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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Chemikalien organischen Ursprungs.

roth, später bräunlich und hat einen noch ziemlich unangenehmen Geruch. Sie enthält immer noch Kresol und gewöhnlich 5-10% Wasser. Sie bedarf zu ihrer völligen Lösung 25-30 Th. Wasser, und ist namentlich für die Farbenindustrie sehr wichtig zur Herstellung von Korallin, Resorcinfarben und Pikrinsäure.

Acidum carbolicum purissimum oder recrystallisatum bildet entweder lose, spiessige Krystalle, welche durch Centrifugiren von der minder reinen, daher langsamer erstarrenden Säure getrennt sind, oder ziemlich feste, vollkommen weisse Krystallmassen, in welchen die spiessige Krystallform noch deutlich zu erkennen ist. Sie schmilzt bei 40-45° zu einer klaren, öligen Flüssigkeit, erstarrt aber schon bei +36°. Der Geruch ist eigenthümlich, sehr lange anhaftend, der Geschmack brennend scharf. Der Siedepunkt liegt bei 178°-182°; sie verflüchtigt sich in geringen Mengen mit den Dämpfen des siedenden Wassers. Löslich ist sie in 17 ½ Th. Wasser von 15°, in jedem Verhältniss mischbar mit Alkohol, Chloroform, Glycerin, fetten und äth. Oelen, konzentrirter Essigsäure etc., nicht löslich in Petroleumäther und Benzin. Die wässerige Lösung reagirt nicht sauer; überhaupt hat die Karbolsäure einen so schwach sauren Charakter, dass sie aus den Carbonaten der Alkalien nicht einmal die Kohlensäure austreibt. Dagegen verbindet sie sich mit den Aetzalkalien zu krystallisirenden und alkalisch reagirenden Verbindungen, ebenso auch mit vielen Metalloxyden. Auf die Haut gebracht ruft sie ein eigenthümlich kitzelndes Gefühl hervor, welches sehr lange anhalt; die Haut wird weiss, schrumpfig und stirbt zuletzt ab.

Die Darstellung der absolut reinen Karbolsäure ist eine ziemlich schwierige. Die letzten Reste des Kresol sind sehr schwer davon zu trennen; man destillirt wiederholt, bis der genaue Siedepunkt erreicht ist und krystallisirt dann noch ein oder mehrere Male um.

Anwendung. Die vollständig reine Karbolsäure findet, ausser zur Darstellung der Salicylsäure, nur medizinische Verwendung. Innerlich wird sie in sehr kleinen Gaben (höchstens 0,05) gegeben, jedoch nur sehr selten. Aeusserlich war sie längere Zeit das beliebteste und geschätzteste antiseptische Mittel bei Wundverbänden, eiternden Wunden; ferner als desinfizirendes Mittel (1:500) zum Spülen des Mundes und zum Gurgeln, sowie überhaupt zur Vernichtung aller Fäulniss erregenden Stoffe. In letzter Zeit hat sie jedoch viel von ihrer Schätzung verloren, da bei ihrer grossen Giftigkeit vielfach Unglücksfälle damit hervorgerufen sind und überhaupt bei dauerndem Gebrauch mancherlei unangenehme Nebenwirkungen auftreten. Karbolsäure ist so giftig, dass schon 5 Gramm tödtliche Wirkungen hervorrufen können; selbst beim äussern Gebrauch zu starker Mischungen sind direkte Vergiftungsfälle beobachtet worden. Sie gehört also zu den Stoffen, welche nur mit "Vorsicht" abzugeben und zu behandeln sind. Beim Umschmelzen z. B. hüte man sich vor zu starkem Einathmen der Dämpfe und ebenso davor, dass unverdünnte