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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Gesetzeskunde.

gebunden, es entscheidet nach freiester Ueberzeugung auf Grund des erörterten Thatbestandes. Je nach dem Ergebniss spricht es den Beklagten frei, erhöht oder erniedrigt die polizeilich oder amtsrichterlich festgestellte Strafe.

Auch wenn der Schöffengerichtsverhandlung keine Strafverfügung vorausging, muss der Angeklagte im Termine persönlich erscheinen oder sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Das Urtheil der Schöffengerichte vermag der Angeklagte durch das Rechtsmittel der Berufung anzufechten. Dieselbe muss bei dem Gerichte erster Instanz (Amtsgericht) binnen einer Woche nach Verkündigung des Urtheils zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder schriftlich erhoben werden. Geschah die Verkündigung des Urtheils nicht in Anwesenheit des Angeklagten, dann beginnt diese Frist mit der Urtheilszustellung zu laufen. Die rechtzeitige Einlegung der Berufung hemmt die Rechtskraft des Urtheils. Nach Anmeldung der Berufung erhält der Angeklagte das Urtheil mit Gründen zugestellt. Demselben steht es frei, binnen einer weiteren Woche (seit Zustellung) entweder zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder in einer Beschwerdeschrift die Berufung zu rechtfertigen. (Die verspätete Einlegung der Berufung führt dazu, dass das Gericht erster Instanz schon das Rechtsmittel als unzulässig verwirft; hiergegen ist Beschwerde binnen einer Woche zulässig.)

Die Berufungsinstanz, das Landgericht, befasst sich sodann mit nochmaliger Aburtheilung der Sache, indem es die Hauptverhandlung anberaumt, den Angeklagten und die Zeugen etc. ladet, ersteren unter Hinweis auf die Folgen im Falle seines Ausbleibens. Neue Beweismittel jeder Art sind zugelassen. Nach der Beweisaufnahme hört das Gericht den Staatsanwalt, den Angeklagten und seinen Vertheidiger mit ihren Anträgen und Ausführungen; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

Insoweit das Landgericht die Berufung für begründet erachtet, erkennt es in der Sache unter Aufhebung des früheren Urtheils selbst. Ist bei dem Beginne der Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch ein Vertreter desselben erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so erfolgt, insoweit der Angeklagte die Berufung eingelegt, die sofortige Verwerfung derselben; insoweit die Staatsanwaltschaft die Berufung provozirt hat, ist über dieselbe zu verhandeln oder die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen. Nur wenn der Angeklagte durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist, kann er (gegen die Verwerfung der Berufung) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche beantragen. Ein nur von dem Angeklagten (oder seinen Angehörigen) oder zu Gunsten desselben vom Staatsanwalt angefochtenes Urtheil darf nicht zum Nachtheil des Angeklagten abgeändert werden, eine Erhöhung der erstinstanzlichen Strafe ist solchenfalls nicht statthaft.

Die dritte Instanz bildet das Oberlandesgericht. Ein Urtheil, das durch das Rechtsmittel der Revision angefochten wird, gelangt am Oberlandesgericht zur nochmaligen Prüfung.

Der Revision unterliegen nur Urtheile, welche auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet wurde. Die rein thatsächliche Würdigung des Straffalles, insbesondere die Würdigung der erbrachten Beweise in Bezug auf die Beantwortung der Schuldfrage ist der Prüfung des Revisionsrichters entzogen. Das durch das Gericht erster Instanz bez. die Berufungsinstanz festgestellte, thatsächliche Ergebniss bleibt für das Revisionsgericht maßgebend und bildet die Grundlage seiner Entscheidung bei der rechtlichen Beurtheilung des Straffalles.