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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Roßhaare; Rötel

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Roßhaare - Rötel

bitterlichen, kampfer- und terpentinähnlichen Geschmack, beides durch das Trocknen sich mildernd. Der hauptsächlich riechende und schmeckende Bestandteil ist ein besonderes ätherisches Öl (Oleum Rosmarini oder O. Anthos). Medizinisch dient das Kraut nur äußerlich, als aromatisches Mittel zu stärkenden Bädern und zerteilenden Umschlägen, Räucherspezies etc. Das sog. deutsche R., d. h. in Deutschland als Handelspflanze gezogene, von Nürnberg, Erfurt und andern Pflanzstätten medizinischer Gewächse, sehr wohlfeil im Handel, ist weniger kräftig als das in Spanien, Frankreich, Italien (Dalmatien) wild wachsende, das sich auch durch kleinere Blätter von dem Gartengewächs unterscheidet.

Früher kam auch solch ausländisches Kraut unter dem Namen französisches R. häufiger bei uns im Handel vor; gegenwärtig aber ist von dem Artikel wenig mehr zu bemerken und es ist statt dessen der wesentliche Bestandteil, das Öl, eine kurante Ware geworden, die uns in Menge aus Südfrankreich und Italien fertig zugeführt wird, angeblich nur aus Wildpflanzen gewonnen. Dies Öl ist dünnflüssig und wasserhell, vom stärksten Rosmaringeruch und Geschmack, hat bei 12° = 0,885 spezif. Gewicht, siedet zwischen 150 und 260° C. und hat mancherlei Verwendungen, medizinisch zu Einreibungen und Salben (Opodeldok), technisch bei Bereitung von Parfüms, wohlriechenden Seifen u. dgl., sowie als Auflösungsmittel für Kautschuk und harte Harze.

Das Öl ist ein Mittel, um rohen (angerösteten) Kopal zu lösen und einen feinen hellen Weingeistkopallack herzustellen, der freilich etwas teuer ist. In der Praxis des Deutschen Zollvereins ist das Öl (oder ad libitum Terpentinöl in größerer Menge) vorgeschrieben als Versetzungsmittel für gewisse Öle (Baumöl), um sie zum Genuß unbrauchbar zu machen und in die Klasse der minder besteuerten Fabriköle zu verweisen. Das Öl ist nach seiner Beschaffenheit recht geeignet, mit Terpentinöl verlängert zu werden und soll die Handelsware häufig mit diesem Zusatz behaftet sein. Man hat französisches zu 6,50 Mk., italienisches zu 2,50-3,50 Mk. pro Kilo; ersteres riecht viel feiner. - Zoll: R. frisch, getrocknet und eingesalzen, zollfrei. - R.öl gem. Tarif, im Anhang Nr. 5 b. - Baumöl mit 125 g Rosmarinöl auf 100 kg vermischt wird zollfrei abgelassen.

Roßhaare. Die Schweif- und Mähnenhaare der Pferde werden überall zu Rate gehalten und bilden einen bedeutenden, stark ins Geld laufenden Handelsartikel, der zum Teil aus weiter Ferne, aus Ländern mit starker Pferdezucht, wie Rußland, Ungarn, selbst Südamerika zugeführt wird. Als Rohwaren bilden die R. einen Nebenartikel zum Handel mit Rohhäuten. Diese Haare dienen zu vielerlei Gebrauch, und muß die Rohware demgemäß sortiert werden. Alles Haar ist, um gebrauchfähig zu werden, im Wasser auszusieden, wodurch es viel am Gewicht verliert, daher solches, das schon gesotten an den Markt kommt, viel teurer ist. Durch Hecheln trennt man langes und kurzes; die langen Haare werden dann wieder nach verschiednen Längen wie nach der Farbe sortiert und sind natürlich um so teurer, je länger sie sind. Sie müssen wenigstens 6 dm messen; aus Rußland kommen sie aber zuweilen bis zu 8 dm Länge.

Die besten weißen Haare dienen bekanntlich zu Violinbögen, die andern zu vielerlei Web- und Flechtwaren. Die Webstoffe bestehen entweder ganz aus Haaren, wie zu Siebböden, Beuteltuch, Möbelüberzügen u. dgl., oder dieselben bilden Bestandteile von Mischgeweben in Verbindung mit baumwollner Kette, Manillahanf etc. Haargewebe und Geflechte dienen zu Hüten für Frauen und Mützen für Männer, zu bauschenden Unterfuttern, zu Halsbinden, Bändern, Schnuren und andern Posamentierarbeiten, Knöpfen, Bürsten, Pinseln etc., manchmal zu bald vorübergehenden Modeartikeln. Nicht selten werden die Haare auch gefärbt. -

Die kurzen R. kommen entweder roh, oder öfter schon gesotten und gesponnen, d. h. in Zöpfe zusammengedreht, zum Verkauf. Durch das Sieden oder Behandeln mit heißen Wasserdämpfen werden sie sowohl gereinigt als zum Kräuseln geneigt gemacht; sie heißen daher Krullhaare. Sie sind entweder noch in Zöpfen oder wieder aufgedreht und auseinander gezupft. Solche Haare bilden bekanntlich das beste Polstermaterial für Möbel, Sättel, Kissen, Matratzen, dem aber bei seiner Kostspieligkeit (gegen 120 Mk. pro Zentner) gern wohlfeilere Surrogate untergeschoben werden.

Gute R. sind sehr hart und elastisch; schon gebrauchte erhalten ihre Elastizität wieder, wenn sie ausgekocht und zum Trocknen auf Stöcke gewickelt werden. Die Krullhaare dienen ferner zum Drehen von Haarschnuren und Seilen, zu Haardecken, Preßtüchern, Haarsohlen u. dgl. Die kurzen Haare, welche die allgemeine Hautdecke des Pferdes bilden und in Gerbereien abfallen, haben keinen besondern Wert und werden mit Kuh- und Kälberhaaren gemengt als Material für geringe Polsterungen, unter Mauerputz, zur Fabrikation von Blutlaugensalz etc. verwendet. - Zoll: R. roh, gesotten, gefärbt, gesponnen oder in Lockenform gelegt, zollfrei. Ölpreßtücher sind ebenfalls zollfrei. Geflechte und Gewebe (sofern mindestens die ganze Kette oder der ganze Einschlag aus R. besteht) gem. Tarif Nr. 11 b; Bürsten und Pinsel aus R. Nr. 4 a 2 und 4 b; Hüte Nr. 35 d 1 und 2.

Rötel (Rotstein, rote Kreide, Hausrot), ein bräunlichrotes, abfärbendes Mineral, ein thoniger Roteisenstein, d. i. ein Gemenge von Thon und Eisenoxyd, welches auch da, wo es sich in größeren Mengen findet, als Eisenerz neben reicheren Eisenerzen mit verwendet wird. Dasselbe kommt aus der Gegend von Saalfeld, Nürnberg, aus Tirol, Schlesien, Böhmen in den Handel. Er findet sich teils in derben Massen, teils in einer Richtung spaltbar. Jenes wird von Zimmerleuten, Steinmetzen u. a. in rohen Stücken zum Vorzeichnen gebraucht, während das andre von feinerer Masse in längere Griffel geschnitten und so, oder auch in Holz oder Rohr gefaßt, zum Verkauf kommt. Die so häufig zum Schreiben auf Papier gebrauchten dünnern Rotstifte sind nicht aus der naturellen Masse geschnitten, son-^[folgende Seite]