Schnellsuche:

Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

98

Draht - Draht

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Draht'

ist kleiner als der Durchmesser des vorgelegten D. Bei dem Durchgange des D. tritt nun eine Querschnittsabnahme und eine Verlängerung des D. ein. Da aber die Querschnittsabnahme nur gering genommen werden kann, so sind zur Herstellung feiner D. sehr viele Durchgänge durch immer enger werdende Ziehlöcher erforderlich. Die Ziehlöcher für sehr feine Drähte mit möglich glatter Oberfläche werden in harte Edelsteine (Rubin oder Saphir) gebohrt und diese in Messingplatten gefaßt. Selbstverständlich können nur solche Metalle D. geben, die von Natur die dazu gehörige Dehnbarkeit besitzen. Es werden verarbeitet: Eisen, Stahl, Kupfer, Messing, Neusilber, Silber, Gold (nicht für sich allein), Platin, in geringerem Maße Zink und Blei. Der Eisendraht steht in bezug auf massenhafte Erzeugung voran. Zur Herstellung sind nicht unbedingt weiche, aber zähe, feste Eisensorten von fadiger Struktur erforderlich. Früher ließ man die zu D. bestimmten geschmiedeten eisernen Stäbe aus dem Gröbsten auf dem sog. Stoßzug ausziehen. Jetzt werden die groben Drahtnummern gewalzt, um entweder so zu bleiben oder auf der Drahtmühle weiter verdünnt zu werden. Die Walzen aus hartem Eisen liegen paarweise übereinander und haben auf ihrem Umfange halbrunde Rillen, die je zwei und zwei aufeinanderpassen und so ein rundes Loch herstellen. Während die Walzen sich beständig drehen, steckt man in das weiteste Loch glühende Stäbe, die sogleich nach dem Austritt auf der andern Seite in ein zweites, drittes u. s. w. Loch eingeführt und so mit großer Schnelligkeit in D. verwandelt werden, der noch glühend von einem Haspel zu einem Bunde aufgewickelt wird. Die weitere Verfeinerung durch Ziehen geschieht auf der Scheibenbank (Drahtmühle, Leierbank). Jeder Gang derselben besteht aus einer aufrecht stehenden Trommel mit daneben stehendem Zieheisen. Ein Haspel voll des zu verdünnenden D. wird vorgelegt, das Drahtende durch Hämmern oder Feilen verdünnt, durch das betreffende Ziehloch geschoben, an der Trommel befestigt und diese durch die Maschinenkraft in Umlauf gesetzt. Die Härte des Eisendrahtes nimmt bei jedem Durchgange zu; endlich wird er spröde, so daß er bei noch weiterem Ziehen häufig reißt. Dann muß er durch Ausglühen wieder weich gemacht werden. Dies geschieht in einem besondern Ofen unter Luftabschluß, um die Bildung einer Oxydschicht so viel als möglich zu verhüten. Dann ist er zunächst erst durch Beizen mit Säuren von dem entstandenen Glühspan zu befreien. Gegenwärtig walzt man Eisendraht bis herunter zu 6 ja selbst 4 mm Durchmesser. Bei dem Ziehen bis zu 1 mm findet ein 3- bis 5maliges Ausglühen bei 12 bis 20 Durchgängen statt. Bei noch weiterer Verfeinerung ist wiederholtes Ausglühen meist nicht nötig. - Stahldraht wird auf demselben Wege erhalten wie Eisendraht. Nur muß derselbe bei dem Ziehen häufiger und mit größerer Vorsicht ausgeglüht werden, weil er rascher hart wird und bei zu hoher Temperatur verbrennt. Einen besondren Fabrikationszweig bildet die Herstellung der Pianofortesaiten. Das Verfahren ist im Allgemeinen ↔ nicht verschieden von dem beschriebenen; zur Erreichung des möglichen Gütegrades und der größten Klangfähigkeit ist aber die größte Sorgfalt in Auswahl und Behandlung des Materials (Gußstahl), namentlich bei dem Wiederhärten des zum Behufe des Ziehens weich gemachten Stahles erforderlich. Früher konnten solche Saiten nur von England bezogen werden (von Webster, Horsfall); aber die Engländer sind in Deutschland und Österreich, namentlich in Wien, nicht nur seit geraumer Zeit erreicht, sondern selbst überholt worden, sodaß die Einführung englischer Saiten ganz aufgehört hat. - Kupferdraht wird aus rund geschmiedeten Stäben oder aus Streifen, welche von gewalzten Platten geschnitten sind, gezogen. Das Kupfer läßt sich vermöge seiner großen Dehnbarkeit leicht ziehen und wird nicht hart, so daß ein Ausglühen nur selten notwendig ist. Ein Stab von etwa 0,3 m Länge und 25 mm Stärke läßt sich zu einem haarfeinen Faden ausziehen, der über 7500 m lang ist. Die Verwendung kupferner Drähte beschränkt sich vorwiegend auf alle die Fälle, bei welchen es sich um Benutzung des Elektromagnetismus handelt, also zu telegraphischen Leitungen und galvanischen Apparaten. Das Messing wird zum Behuf des Drahtziehens für die gröberen Sorten zunächst in runde Stäbe geformt, während man für die feineren aus Messingblech vierkantige Leistchen (Regale) schneidet und es dem Drahtzug überläßt, dieselben abzurunden. Die gleiche Dehnbarkeit wie Kupfer und Messing hat das Neusilber. Die Drähte aus dieser Legierung werden gleich von den Anstalten geliefert, welche Neusilber erzeugen. Draht aus Zink und Blei hat wenig Haltbarkeit und daher wenig Verwendung; er dient hauptsächlich zum Anbinden für Gärtner, der bleierne außerdem an Jacquardmaschinen und zu Dichtungen für Röhren u. s. w. - Gold- und Silberdraht finden für allerhand Tressen, Borden u. dgl. eine ausgedehnte Verwendung und sind entweder echte oder unechte Ware; echter Golddraht besteht indes deshalb noch nicht aus massivem Gold, sondern ist vergoldeter Silberdraht. Um diesen letzteren ohne Vergoldung zu erzeugen, gießt man Stäbe, verlängert sie durch Ausschmieden, feilt sie rund und übergibt sie erst gröberen, dann feineren Ziehmaschinen. Da man den echten Silberdraht immer nur in sehr feinen Nummern braucht, so hat er bis zur Vollendung 100-120 Ziehlöcher zu passieren. Bei Herstellung des vergoldeten Silberdrahtes wird nicht dieser nach der Vollendung, sondern gleich die gerundete Stange vergoldet, indem man sie glühend mit mehrfachen Lagen von Blattgold belegt, dieses anreibt und zur Verhütung des Abstreifens in den Ziehlöchern die Stange mit Wachs einläßt. Auch bei der weitest getriebenen Streckung erhält sich die Golddecke trotz fabelhafter Verdünnung ganz und unversehrt. In der nämlichen Weise werden Kupferstäbe vergoldet oder versilbert und durch Ausziehen in den unechten oder sog. leonischen Gold- oder Silberdraht verwandelt. Die Fabrikanten, welche dergleichen echte und unechte Drähte verarbeiten, besorgen auch ihre Herstellung selbst

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 99.