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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Walkerde; Walrat

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Walkerde - Walrat

in gröberer Sorte Polstermaterial für Möbel, Matratzen u. dergl., in feinerer einen Spinnstoff abgibt, der allerdings bei der Kürze der Fasern (bis 50 mm lang) nicht für sich, sondern in Vermischung mit Wolle oder Baumwolle versponnen wird. Die daraus gefertigten Gewebe werden bekanntlich als eine Art Gesundheitsflanell empfohlen, besonders zum Tragen für Rheumatismusleidende, da sie den Körper gleichmäßig warm halten und Feuchtigkeit abwehren sollen. Ihre wohlthätige Wirkung soll sich aus dem Gehalt der W. an harzigen Stoffen, Gerbstoff und Ameisensäure (?) erklären.

Das Ausbringen der Fasern aus den Nadeln geschieht durch Kochen derselben mit Dampf und durch Schlagmaschinen. Die sich bei der Behandlung mit Dampf ergebende Flüssigkeit bildet eingedickt den Waldwollextrakt, richtiger Fichtennadelextrakt, eine schwarzbraune, aromatisch harzig riechende und ebenso und bitter schmeckende Masse, die zu stärkenden Bädern gebraucht wird. Bei der Behandlung der Nadeln und des Extraktes in geschlossenen Räumen können die sich entwickelnden flüchtigen Öle aufgefangen oder auch die Nadeln direkt für diesen Zweck destilliert werden. Man gewinnt so das Waldwoll- oder Kiefernadel-Öl, von gelblich grüner Farbe, das zu Einreibungen gebraucht wird, sich übrigens von Terpentinöl nur wenig unterscheidet. Urheber der Waldwollindustrie ist Herr Weiß in Zuckmantel in Österreichisch-Schlesien; außerdem befinden sich zwei derartige Fabrikgeschäfte zu Remda bei Rudolstadt. Im Auslande hat die Sache einzelne Nachfolge gefunden in Schweden, Holland, in verschiednen Gegenden Frankreichs. - Zoll: W. und gefärbt, sowie Waldwoll- (Fichtennadel-) Extrakt, zollfrei, als Watte s. Tarif Nr. 22 a 1. Gespinste und Gewebe aus W. in Verbindung mit andern Spinnstoffen, z. B. Schafwolle, werden nach Beschaffenheit des beigemischten Materials verzollt.

Walkerde (Walkererde; frz. terre à foulon, engl. fullers earth), ein sehr fetter, sich seifenartig anfühlender Thon von weißlicher, gelblicher oder grauer Farbe, der sich in Wasser unter Ausstoßen von Bläschen zu einem milden Rahm zerrühren läßt. Die W. saugt begierig Fette ein und man gebraucht sie demgemäß als Entfettungsmittel beim Tuchwalken, zur Anfertigung von Fleckkugeln u. dergl. Ihr Vorkommen in der Natur ist nicht selten; sie findet sich bei Roßwein in Sachsen, Riegersdorf in Schlesien, Vaels bei Aachen, Mohrenberg bei Weilburg, Cilly in Steiermark und in England. - Zollfrei.

Walrat (lat. Cetaceum oder Spermaceti, frz. blanc de baleine; engl. sperm), eine eigentümliche Fettsubstanz, welche von einem sehr großen, fischähnlichen, zur Familie der Wale gehörigen Seesäugetier, dem Physeter macrocephalus, Kaschelot oder Pottfisch, von den Seefahrern Spermwal genannt, abstammt. Die hauptsächlich von Amerikanern betriebene Jagd auf diese Tiere ist wegen deren Stärke und Behendigkeit schwierig und außerdem sehr unsicher, weil sie in den ungeheuren Wasserflächen schwer zu finden sind. Zu gewissen Zeiten scharen sie sich jedoch in großer Anzahl zusammen, und solche Sammelplätze zu kennen oder zu erraten, ist für die Jäger eine Hauptsache. Die Tiere finden sich fast überall im Ozean, ihre eigentliche Heimat ist jedoch das südliche Polarmeer. Ein volles Drittel der Körperlänge des Tieres nimmt der ungeheure und unförmliche Kopf ein. In mehreren großen, muldenförmigen Vertiefungen der Schädeldecke, die durch Speck und Haut geschlossen sind, sowie in einem, vom Kopf bis zum Schwanz laufenden, röhrigen, sich allmählich verjüngenden Kanal und in einigen kleineren Körperhöhlen befinden sich beträchtliche Ansammlungen eines hellen flüssigen Fettes, welches den kostbareren Teil der Jagdbeute bildet, da der gleichfalls vorhandene gewöhnliche Speckthran minderwertig und Fischbein gar nicht vorhanden ist.

Ein großer Pottwal gibt bis 400 Ztr. Öl, das etwa 75 Mk. der Zentner wert ist, außerdem 1800-2000 Ztr. Thran. Diese Flüssigkeit ist Oleïn, in welchem das eigentliche W. gelöst ist. Diese Masse ist durch die Lebenswärme des Tieres flüssig, gerinnt aber, wenn sie nach dem Tode erkaltet, daher man sich mit dem Öffnen und Ausschöpfen beeilen muß. Das Gerinnen bewirkt der W., der sich in bräunlichgelben, kristallinischen Massen größtenteils absondert, während ein kleinerer Teil in dem flüssigen Öle, Walratöl, gelöst bleibt. Durch Abtropfenlassen und Abpressen der in Fässern nach den Häfen gebrachten Masse wird das Flüssige vom Festen getrennt. Das erstere, nachdem es mittels etwas Ätznatronlauge behandelt und durch Schütteln mit Wasser gewaschen worden, bildet das käufliche Walrat- oder Spermacetiöl, von gelblicher Farbe und thranigem Geruch. Man benutzt es zur Seifensiederei und überhaupt als einen guten Fischthran, im gereinigten Zustande als Schmieröl für kleinere Maschinen. Der feste Stoff des W. wird ebenfalls durch Schmelzen, Behandeln mit Lauge und Waschen mit Wasser mehr oder weniger gut gereinigt und entfärbt.

Reines W. ist schneeweiß, perlmutterartig glänzend, fettig anzufühlen, von blätterigem Gefüge und in dünne Schuppen teilbar. Sein spez. Gewicht ist circa 0,943; bei einer Wärme von circa 50° C. wird es dünnflüssig wie Wasser. Auch das gereinigte W. wird, wenn es nicht vor Luftzutritt geschützt wird, wieder gelb und ranzig, läßt sich aber durch Waschen mit Lauge wieder verbessern. Weiße und Geruchlosigkeit, bis auf einen sehr schwachen, eigentümlichen Geruch, sind daher die Zeichen einer guten Ware. Reines W. erzeugt keine Fettflecke; wenn dies der Fall ist, verrät es einen Zusatz von Talg. Ein Zusatz von Stearin macht das W. härter und kleinblätteriger.

Der Hauptlieferant des W. ist jetzt Nordamerika; etwas weniges kommt vielleicht noch von Frankreich, das sich früher mehr am Fang beteiligte als jetzt. Die Verwendung des W. zu Kerzen (s. d.) ist seit dem Aufkommen von Stearin und Paraffin sehr in Abnahme gekommen; dafür gebraucht man es jetzt in steigendem Maße als Appreturmittel und hat dasselbe daher immer starke Nachfrage. Außerdem hat es eine regelmäßige Verwendung zu Salben, Pomaden und feineren Seifen. Der gegenwärtige Ladenpreis ist 3 Mk. pro kg. Die chemische