht inbegriffen, da mit Einschluß der in diesen
gezüchteten A. im Jahre 1878: 640884674 Stück für 22212159
Frks., 1877 dagegen 651882400 Stück für 23293854 Frks. verkauft
wurden. In England werden circa 900 bis 1000 Millionen Stück
für 4 Millionen Pfd. Sterl. produziert und verkauft. Die größten
Massen von A. werden jedoch in Nordamerika auf den Markt
gebracht, nämlich durchschnittlich 9-12 Milliarden. Seit 1876
kommen auch amerikanische A. nach Hamburg, 1876 nämlich 39000
Stück, 1877 schon 520000 Stück. Der Durchschnittswert von A.
überhaupt belief sich in Hamburg 1875 auf 6 M. 25 ₰ pr. 100
Stück, 1876 auf 9 M. 19 ₰ und 1877 auf 9 M. 19 ₰ pro 100 Stück.
Die Gesamtsumme der in Hamburg importierten A. belief sich im
Jahre 1877 auf 3240000 Stück, 1876 dagegen auf 6658000 Stück.
- Einfuhrzoll: S. Tarif im Anh. Nr. 25 r.
Austerschalen; dieselben werden,
nachdem sie genügend gereinigt sind, zu Pulver gemahlen und
teils als Putzpulver verwendet, teils in Apotheken unter dem Namen
präparierte A.
(Conchae praeparatae)
vorzugsweise zu Zahnpulvern verwendet; sie bestehen größtenteils
aus kohlensaurem Kalk, nebst einer geringen Menge einer dem
Chitin ähnlichen Substanz. A. auch gepulvert. - Zollfrei.
Aventurin, als Gesteinsart, ist
gelbbrauner oder roter Quarz, mit feinen Sprüngen oder
Glimmerschüppchen durchsetzt, welche ein gelbschimmerndes
Ansehen haben. Das Mineral findet sich in größeren Massen
besonders am Ural, in Deutschland dagegen nur an ein paar
Stellen, bei Aschaffenburg und bei Mariazell in Steiermark.
Der A. nimmt eine gute Politur an und wurde besonders früher
zu größeren und kleineren Kunst- und Schmucksachen, Vasen;
Tischplatten, Dosen, Ohrgehängen u. s. w. verarbeitet. Zu
Murano bei Venedig wurde früher der A. auf geheim gehaltene
Weise in Glas nachgeahmt, und es war dieses Kunstprodukt,
obwohl weicher, doch von viel schönerem Ansehen als das
natürliche. Es ist eine braungelbe und zugleich goldglänzende
Masse. In unsrer Zeit ist das Rätsel durch die Professoren
Wöhler und Pettenkofer gelöst und ein Verfahren angegeben,
das Aventuringlas ebenso schön wie das alte venezianische
darzustellen. Die Flimmer in dem durch Eisen gefärbten
Glasflusse bestehen demnach aus metallischem Kupfer,
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 28.