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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Nadeln

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Nadeln - Nadeln

Nadeln, größtenteils bessere Sorten, allwöchentlich geliefert und hauptsächlich in Deutschland, Frankreich und Norwegen abgesetzt. Iserlohn verkauft außer in Deutschland besonders in Rußland und Amerika. Die deutsche Fabrikation hat sich, namentlich im Aachener Distrikt, in ihrer Technik mehrfach von dem englischen Vorbilde abgewandt und ist zu neuen Verfahren und Maschinen fortgeschritten. Der Gang der Arbeit ist kurz angedeutet folgender:

Man verwandelt die von den Drahtziehereien kommenden kleineren Drahtringe zunächst in große, indem man sie ab- und auf einen großen Cylinder von etwa 5 m Umfang windet. Hierdurch erhalten die nachfolgenden Abschnitte eine Form, die sich der geraden Linie nähert. Das Material ist Stahldraht, für geringere Sorten Eisendraht, der erst im Laufe der Arbeit durch Zementation in Stahl verwandelt wird. Die großen Drahtringe zerschneidet man auf Maschinenscheren zu Stücken, die gerade die doppelte Länge einer Nadel haben und Schafte heißen. Entweder führt ein Arbeiter die Drahtbündel unter Zuhilfenahme eines Modells, das die Länge bestimmt, unter die Schere, oder es besorgt eine Maschine selbständig das Einziehen der Drähte, das Abschneiden und Ablegen der Schafte. Letztere werden dann zunächst völlig gerade gerichtet; hierzu vereinigt man 5-15000 Stück zu einem Bündel, welches, um die Drähte weich zu machen, schwach geglüht wird. Diese Bündel gelangen in die Richtmaschine und werden zwischen zwei schweren Stahlplatten hin- und hergerollt, wodurch die Schafte sich gerade strecken.

Es erfolgt darauf das Anspitzen der Schafte an beiden Enden auf sehr schnell umlaufenden Schleifsteinen von feinkörnigem Sandstein. Da dieses Schleifen, wobei der Arbeiter immer eine größere Zahl Schafte zugleich an den Stein hält, trocken geschehen muß, so macht der entstehende Stein- und Stahlstaub die Arbeit zu einer sehr gesundheitsgefährlichen. Zu einiger Abminderung dieses Übels umgibt man die Steine so weit möglich mit einem Gehäuse, wendet auch wohl Ventilation zur Fortführung des Staubes an. Durch die Erfindung einer selbstthätigen Schleifmaschine, die zu Schönthal bei Aachen gemacht worden ist, wird die Staubgefahr auf eine kleinere Zahl von Arbeitern beschränkt, da eine Person hinreicht zur Beaufsichtigung von drei solcher Maschinen und jede derselben stündlich 30000 Nadeln anspitzt, während die höchste Tagesleistung eines Mannes 80000-100000 Nadeln nicht übersteigt. Die Drähte werden den gegenwärtig wohl ausschließlich in Gebrauch befindlichen Spitzmaschinen auf einer schrägen Fläche zugeführt, gelangen zwischen zwei laufende Riemen von Kautschuk, werden zwischen diesen fortgewälzt und dabei mit dem äußerst rasch laufenden Schleifstein in Berührung gebracht.

Die weitere Ausbildung der Nadeln geschieht nach dem deutschen System folgendermaßen: Die Schafte werden nicht mehr wie sonst in der Mitte durchgeschnitten, sondern bleiben vorläufig noch ganz und gelangen in die Hände einer, an einem kleinen Prägwerk sitzenden Arbeiterin. Dieses hat einen feststehenden Unterstempel; der darauf passende Oberstempel ist an der Unterseite eines eisernen Fallklotzes befestigt und kann durch einen Fußtritt geschoben werden. Die Schafte werden einzeln gerade mit ihrer Mitte auf den Stempel gehalten und jeder erhält einen Schlag mit dem Prägklotz. Dadurch verflacht sich das Mittelstück und erhält von beiden Seiten her die Vertiefungen für die Öhren vorgezeichnet; in der Mitte ist eine Kerbung als Anfang der nachfolgenden Trennung eingedrückt und außerdem sind auch die etwaigen Nummern oder sonstigen Fabrikzeichen und die kleinen Riefen oder Fuhren am Öhr aufgeprägt worden.

Hierauf folgt das Lochen der Öhren auf einer kleinen Durchstoßmaschine, welche die Arbeiterin durch einen Handhebel treibt. Beide Löcher entstehen zugleich. Die gelochten Schafte schiebt ein Kind sogleich in größerer Anzahl auf zwei Drähte. In dieser Anordnung lassen sich die N. bequem im ganzen überfeilen und von den durch das Prägen entstandenen Rauhheiten befreien. Man bricht dann die Doppelreihe auseinander und befeilt noch die Bruchstellen. In den Aachener Fabriken ist die Feilarbeit wohl überall ersetzt durch Schleifen.

Die jetzt aus dem Groben fertigen, aus weichem Stahl bestehenden N. werden nunmehr gehärtet, nachdem sie durch Rütteln in blechernen Mulden in eine gleiche Lage gebracht worden sind. Man macht sie auf Schiebern von Eisenblech im Härteofen rotglühend und streut sie sogleich in ein Gefäß mit Thran oder Öl; die eisernen N., die in dieser Periode gestählt werden müssen, bringt man zugleich mit einem Härtesatze, gewöhnlich ein Gemisch von Holzkohlenpulver und Knochenmehl, in Tiegel, welche verdeckt und stark geglüht werden, worauf man sie wie Stahlnadeln behandelt. Die getrockneten und wieder in gleiche Lage gebrachten N. sind spröde und müssen, um Elastizität zu erhalten, angelassen, d. h. einer Hitze ausgesetzt werden, die nicht bis zum Glühen geht. Dies geschient entweder auf Eisenplatten, wo sie nur soweit erhitzt werden, daß sie violett anlaufen, oder durch Sieden in Fett oder Öl. Durch das Härten ziehen sich viele N. krumm; sie müssen daher alle mit prüfendem Blick und Finger durchgenommen und die leichteren Verbiegungen mit Hämmerchen auf kleinen Ambosen ausgeglichen werden; zu stark verzogene N. schießt man aus. -

Die N. sind jetzt immer noch rauh und schwarz und müssen noch durch Scheuern blank gemacht und poliert werden; beides sehr langwierige Arbeiten. Man schichtet sie auf grober, fester Leinwand in parallelen Lagen mit zwischengestreutem scharfen Sand oder Schmirgelpulver, durchfeuchtet die Masse mit Rüb- oder Leinöl, rollt sie in die Leinwand ein, sodaß eine Rolle entsteht, deren Enden fest zugebunden werden und die außerdem noch mit Bindfaden oder Riemen fest umstrickt wird. Solche Pakete sind 450 bis 600 mm lang, 75-125 mm dick und enthalten 2-300000, ja selbst eine halbe Million N.; 20-40 Pakete, also 10-20 Mill. N., gelangen gleichzeitig zur Bearbeitung auf der Scheuermühle, eine Maschine, die einer Wäschrolle sehr ähnlich ist. Die Walzen liegen unter