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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

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Hering

lich, sehr hart, zähe und schwierig zu zerkleinern. Sie haben einen sehr bittern, kratzenden, Ekel erregenden Geschmack und wirken giftig. Die wallnußgroßen, denen der gemeinen Tulpe ähnlichen Zwiebelknollen werden im Herbst, zur Blütezeit der Pflanze, gegraben und meist nur frisch zu medizinischen Präparaten verbraucht. Geschmack und Wirkung derselben ist wie bei den Samen, nur in schwächerm Grade. Der der Pflanze eigentümliche, heftig wirkende Giftstoff wird Colchicin genannt; er bildet farblose und geruchlose Kristallnadeln, wird aber nur wenig verwendet. Man bereitet aus den Wurzeln und zerkleinerten Samen zu medizinischem Gebrauche Auszüge mit Essig, Weingeist, spanischem Wein. - Zollfrei, einschließlich der Samen und des Colchicin.

Hering (lat. Clupea Harengus, frz. hareng, engl. herring). Dieser allbekannte Fisch bildet unter allen Gaben, die die nordischen Meere zu bieten haben, die reichlichste; seine Verbreitung als Ware ist die allgemeinste und in ihm erhält selbst der arme Mann tief im Binnen- und hoch im Berglande wenigstens etwas von den reichen und mannigfaltigen Nährstoffen der See zu genießen. Der H. ist, was man ihm im Tode nicht ansieht, in seinem Äußern ein schöner Fisch; zu dem Grünblau des Rückens und dem silbrigen Weiß der Seiten gesellt sich ein eigentümlich reizendes Farbenspiel, aber alle Farbenschönheit erlischt sogleich mit dem Leben. Über die Naturgeschichte des Fisches bleibt noch manches aufzuklären. Nach der frühern, auch jetzt noch in Schriften zuweilen auftauchenden Ansicht wäre die eigentliche Heimat des H. in den eisigen Regionen des Polarkreises zu suchen, von wo derselbe des Laichens halber in gewaltigen Schwärmen die europäischen Küsten aufsuche, um nachgehends wieder heimzukehren. Nach der neuern, mehr plausiblen Ansicht kommen die Fische nicht aus dem so weit entlegenen Polarmeer, wo sie gerade nur selten sein sollen, sondern leben in den Meerestiefen unserer eigenen Breiten, hauptsächlich in der Nordsee, wo sie sich als echte Gründlinge von dem Getier des Meerbodens nähren und mästen, und kommen nur des Laichens halber in die seichten Küstengewässer, um nachher rasch wieder zu verschwinden. Ihr früheres oder späteres Erscheinen hängt von Wetter- und Temperaturverhältnissen und von der Wassertiefe ab, aus der sie kommen. Zur Stütze dieser Ansicht wird auf die bedeutende Verschiedenheit in der Größe und Güte hingewiesen, in der sich die Tiere an verschiednen, oft nicht weit von einander liegenden Küstenstrichen ein- wie allemal vorfinden; es sind eben Bewohner verschiedener Wassergegenden mit mehr oder weniger ergiebigen Weideplätzen. Auch der Salzgehalt einer Meeresgegend ist hierbei von Einfluß: die Fische werden im allgemeinen um so größer, je salzreicher ihr Wasser ist, und als Grund für die Dürftigkeit der Ostseeheringe ist schon längst die Salzarmut dieses Gewässers angesehen worden. Die H. gehen nicht weiter südlich als bis zur holländischen Küste und den französischen Nordküsten und sind an dieser Grenzlinie schon von geringer Qualität. An den Küsten von Nordamerika gehen sie bis nach Carolina herunter und kommen dort in ungeheuren Scharen vor. Dieser nordamerikanische Hering bildet jedoch eine besondre, von dem Nordseehering etwas verschiedne Art. In der Chesapeakbay überschwemmen sie den Strand alljährlich in solchen Massen, dass sie ein öffentliches Ungemach bilden. Einen Wert scheinen sie dort kaum zu haben, da europäische H. in Nordamerika eingeführt werden. Unsere Fische laichen im Jahre zweimal, im Frühjahr und Herbst oder im Sommer und Winter; da man aber nicht weiß, wie alt der einzelne Fisch wird und wie viel Zeit er bis zur Geschlechtsreife braucht, so ist es auch ungewiß, ob die Sommer- und Winterfische dieselben Generationen sind oder verschiedne. Wie man annehmen muß, ziehen die aufgetretenen Schwärme doch erst einige Wochen auf dem hohen Meere und längs der Küsten umher und werden unterdes erst geschlechtsreif, denn die ersten angetroffenen Züge bestehen größtenteils aus Matjes- oder Fettheringen, also solchen, denen Rogen und Milch noch ganz oder fast ganz fehlen; Vollheringe sind dann erst vereinzelt darunter; ihre Zahl mehrt sich aber immerfort, bis sie die große Majorität bilden. Nach vollbrachtem Laichgeschäft sind sie zu Hohlheringen, Ihlen oder Schotten (vom engl. shotten, entlaicht) geworden, die nur geringen Wert haben und sich wieder in die tiefe See verlieren. Die Eier sind in 2-3 Wochen ausgebrütet; nach 6-7 Wochen hat die Brut die Länge von 7 cm, und verschwindet allmählich auch aus den seichten Gewässern. Bei der Größe von 11-14 cm sollen ihrer nicht wenig gefangen werden, um sie unter Sardellen und Sprotten zu mischen. Merkwürdig bleibt immerhin das regelmäßige Auftreten des H. nach Zeit und Örtlichkeit. Das erste Erscheinen des Fisches im jüngsten Zustande ist immer bei den Shetlandsinseln; Wochen und Monate später treten sie dann successive an den schottischen, englischen, norwegischen Küsten etc. auf, sodaß das Ganze doch den Eindruck einer großartigen Wanderung macht. Dagegen ist indes auch nicht außer Acht zu lassen, daß H. in der Vereinzelung im ganzen Jahre angetroffen und gefangen werden. Die Vermehrungsfähigkeit des H. ist großartig, denn die Eierzahl eines Rogenfisches mag wohl 50-70000 betragen. Da aber die meisten Tiere im trächtigen Zustande gefangen und somit alljährlich furchtbare Lücken in den Gesamtbestand gerissen werden, so ist es in der That wunderbar, daß eine größere Abnahme noch nicht bemerkt worden ist. Zugestanden ist eine Verminderung insofern, als jetzt geklagt wird, man brauche weit mehr Netze als vor einem Menschenalter, um eine bestimmte Quantität zu fangen, auch geben viele früher ergiebig gewesene Fischgründe jetzt wenig oder nichts mehr; die Züge bleiben aus, am ehesten immer an stark befischten Küstengegenden. Der Fang ist so unsicher wie eine Lotterie; während der Eine eine reiche Ernte hat, kann sein Nachbar leer ausgehen. Das Fischen geschieht meistens in kleinen offenen Booten in der Nähe der Küsten; größere seetüchtige Fahrzeuge