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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Kautschuk

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Kautschuk - Kautschuk

dazu tritt der bedeutende Vorteil, daß sich aus der so behandelten Masse Blöcke und überhaupt Sachen von jeder Größe formieren lassen. -

Das Vulkanisieren besteht in einem Zusetzen von gepulvertem Schwefel und nachmaligem Erhitzen der Masse auf eine gewisse höhere Temperatur, wobei erst die chemische Verbindung der beiden Stoffe vor sich geht. Die Menge des angewandten Schwefels beträgt zwischen 10 und 20% des K. Bei Anwendung von Knetmühlen besorgen diese nach dem Weichwerden der Masse sogleich das Einmengen des Schwefels; an den Walzenpressen wird das Schwefelpulver auf die entstehenden weichen Kuchen aufgepudert, diese aufgerollt, zusammengeklappt und wieder durch die Walzen geschickt, und diese Prozedur mehrmals wiederholt, bis die Mischung recht gleichförmig geworden. Bei dieser Gelegenheit kommen nun sehr gewöhnlich auch andre Stoffe zur Einmengung, teils um eine Färbung zu erzeugen, teils die Masse zu vermehren. Dahin gehören Talkpulver, Kreide, Zinkoxyd, Bleiweiß, Glätte, Schwefelantimon, Kienruß etc. Sie bleiben alle der Masse nur mechanisch eingelagert und verschlechtern sie notwendig um so mehr, je reichlicher sie angewandt werden. -

Nach den bisher angedeuteten Vorbereitungsarbeiten ist die Masse zum Ausformen fertig. Die Fabrikpraxis bringt es mit sich, daß dies sich nicht immer unmittelbar anknüpfen läßt, sondern es werden häufig die Mischkuchen im Vorrat gefertigt. Sie erhärten dann zwar beim Aufbewahren, lassen sich aber durch ein paar warme Walzen immer wieder erweichen. Fast alle vulkanisierten Gummiwaren mit seltenen Ausnahmen werden aus dünnen Platten oder Blättern hergestellt, die also nun definitiv zwischen genau gestellten, fein geglätteten oder für Schuhsohlen übers Kreuz geriffelten Metallwalzen herzustellen sind. Jede Platte muß auf einen einzigen Durchgang fertig gezogen werden und wo ein einzelnes Walzenpaar nicht die verlangte feine Ausbildung zu geben vermag, wird sie von dem ersten auf ein zweites und bezüglich drittes geleitet. Dünne Zinktafeln nehmen die entstehenden Blätter auf oder auch feuchte endlose Tücher, durch die sie aber an der Unterseite ihre Glätte verlieren. Man geht mit der Dicke der Blätter selten über 3 mm und bei Bedarf von stärkern Platten legt man mehrere solche Blätter übereinander und treibt durch eine übergehende Walze die Luftblasen aus; die Verbindung zu einem Ganzen erfolgt bei der vorhandenen Klebrigkeit auf der Stelle. Aus solchen Platten schneidet man nun nach Patronen die Stücke aus, wie sie für bestimmte Gegenstände erforderlich sind und vereinigt ihre Ränder durch bloßes Kleben. Um dicke Schläuche zu bilden, braucht man nur einen eisernen Draht oder Stab, den man auf einen Gummistreifen legt, dessen Ränder aufbiegt und durch Andrücken verbindet, dünne Schläuche werden einfach durch Ösen gezogen. Um später beim Einbrennen, das unter allen Umständen nur an den fertig gebildeten Gegenständen erfolgt, die Masse zu sichern, umwickelt man sie schraubenförmig mit einem Leinwandstreifen, den man nachgehends abreißt. -

Das eigentliche Vulkanisieren oder Brennen geschieht, indem man die fertigen Gegenstände eine Zeit lang in geschlossene Räume bringt, wo eine Temperatur von 120-130° C. unterhalten wird. Entweder benutzt man dazu eine Art Trockenofen, der direkt von unten geheizt wird (Luftbad), oder man erfüllt den Raum, der eine Kammer oder ein verdeckter Kessel sein kann, mit Dampf von der verlangten Temperatur (Dampfbad). Das Brennen ist der schwierigste Teil der Fabrikation und verlangt viel Übung und Erfahrung. Damit die Wirkung, die natürlich nur eine allmähliche sein kann, bei großen dickwandigen Gegenständen bis ins Innere dringe, können 2-3 Stunden erforderlich sein, indes für kleine Sachen schon eine Stunde völlig genügt. Die Waren werden beim Brennen so weich, daß sie größtenteils ihre Form verlieren würden, wenn dagegen nicht vorgesorgt wäre, wie z. B. bei den schon erwähnten Schläuchen durch Einwickeln. So sichert man dicke Platten durch Einklemmen zwischen eisernen Scheiben; dünnere wickelt man gemeinschaftlich mit einem Zeugstreifen auf eine Trommel; andre Gegenstände, die scharfe Formen haben müssen, werden in entsprechende eiserne Formen eingelegt; kleine Gegenstände packt man mit Talkpulver in Blechkästen. Hohle Sachen, wie Bälle, Puppen bedürfen eine besondre Behandlung; sie werden ebenfalls aus dem Groben durch Zusammenkleben geformt, in zwei- oder mehrteilige Formen gesetzt, wobei in ihr Inneres etwas Wasser, kohlensaures Ammoniak oder sonst eine verdampfbare Substanz gebracht wird. Die durch die Brennhitze erzeugten Dämpfe dehnen dann die Gummimasse aus und pressen sie so fest gegen die Wandungen der Form, daß die feinsten Details derselben sich abdrücken. -

Man hat noch eine andre, aushilflich in Anwendung stehende Methode des Vulkanisierens, die von Parkes, die bei gewöhnlicher Temperatur, ohne Einbrennen vor sich geht und sehr rasch fördert, aber nur auf dünne Blätter, dünnwandige Röhren, Fäden u. dgl. anwendbar ist. Sie besteht einfach im Eintauchen der Gegenstände in eine Mischung von 2½ Teilen Chlorschwefel mit 100 Teilen Schwefelkohlenstoff auf eine oder wenige Minuten. Nach Abwaschen und Trocknen ist die Vulkanisation vollendet, ohne daß von der Schärfe und Reinheit der Formen das Mindeste verloren geht. -

Eine Verbindung von K. mit noch mehr Schwefel, etwa der halben Gewichtsmenge des erstem, gibt unter Anwendung höherer Hitze und längerer Brennzeit das Hartgummi oder das hornisierte K., das unter Ebonit schon aufgeführt ist. Rechnet man die aus solcher Hartmasse herstellbaren Artikel mit zu den Kautschukwaren, so sind diese so zu sagen unzählbar; sie gehören aber, genau genommen, nicht dazu, denn das K. mit seinen besondern Eigenschaften ist darin untergegangen und hilft nur eine Imitation gewöhnlicher Stoffe bilden. Schon der eigentlichen Kautschukwaren gibt es die Menge und es kommen immer noch neue hinzu. Einen starken Fabriks- und Verbrauchsartikel bilden jedenfalls die Gummischuhe, eine Erfindung Goodyears. Sie bestehen aus einem mit vulkanisiertem K. überzogenen trikotartigen Ge-^[folgende Seite]