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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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Schwaben zur Beiwohnung mit ihnen in den Hainen und schattigen Orten ein, um nach Empfängnis der Frucht in ihre Wohnsitze zurückzukehren. Sehr groß war auch die Sorge dieser Amazonen, einen berühmten Dienst der Diana und der Nymphen herzustellen und ihre Verehrung besonders in den für ihren Dienst geschickten Gegenden zu vermehren; denn wenn sie dies nicht täten, hätten sie nach ihrer Meinung durchaus nicht die Länder unterwerfen und ihre Königinnen in den Reichen einsetzen können. Damit aber der an dem Ort begonnene Gottesdienst ewig bleibe, gründeten sie daselbst eine Stadt, indem sie ihr von dem Gattungsnamen des Ortes und der Bäume den Eigennamen ließen. Das Regiment dieser Frauen begann vor den Zeiten Abrahams und dauerte bis aus die Zeiten Alexanders des Großen. Als aber endlich ihr Laus in der Welt gehemmt ward und zum Stillstand kam, lebten sie auf einer Insel bis auf die Zeiten des hochberühmten Königs der Briten Artur, der im Jahr 489 nach des Herrn Menschwerdung lebte, und leben vielleicht heute noch fort. An. den Hof des genannten Königs kam nämlich ein sehr schöner Jüngling. der unter den Amazonen 15 Jahre lang als Frau aufgezogen worden war, aber da sein Geschlecht nicht weiter verborgen werden konnte, (pag. 11) wurde er aus der Insel vertrieben und kam an den vorgenannten Hof, und als er ein Kriegsmann geworden, führte er die schwierigsten Taten aus, da er der Erbe der Kriegslust seiner Mutter geworden war. Man glaubt aber, daß zur Zeit der Amazonen das größte Heiligtum in Ulm bei der Quelle gewesen sei, die zu den alten Röhren (ad antiquas cannas) genannt wird, und daß daselbst ehemals ein sehr dichter Hain gewesen sei; denn bei dem Hervorbrechen der Gewässer und bei der Vereinigung der Flüsse übten sie Zeichendeutung aus und befragten die Götter um Orakel, weil sie mit dem Philosophen Thales irrend glaubten, das Wasser sei der Anfang der Dinge und der Ozean aller Wesen Vater und Gott, und alle Flüsse und Quellen seien seine Söhne und Töchter und das Wasser habe eine Seele und Leben und es wohne ihm ein göttlicher Verstand inne, denn sie sahen, daß in allem beim Aufhören der Feuchtigkeit und behn Nachlassen des Wassergehalts das Leben aufhörte und ohne Feuchtigkeit nichts erzeugt werden und wachsen könne. Darum sagten sie, alles beruhe auf der Macht der Feuchtigkeit. Deshalb standen sie, wie gesagt, an den Ausbrüchen der Gewässer und redeten das herausfließende Wasser wie die lebendige Tochter eines Gottes an und baten um Orakel, die sie zuweilen auf Betreiben des Teufels erhielten, und sahen Erscheinungen. Daher versichern, um von den Irrtümern der Alten zu schweigen, in unserer Zeit verrückte Dirnen, ohne im Gesicht zu erröten, aus der Öffnung der Quelle der alten Röhren kommen sehr schöne Frauen hervor und steigen bei Nacht die Stufen herauf, sie ziehen durch Ulm, aber wohin sie gehen und was sie treiben, sagen sie nicht öffentlich, sondern dichten mit geheimnisvoller Glaubwürdigkeit, sie wandern im Dienste des Vaters Bacchus an seinen Lagern herum, um, wenn sie des Bacchus Manneskraft geschwächt finden, durch Lieferung von Feuchtigkeit seiner Liebeslust nachzuhelfen. Aber obgleich diese Dirnen die poetischen Geheimnisse nicht so deutlich ausdrücken, erklären sie doch die Sache noch häßlicher. Diese Frauen, sagten die Alten, seien Töchter des Nereus und der Doris, die Nachkommen des Oceanus. Und die Nymphen, welche von den Amazonen, wie gesagt, verehrt wurden, hießen Nereiden. Hievon also nimmt man den natürlichen Anfang der Stelle der Stadt Ulm an und den Beginn der Stadt selbst. Ferner nahmen manche einen