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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Wollengarne; Wollfett

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Wollengarne - Wollfett

hergehende Fabrikwäsche muß vervollständigend eintreten. Neuerdings zieht man vielfach den Verkauf der ungewaschenen Wolle vor und hat auch besondere Anstalten, in welchen im Interesse der Züchter, wie in dem der Fabrikanten ungewaschene Wollen gewaschen werden. - In Deutschland werden in einigen 30 Städten größere und kleinere Wollmärkte abgehalten; die bedeutendsten sind in Breslau, wo auch die polnischen Landwollen sich einfinden, in Berlin, Stettin, Elbing, Königsberg, Leipzig, Dresden etc. In Ungarn ist Pest mit sechs Wollmessen der Hauptplatz, in Böhmen Prag. In Würtemberg sind die ersten Marktplätze Kirchheim, Heilbronn, Göppingen. - Für den Großhandel und das ganze Wollgeschäft bildet England noch den maßgebenden Mittelpunkt, denn dort kommen die Produkte aller W. abgebenden Länder zusammen, teils zum Bedarf für die großartige englische Wollindustrie, teils zum Weiterverhandeln. Es ist daher stets von Wichtigkeit für den allgemeinen Markt, wie sich die Preise auf den englischen Auktionen stellen. In Deutschland sind die Märkte von Berlin und Breslau tonangebend. Über Streichwolle und Kammwolle s. u. Wollgarne. - Zoll: W. und Wollabfälle zollfrei; gekämmt gem. Tarif Nr. 41 b.

Wollengarne. Diese zerfallen in zwei Hauptklassen: Streichgarne (frz. fil de la laine cardée, engl. cardet woolgarn) und Kammgarne (frz. fil de la laine peignée, engl. combed woolgarn). Zu Streichgarn verwendet man kurze, stark gekräuselte, zu Kammgarn möglich lange, schlichte oder nur schwach gekräuselte Wolle. Hiernach und infolge der verschiednen Behandlung erscheint das Streichgarn im Faden weich und rauh, wollig, und dient zu tuchartigen gewalkten Stoffen, während das Kammgarn glatt, dichter von Körper ist und zu glatten Zeugen, Thibets u. a. gebraucht wird. Für Streichgarn wird die gereinigte, auf Maschinen gelockerte und mit Öl gefettete Wolle, weiß oder für wollfarbige Tuche schon gefärbt, durch Krempel zunächst in wattenartige Tafeln, dann in schmale Bänder verwandelt, welche sogleich zu losen runden Fäden zusammengerollt werden. Diese Lunte kommt auf die Feinspinnmaschine oder passiert vorher erst eine Vorspinnmaschine. - In der Kammgarnspinnerei wird die Wolle nach dem Waschen und Entkletten geölt, dann auf Krempeln in Watten und Bänder verwandelt, auf Strecken gestreckt und dupliert, hierauf der Kämmmaschine übergeben, welche die kurzen Fasern als Kämmling ausscheidet, während die langen Fasern den Zug bilden. Die Kämmlinge kommen mit zur Streichwolle. Je nach der Bestimmung der Garne im Webstuhl unterscheidet man auch bei den W. Kettengarn und Schußgarn; das erstere erhält beim Spinnen stärkere Drehung als das andere, und für Tuche und andre, der Walke unterliegende Stoffe haben beide auch entgegengesetzte Drehungen, das eine rechts, das andre links. - Von den mannigfachen Wollenwaren sind die hauptsächlichen in Einzelartikeln betreffenden Orts aufgeführt. Die Zugbänder werden gestreckt und dupliert, auch wohl zur Entfernung des Öles gewaschen und sogleich zwischen dampfgeheizten Cylindern getrocknet, wodurch den Wollhaaren, da dieselben; leichzeitig einem Zug ausgesetzt sind, die Kräuselung genommen wird. Hierauf erfolgt Vor- und Feinspinnen, wie es bei Baumwolle beschrieben wurde. Die Handkämmerei ist durch die Maschinenkämmerei beinahe ganz verdrängt worden. - Wird lange Wolle nicht gekämmt, sondern nur gekratzt, im übrigen aber weiter behandelt wie Kammwolle, so entsteht das Halbkammgarn, welches als Stick-, Tapisserie- und Strumpfwirkergarn vielfach Verwendung findet. Es ist wohlfeiler als Kammgarn und da lange und kurze Fasern neben einander liegen, weniger glatt und fest. Die Nummerierung ist bei den Strickgarnen eine sehr wilde; fast in jedem größeren Industriebezirk finden sich mehrere Systeme. Eine Aufzählung soll der großen Mannigfaltigkeit wegen deshalb unterbleiben. Besser sind die Verhältnisse bei Kammgarn. In deutschen, österreichischen und einigen französischen Fabriken gilt die englische Baumwollennummerierung. Die Nummer gibt an, wie viel Schneller von 840 Yards Länge auf 1 Pfd. engl. gehen; in England selbst gelten als Längeneinheit 560 Yards. In Frankreich, Belgien, der Schweiz und Italien gelten Schneller von 720 m als Längen- und 500 g als Gewichtseinheit. Einige Fabriken haspeln auch Schneller von 1000 m und geben an, wie viel derselben auf 1 kg gehen. - Zoll s. Tarif Nr. 41 c 3 α bis δ.

Wollfett (Wollschweißfett, Waschfett). Diesen Namen führt die fettige Masse, welche man aus den Waschwässern der Walkereien und Wollwäschereien abscheidet und verschiedenartig verwertet. Diese Wässer enthalten nicht nur die Bestandteile des Schafschweißes (Wollschweißes), sondern auch das zum Einölen der Wolle beim Verspinnen verwendete Öl, größtenteils im verseiften Zustande, sowie auch Kaliseife, die zum Waschen der Wolle und des Garnes diente. Die Abscheidung des Fettes oder richtiger der Fettsäure aus diesen Wässern geschieht durch Zusatz von Salzsäure oder Schwefelsäure. Die hierzu nötige Menge dieser Säuren ist natürlich nicht immer die gleiche, sondern je nach Art dieser Wässer verschieden; im Durchschnitt verwendet man auf 7000 l solcher Wässer 25 kg Schwefelsäure von 66° Bm. und erhält im Mittel 200 kg einer fettigen, schlammigen Masse, aus welcher man nach gehörigem Ablaufen des Wassers durch heißes Pressen circa 50 kg Fett erhält, während noch circa 35% Fett, sowie 22-23% andre organische Substanzen im Rückstande bleiben. Man verwendet dieses rohe Fett zur Herstellung ordinärer Seifen, sowie als Zusatz zu Wagenschmieren und versendet es in Fässern. Man hat auch schon den aus den Wollwaschwässern abgeschiednen Fettschlamm mit überhitztem Wasserdampf destilliert, und die hierbei erhaltenen durch Pressen abgesonderten festen weißen Fettsäuren als Kerzenmaterial verwendet. In andern Etablissements verarbeitet man diesen Fettschlamm auf Leuchtgas oder man verdampft das ganze Wollwaschwasser mittels von den Dampfkesselfeuerungen abziehender Feuergase in flachen Pfan-^[folgende Seite]