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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Parfümerien

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Parfümerien - Parfümerien

der Riechstoffe in Anwendung. Das älteste und noch jetzt sehr allgemein befolgte Verfahren besteht in der Extraktion der Blumengerüche mit festen oder flüssigen Fetten. Werden frische Blüten mit solchen in Berührung gebracht, so nehmen sie den Duft, also die feinen ätherischen Öle derselben allmählich bis zur Erschöpfung auf und riechen nun anstatt jener.

Man nennt diese Methode das Absorptionsverfahren, in Frankreich enfleurage, denn es ist hauptsächlich Frankreich und speziell die Gegend von Nizza, Cannes und Grasse, wo die Industrie der Wohlgerüche im großartigsten Maßstabe betrieben wird und die Blüten dazu von Orangen, Akazien, Rosen, Jasmin, Veilchen, Tuberosen, Geranium und manchen andern Duftpflanzen auf großen Landstrecken gezogen werden. Die Blüten, auf welche die Enfleurage angewandt wird, sind namentlich die von der farnesischen Akazie, Heliotrop, Hyacinthe, vom echten und wilden Jasmin, Narzisse, Reseda, Rose, spanischem Flieder, Tuberose, Veilchen.

Nach der einen Art der Enfleurage bedeckt man Glastafeln etwa 1 cm hoch mit einer Schicht aus reinem Schweinefett und Talg, legt sie in Holzrahmen und bedeckt die Fettschicht mit frisch gepflückten Blüten. Solche Rahmen hat man in großer Menge an schattigen Orten übereinander stehen. Wenn die Blumen geruchlos und welk geworden sind, wird die Fettschicht mit Messern umgearbeitet und mit neuen Blüten derselben Art bedeckt. Dies setzt man durch kürzere oder längere Zeit fort, je nachdem man einen schwächeren oder stärkeren Auszug beabsichtigt.

Das Produkt ist somit eine wohlriechende Pomade und kommt entweder als solche in den Handel oder wird weiter auf Extrakt verarbeitet, unter welchem Namen man alle Lösungen dieser Gerüche in Weingeist begreift. Man stellt die Pomaden zwei bis vier Wochen lang mit dem reinsten Weingeist an, an welchen nun das ätherische Blütenöl übergeht, während das Fett ungelöst bleibt. Nach dem Abgießen der ersten Essenz wird durch Wiederholung des Verfahrens noch eine zweite schwächere erhalten.

Man wendet die Methode auch auf Blüten an, die die Destillation vertragen, namentlich Rosen- und Orangenblüten, denn die so erhaltene Essenz duftet weit feiner und den frischen Blüten ähnlicher als die, welche durch Auflösen von destilliertem Öl in Weingeist erhalten wird. Die gebräuchlichsten Parfüme dieser Art sind: Extrait Violet, E'. de Resede, E'. de Rose und E'. de Jasmin. Man versendet sie gewöhnlich in dreifacher Stärke als Extraits triples und verdünnt sie erst hiermit noch mehr Weingeist.

Das Ausziehen der Blüten mit flüssigem Öl, wozu gewöhnlich das feinste Provenceröl dient, geschieht in ähnlicher Weise wie angegeben. Man tränkt damit leinene Tücher oder reine Baumwolle, legt sie in Rahmen, deren Boden ein Drahtgitter ist, und die Blüten darauf. Nach hinreichender Schwängerung mit dem Aroma wird das Öl von den Tüchern oder der Wolle abgepreßt. Öfter auch befolgt man ein abgekürztes Verfahren unter Anwendung von Wärme. Man erhält Fett oder Öl einige Tage lang in gelinder Wärme, das Fett also schmelzend, trägt währenddem die Blüten ein und wechselt so oft nötig mit neuen. Die fetten mit Riechstoffen verbundenen Öle heißen im Handel huiles antiques; am gewöhnlichsten begegnet man dem Jasmin-, Orangeblüten-, Reseda-, Veilchen- und Rosenöl, in welchem letztern (im Preise von gegen 18 Mk. das kg) natürlich nicht das destillierte zu suchen ist.

In neurer Zeit hat sich zu dem alten Verfahren eine neue, einfachere und weniger kostspielige Extraktionsmethode in die Praxis eingeführt. Man erschöpft die Blüten mit Schwefelkohlenstoff oder sehr reinem Petroleumäther, indem man die Flüssigkeit in einem System von geschlossenen und miteinander in Verbindung stehenden Cylindern, die mit den Blüten gefüllt sind, successive niedersteigen läßt. Die Lösungsmittel entziehen den Blüten allen Riechstoff; wenn sie sich nach mehrfach wiederholtem Passieren frischer Blüten gehörig damit gesättigt haben, destilliert man sie in gelinder Wärme zu neuem Gebrauch ab und behält einen winzigen Rückstand, der aber das Blütenparfüm in konzentriertester Form enthält. Mit Weingeist ausgezogen liefert dieser Rückstand die schönste und kräftigste Blütenessenz, vorausgesetzt, daß der hierzu benutzte Schwefelkohlenstoff von ausgezeichneter Reinheit war. Durch Zumischung in ganz kleiner Menge zu Fett oder Öl erhält man die besten wohlriechenden Pomaden und Öle. -

Die im Handel befindlichen verschiednen Blütenessenzen entsprechen nicht immer dem Namen, den sie führen, sondern sind häufig Zusammensetzungen aus andern Riechstoffen, die das Original mehr oder minder gut nachahmen. Andre Parfüme dagegen sind immer Gemische verschiedner Gerüche und besagen dies durch ihre Namen, so Eau de mille fleurs, de Cologne, Eßbouquet (Essence of bouquet), bouquet de l'imperatrice, des délices, Spring flowers (Frühlingsblütenessenz) etc. Für derartige Waren finden sich im Handel auch die Zusammensetzungen der bloßen Öle ohne Weingeist, welcher dann beim Verbrauch oder Kleinverschleiß beliebig selbst zuzusetzen ist. So hat man z. B. Eau de Cologne-, Eßbouquet- und Millefleursöl. -

Die Kunst des Parfümeurs besteht hauptsächlich in der Komposition, in der geschickten Mischung der verschiednen Substanzen, sodaß sich ihre Einzelgerüche zu einem harmonischen und wohlgefälligen Ganzen vereinen. Der Destillateur und Extrakteur seinerseits hat seinen Ruhm darin zu suchen, daß er die Ingredienzien dazu in möglichster Reinheit und Feinheit liefert. Die größten und mannigfachsten Geschäfte in Parfümerien werden in den genannten Gegenden Südfrankreichs gemacht, obschon man auch dort nicht von allem das beste hat, denn das feinste Pfefferminz- und Lavendelöl kommt von England, achtmal teurer als anderswo, her, und die schönsten Orangenöle kommen von Sizilien und aus dem Orient.

In Deutschland werden Parfümerien jetzt ebenso gut und elegant hergestellt als anderswo, aber fast alle Stoffe dazu muß es von auswärts beziehen, da die Kultur und Benutzung der bei uns gedeihenden Duftpflanzen bei weitem nicht in dem Maße getrieben wird, als es wohl sein könnte. Wie bedeutend die Produktion und der Konsum von diesen Waren