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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Chemikalien unorganischen Ursprungs.

und wird zu Stickstoffoxyd. Durch die anwesende atmosphärische Luft wird das Stickoxyd wiederum zu Untersalpetersäure resp. salpetriger Säure oxydirt; in dieser Weise erfolgt der Kreislauf immer von Neuem. Die Zersetzung der Salpetersäure erfolgt namentlich unter Beihülfe der schon gebildeten Schwefelsäure. Das Wasser disponirt hier zur Schwefelsäurebildung in derselben Weise, wie bei anderen durch die schweflige Säure bewirkten Reduktionsprozessen. Durch die Wechselwirkung der Untersalpetersäure und der schwefligen Säure unter Einfluss des Wasserdampfes bildet sich eine Verbindung von Schwefelsäure und salpetriger Säure, welche sich in der Kammer in Form weisser Nebel zu Boden senkt, hier mit der dünnen, warmen Kammersäure in Berührung kommt und sich in derselben auflöst; hierbei wird die salpetrige Säure in Gasform frei. Aus ihr entsteht wieder Untersalpetersäure, so dass bei wohl regulirter Zuströmung der schwefligen Säure der Kreislauf ein ununterbrochener ist. Die mitunter sich bildenden sogenannten Bleikammerkrystalle sollen aus H2SO4^[H_{2}SO_{4}] + N2O3^[N_{2}O_{3}] bestehen; sie bilden sich nur bei fehlerhafter Leitung des Prozesses, besonders bei Mangel an Wasser. (Siehe Fig. 190.)

Die in den Bleikammern gewonnene sog. Kammersäure hat durchschnittlich eine Stärke von 50° Bé. = 1,520 spez. Gew. Sie ist für viele Anwendungen vollständig stark und rein genug und wird dann ohne Weiteres verwendet. Bevor man sie andernfalls weiter konzentrirt, wird die Befreiung von ihren schlimmsten Verunreinigungen, der arsenigen Säure und den Nitroverbindungen, vorgenommen. Etwa vorhandene salpetrige Säure wird durch Zusatz von etwas Oxalsäure entfernt, indem dieselbe bei der Zersetzung Kohlensäure und Kohlenoxyd abgiebt und die salpetrige Säure unter Bildung von Kohlensäure und Stickstoff reduzirt.

Die arsenige Säure entfernt man auf verschiedene Weise, gewöhnlich durch Einleiten von Schwefelwasserstoffgas in die mäßig erwärmte Kammersäure; hierbei entsteht gelbes Schwefelarsen, welches durch Absetzenlassen und Filtration durch Asbest von der Säure getrennt wird. Auch setzt man der Säure kleine Mengen von Schwefelbaryum zu; es entsteht neben Schwefelwasserstoff, der das Arsen ausfällt, schwefelsaurer Baryt, welcher sich ebenfalls ausscheidet.

3. Konzentration der Kammersäure. Diese geschieht auf zweierlei Weise. Zuerst durch einfaches Abdampfen in offenen, sehr flachen Bleipfannen über freiem Feuer. Hierbei kann jedoch nur eine Konzentration von 60° Bé. = 1,700 spez. Gew. erreicht werden, da eine noch stärkere Säure das Blei angreift. Soll dieselbe weiter konzentrirt werden, so geschieht dies durch Ueberdestilliren des überschüssigen Wassers aus Platin- oder Glasgefässen. Neuerdings hat die Benutzung von Glas zu diesem Zwecke immer mehr zugenommen, da neben den kolossalen Kosten für Platindestillirgefässe diese dennoch mit der Zeit angegriffen werden; der Verlust, welcher durch öfteres Springen der Glasgefässe