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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Gelatine

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Gelatine - Gelatine

Jahrzehnten aus dem früheren Lokal- und Klein- ein lebhafter Welt- und Großhandel entwickelt, welcher dem Stadtbewohner das beliebte G. zu annehmbaren Preisen liefert und dem Landmann bis in die entferntesten Gegenden hinein lohnenden Erwerb für seine früher ganz vernachlässigte, weil unrentable, Geflügelzucht sichert. In geringerem Grade wird G. aus besondren Zucht- und Brutanstalten in oder bei großen Städten zum Markt gebracht; trotz des sicheren Absatzes in der Nähe und billiger Futtermaterialien (Abfälle etc.) können diese nicht in der Rentabilität mit den Landwirten konkurrieren, welche im Groß- wie im Kleinbetrieb alle Bedingungen zu lohnender Zucht haben. Am hervorragendsten in bezug auf die Produkte der Geflügelzucht ist Frankreich, welches für diese gewaltige Summen aus dem Ausland bezieht; berühmt sind die Mastanstalten, für Poularden und Kapaunen besonders Mons, Toulouse, Berlezieux, la Bleche. Für Gänse, zu Leberpasteten und direktem Verkauf, sind Toulouse und die obere Garonne, für Enten Toulouse und die Normandie die Hauptbezugsorte. Mit Enten betreiben die holländischen Bauern einen lebhaften Handel nach England, Gänse bezieht Holland in ganzen Heerden aus Westfalen, da dort die Hausgans nicht gedeiht. Berühmt für diese ist Pommern (Gänsebrüste), Frankfurt a. M., Mainz etc., für Enten Franken und für alles Geflügel Bayern überhaupt, ferner Baden, Thüringen, Württemberg, Hessen, die Rheinprovinz, während, außer den Hamburger Landen und Schlesien, im Norden mit vorwiegendem Großgrundbesitz weniger Wert auf die Geflügelzucht gelegt wird. Zahlreiche Gänse werden aus Polen bezogen, Truthühner aus größeren Gütern. Der Handel mit G. aller Art wird meist durch Aufkauf im Kleinen oder auf den Märkten der Kleinstädte vermittelt, für unternehmende Kaufleute ist es aber der Mühe wert, direkt mit Gutsbesitzern in Verbindung zu treten und Akkorde über Lieferungen zu schließen. Nur diese können auch im Winter Waren liefern, da sie dem G. warme Stallungen und reiches Futter sichern können. Statistisches über G. gibt es nicht in genügender Weise. - Zoll: Lebendes G. ist zollfrei, getötetes aller Art, auch zerlegt, sowie frisch zubereitetes gem. Tarif im Anh. Nr. 25 g 1, farciertes oder in hermetisch verschlossenen Büchsen eingehendes, auch Pasteten Nr. 25 p 1.

Gelatine. Diesen Namen führt der reinste, farblose und durchsichtige Leim, der mit besondrer Sorgfalt aus Knochen bereitet wird; Hautabfälle werden zuweilen auch verwendet, liefern aber eine geringere Sorte. Bei den Verwendungen der G. kommt weniger die Bindekraft, wohl aber häufig völlige Farblosigkeit und Glasähnlichkeit in Betracht. Solche reine helle Ware ist namentlich ein gesuchter Artikel für Papeteriewaren, zum Überziehen von Bildern etc., ferner in der Photographie und zu Konditoreizwecken. Die käufliche G. ist meistens ziemlich neu und durchsichtig und bildet längliche sehr dünne und biegsame, doch dabei leicht zerspringende Blätter, die wie der Leim die Eindrücke zeigen, welche sie von dem Bindfadengeflecht der Trockenhorden erhalten haben. Außerdem gibt es unter dem Namen Weinschöne auch braune G. zum Klären trüb gewordener Weine. Zur Darstellung der G. gibt es zwei Wege: es werden entweder die mineralischen Bestandteile (phosphorsaurer Kalk) aus den Knochen mittels Säure ausgezogen und in Auflösung gebracht, wobei die Knorpelsubstanz in derselben Gestalt, die die Knochenstücke hatten, übrig bleibt und nun durch Kochen mit Dampf oder Wasser sich in G. verwandelt; oder man behandelt die Knochen in heißen Wasserdämpfen in geschlossenem Räume und behält die mineralische Knochensubstanz übrig. Die gewünschte Farblosigkeit, die nicht durch Bleichmittel hergestellt werden darf, wird ziemlich erreicht durch Anwendung gut gesäuberter Rohstoffe und Vermeidung zu hoher Hitzegrade. Das beste Material für solche G. sind Rindsknochen; man verwendet nur die dünnern, lockern und flachen Knochenpartien, aber auch viel Kalbsfüße mit. Die Knochen werden durch Schaben und Waschen möglichst gereinigt, in kleinere Stücke zerbrochen und in einem geschlossenen Apparate der Einwirkung heißer Wasserdämpfe ausgesetzt. In dem verschließbaren Dampfcylinder des Apparats sind die Knochenstückchen in einem Drahtkorbe aufgehangen. Während der Dampf von unten in den Cylinder eintritt, läßt man gleichzeitig von oben Wasser in kleinen Strahlen auf die Knochenmasse fließen. Der Dampfdruck und die Temperatur im Cylinder wird so reguliert, daß höchstens ½ Atmosphäre Überdruck und 106 bis 108° C. Hitze vorhanden sind, weil bei Höhersteigung der Auszug gefärbt ausfallen würde. Die im Cylinder entstehende Lösung, die stündlich abgelassen wird, bringt anfänglich Fett mit und dient zu einer geringern Sorte; später ist sie fettfrei. Die völlige Extraktion erfordert eine 4tägige Dämpfung. Durch nachfolgendes längeres Stehenlassen in Klärgefäßen unter Warmhaltung erzielt man, daß die Unreinigkeiten sich zu Boden setzen. Hierzu darf aber die Lösung nicht zu konzentriert sein. Deshalb hat man den Wasserzufluß in den Cylinder so zu bemessen, daß die Lösung einen Gehalt von etwa 5 Teilen trockner G. hat. Auch bei dieser Verdünnung gerinnt die Flüssigkeit beim Erkalten noch zu Gallert. Die geklärte Lösung gießt man noch warm auf polierte Schiefer- oder Marmorplatten, wo sie zu Tafeln erstarrt, die man in die Größe der verkäuflichen Täfelchen zerschneidet und auf Netzrahmen gelegt an der Luft und schließlich in Trockenstuben trocknet. In solcher Zubereitung ist dann die völlig geruch- und geschmacklose G. tauglich zu den verschiednen Gelées der Konditorei und Küche, in Apotheken zu Kapseln über schlecht schmeckende Arzneien etc. -

In andrer Weise wird die nur für technische Zwecke bestimmte G. hergestellt, wozu allerhand Knochen, Drehspäne von solchen, Hufe etc. verwendet werden. Diese legt man nach dem Waschen und Zerkleinern in verdünnte Salzsäure so lange, bis alle mineralischen Bestandteile aufgelöst sind und der reine Knorpel übrig bleibt. Um demselben anhaftende Säure möglichst zu