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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Wein

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Wein - Wein

Bequemlichkeit halber, teils weil nahe am Boden mehr Wärme herrscht; auch in Italien und Dalmatien, wo man herkömmlich den W. auf Bäume gehen läßt, findet man es jetzt vorteilhafter, von der alten Kulturweise ab und zur gewöhnlichen überzugehen. Die Weintrauben (Trauben, lat. uvae, passulae, frz. grappes, engl. grapes) bilden sowohl im frischen, als auch im getrockneten Zustande einen bedeutenden Handelsartikel und heißen in letzterem Falle Rosinen (s. d.). Ungarn, Tirol und Italien versenden große Mengen frischer Weintrauben, sowohl Tafeltrauben, als auch gedrückt zur Weinbereitung. Vgl. ferner Obst, Südfrüchte und Trauben. - Der W. als Getränk (lat. vinum, frz. vin, ital. vino, engl. wine) ist der gegorene Saft der Trauben, der durch Pressen (Keltern) oder auf andre Weise gewonnen wird. Die Beeren enthalten, je nach Lage und Witterung, sehr verschiedne Mengen von Traubenzucker, umsomehr, je wärmer das betreffende Klima ist, ferner Weinstein und kleine Mengen freier Weinsäure, Äpfelsäure, Pflanzeneiweiß, Gerbstoff und andre, mehr indifferente Stoffe. Der gekelterte Saft, Most genannt, tritt bald von selbst in stürmische Gärung, die in großen Bottichen vor sich geht. Um Rotwein aus blauen und roten Trauben zu erhalten, läßt man den Most, welcher wie der aus weißen Beeren farblos ist, mit den Hülsen zusammengären. In diesen steckt der im Most unlösliche Farbstoff; in dem Maße, wie sich durch die Gärung Weingeist erzeugt, löst dieser in Gemeinschaft mit den Säuren denselben auf. Nur eine Traubensorte, Tinto oder Pontak genannt, hat einen intensiv rotgefärbten Saft und wird daher in Italien und Frankreich als Zusatz zu andern Trauben benutzt, um einen dunkler gefärbten W. zu erhalten. Wenn die erste, die sog. Kufengärung, sich gelegt und keine starke Gasentwicklung mehr statt hat, wird der W., der sich nun zu klären beginnt, von der Hefe, resp. Hülsen getrennt und in Fässer gebracht, in welchen noch längere Zeit eine Nachgärung fortgeht. Nach einigen Monaten wird der vergorene W. vom Bodensatz, welcher aus Hefe und Weinstein (s. d.) besteht, abgezogen und auf geschwefelte Fässer gebracht. Das Ausschwefeln hat den Zweck, der Essigbildung vorzubeugen. Auf den Lagerfässern tritt meistens im Frühjahr und Sommer noch eine geringe Nachgärung und Trübung ein. Dies ist im allgemeinen der Gang der Weinbereitung, im Speziellen ist darüber noch folgendes zu bemerken. Die Traubenlese, das Herbsten, muß bei trocknem Wetter und möglichst reifem Zustande der Trauben stattfinden, denn dieselben enthalten umsoweniger Säure und umsomehr Zucker, je reifer sie sind. Bei den sogenannten weißen Trauben erkennt man den genügenden Reifezustand daran, daß die Beeren an der Sonnenseite nicht mehr grün, sondern bräunlichgelb und durchscheinend sind; die roten und blauen Trauben müssen sehr dunkel erscheinen und schon anfangen welk zu werden; die Traubenstiele müssen sich am Gelenk leicht abbrechen und die Kerne leicht vom Fleische lösen lassen. Zur Herstellung der feineren Weinsorten werden die Trauben zunächst sorgfältig ausgesucht und einzelne unreife und faulige Beeren ausgeschnitten. Die Beeren werden entweder von dem Kämmen abgesondert und allein gekeltert (Beerenwein) oder sie werden mit den Kämmen gekeltert; das letztere findet nur bei geringwertigeren Weinsorten statt. Das Abbeeren (Abkämmen, Rappen, Rebeln) geschieht entweder mit den Händen oder mit einer hinreichend weiten mehrzinkigen Gabel; in neurer Zeit wendet man hierzu meist die Traubenraspel an, die zugleich das Zerquetschen der Beeren besorgt. Bei der Handarbeit benutzt man zum Zerstampfen der Beeren eine Bütte mit hölzerner Keule, während in Südeuropa vielfach noch das verwerfliche Austreten mit bloßen Füßen gebräuchlich ist. Schon beim Abbeeren und Aufeinanderhäufen der Beeren in den Bütten läuft ein Teil des Saftes freiwillig ab; es ist dies der beste Most (Vorlauf, Läutermost); der übrige Teil wird durch Pressen (Preßmost) gewonnen, zuweilen auch mittels der Zentrifuge. Die Pressen sind in den einzelnen Weingegenden verschieden, es sind teils noch die alten Baumpressen und Schlittenpressen, teils verbesserte Spindel- und Kniehebelpressen, zuweilen auch hydraulische Pressen. Die durch das letzte, starke Pressen gewonnenen Partien des Saftes sind reicher an Säure und Gerbstoff und werden daher in der Regel für sich vergoren; dieser, eine geringere Qualität W. liefernde Saft, wird Nachlauf, Trestermost oder Druckmost genannt; durch Nachspülen der Preßrückstände mit Wasser und abermaliges Pressen erhält man einen schwachen Most, nur zu Nachwein, geeignet, Lauer genannt. Bei der Bereitung von Rotwein erfolgt das Pressen erst, nachdem bereits die Gärung bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten ist, weil die Beerenhülsen mit gären müssen, um den Farbstoff zu liefern. Daher läßt man den Rotwein auch in Bottichen gären, während die Gärung des Weißweins in Fässern stattfindet. Der Most enthält natürlich alle in Wasser löslichen Bestandteile der Weinbeeren, ist aber stets auch durch darin unlösliche, suspendierte Stoffe getrübt. Die Gärung des Mostes tritt bei geeigneter Temperatur sehr bald ein, ohne daß man nötig hat, einen Gärungserreger zuzusetzen, denn die zur Erzeugung des Gärungspilzes (der Hefe) nötigen Sporen finden sich in genügender Menge auf den Schalen der Beeren, auf welchen sie sich im Laufe des Sommers angesammelt haben, und gelangen so beim Pressen der Beeren mit in den Most. Die Gärung gibt sich durch Aufschäumen und hörbares Brausen zu erkennen, welches von dem Entweichen der Kohlensäure herrührt, die aus dem Zucker des Mostes stammt. Durch die Gärung wird nämlich, infolge der Vegetation des Hefepilzes, der Zucker des Mostes in Kohlensäure und Alkohol (Spiritus, Weingeist) gespalten; letzterer ist die Ursache der berauschenden Wirkung des W. - Ein kleiner Teil des Zuckers, circa 4-5% desselben, wird aber bei der Gärung auch noch in andrer Weise zersetzt, indem sich Bernsteinsäure, Glycerin und kleine Mengen von Cellulose (in Form neuer Hefezellen) bilden. Die Hefe setzt sich am Boden als braune schlammige Masse ab; die Weingärung ist daher eine