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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Hauhechelwurzel; Hausenblase

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Hauhechelwurzel - Hausenblase

geraumer Zeit auf besonders dafür eingerichteten Maschinen fabrikmäßig zu Garn versponnen, entweder für sich oder mit kleinen Zusätzen von Baumwolle oder Flockseide. Diese Garne sind von großer Schönheit und werden zu einer Art von Samtgewebe hauptsächlich für Damenstoffe verarbeitet. Die Farben sind meist weiß und schwarz, zum Teil auch meliert, naturfarben oder schön gefärbt. Neuerdings haben auch deutsche, speziell rheinische Spinnereien sich auf den Artikel verlegt, da viel Nachfrage nach solchen Garnen sowohl im Inlande wie für Rußland und Polen ist. - Zoll: H. und Hasenhaare sind zollfrei. Garn aus Hasenhaaren, auch wenn es mit Flockseide gemischt ist, Nr. 41 c 3 des Tarifs, mit Baumwolle gemischt Nr. 2 c. Gewebe aus Hasenhaaren Nr. 41 d 6 α, halbseidne Nr. 30 f.

Hauhechelwurzel (Haudornwurzel, Harnkrautwurzel, radix ononidis). Die Wurzel der dornigen Hauhechel (Ononis spinosa, frz. la bugrane épineuse, engl. Restharrow), ein niedriger, an Wegrändern und sonst auf kulturlosen Flecken häufig wachsender Strauch mit blaßroten Schmetterlingsblüten; die Wurzel ist holzig zähe, einige Fuß lang und fingerdick, oben in viele Köpfe geteilt, außen dunkelbraun, auf dem Durchschnitt weißlich und strahlig. Die im Handel vorkommenden Wurzeln sind meist der Länge nach gespalten. Der Geschmack derselben ist süßlich bitterlich, beim Kauen zusammenziehend und etwas brennend. Sie wird in Abkochungen als mildes, schweiß- und harntreibendes Mittel verordnet. - Zollfrei.

Hausenblase (Fischleim, Colla piscium oder Ichthyocolla, frz. colle de poisson, engl. Isinglass); dieselbe besteht aus der getrockneten innern Haut der Schwimmblase verschiedner großer Fischarten vom Geschlecht der Störe, unter welchen zwar auch der Hausen (russ. Beluga) vertreten ist, aber keineswegs so hervorragend, daß sein Name mit Fug als Gesamtfirma gelten könnte; seine Ware bildet vielmehr eine geringere Sorte; die beste H. liefert der eigentliche Stör, wozu noch einige kleinere Verwandte, der Osseter, Sterlet, der Sewruga (Scherg) kommen. Es sind also meistens dieselben Tiere, welche auch den Kaviar liefern, und über welche in dem betreffenden Artikel einiges Nähere angeführt ist. Rußland ist dasjenige Land, welches Europa vor allem mit dem Artikel und zwar reichlich versorgt, denn es exportiert jährlich gegen 100000 kg H., die meist über Petersburg kommen. Außer dieser russischen „echten“ Ware erscheint aber noch manche andre aus den verschiedensten Weltgegenden am Markt, amerikanische von der Hudsonsbai, brasilische, ostindische etc., auch wohl in fälschender Untermischung mit der echten. An den Küsten Norddeutschlands, Englands, Nordamerikas ist hauptsächlich der Kabliau derjenige Großfisch, der am meisten auf Hausenblase benutzt wird, dann Lachse, Welse und Seehechte. Die nicht russischen Sorten sind alle von geringerer Qualität als diese, meist dunkler gefärbt, gelblich, bräunlich etc., mit widrigem Fischgeruch und Geschmack behaftet, beim Kochen mit Wasser weit mehr unlöslichen Rückstand hinterlassend, als die echte. Von der russischen Sorte unterscheidet man wieder: Astrachaner, uralische und sibirische H. Die Primafeineware besteht aus harten, schwer zu biegenden Blättern mit runzlicher Oberfläche, welche bei auffallendem Lichte mit prachtvoll blauer Farbe schillert. Die Primaware zeigt dieses Irisieren im geringeren Grade, die Sekundaware gar nicht. Die gangbarsten Marken der russischen H. sind jetzt: Saliansky, Beluga und Samovy oder Samova, nächst diesen Assetowa und Premislowoi. Die Zubereitung der russischen H. ist eine einfache, meist von Knaben besorgte Arbeit. Die frischen, oder wenn getrocknet, in Wasser wieder aufgequellten Blasen werden der Länge nach aufgeschnitten, durch sorgfältiges Waschen, Reiben und Pressen von Unreinigkeiten befreit und geschmeidig gemacht, halb getrocknet, dann die äußere unbrauchbare Muskelhaut abgezogen, die innere weiße in eine der gangbaren Handelsformen gebracht (gebrakt) und vollends getrocknet. Früher gab es im Handel unaufgeschnittene, nur äußerlich gereinigte Blasen, dann solche, die geöffnet und zu einem Kuchen zusammengeklappt waren. Diese Stücke mußten vor dem Gebrauch erst lange gewässert, geklopft und auseinandergelegt resp. gereinigt werden. Dies ist auch der Fall bei der in Ringel- oder Lyraform (Ringelhausenblase) aufgerollten und gebogenen Ware, welche noch vorkommt, aber nicht mehr beliebt ist, da die H. in Blättern und in Fäden sich bequemer verwenden läßt. Zur Herstellung der Blätter werden die noch feuchten gereinigten Stücke stark ausgereckt, mit Nägeln über Bretter gespannt und so in der Sonne fertig getrocknet. Die dünnen Fäden erhält man durch Zerschneiden der Blätter auf Maschinen, welche mit stählernen Schneidscheiben arbeiten. Diese Zurichtung wird ebenfalls von den Russen an Ort und Stelle besorgt und die geschnittene Ware ist nicht teurer als andre. Seit einer Reihe von Jahren hat sich in Rußland die Gewohnheit eingebürgert, daß schon die rohe H. nach Petersburg geschafft und dort gebrakt wird; man richtet sie dort für das Auge her, bleicht sie, verringert aber dadurch ihren Wert; auch trocknet man sie nicht vollständig aus oder befeuchtet sie absichtlich wieder, sodaß der Käufer durch Eintrocknen häufig einen Verlust bis zu 20% erleidet. Das Bleichen geschieht entweder mittels Schwefeldampf oder durch die Schneebleiche, die besonders an der Wolga betrieben werden soll. Von den dort im Winter unter dem Eise gefangenen Fischen vergräbt man nämlich die Blasen so wie sie sind in den Schnee und wartet mit der Zubereitung bis im Frühling die Sonne wieder warm genug scheint. In der Zwischenzeit hat sich ihre Qualität verbessert. Die Beluga, also die eigentliche H., besteht aus großen dicken und rauhen Blättern und hat keine reine Farbe, ist wohlfeiler, aber sonst gut brauchbar in Fällen wo nicht auf schönes Äußere gesehen wird. Sterletblase ist nicht größer als ein Handteller; Samowy in dünnen weißen Blättern, aber den übrigen Sorten an Güte sehr nachstehend, kommt vom Wels. Die Fischblase ist nicht der alleinige Fischleim, sondern nur der beste; alle andern Membranen großer Fische geben ebenfalls Leim. So nutzt man an der untern Donau, in der