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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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fassen. Für gewöhnlich genießen zur Osterzeit mehr als 15000 Menschen in ihr das Abendmahl.

Das Siebente, das aus dem Vorigen folgt, ist, daß die Kirche selbst im Gebrauch der Sakramente freigebiger ist als alle. Denn es findet sich keine Pfarrei, in der täglich so viele Kinder getauft werden; denn durchschnittlich werden jeden Tag 5 Kinder in dem Taufraum dieser Kirche getauft, der mit königlichem Schmuck geziert ist, und alle Getauften werden notiert und eingeschrieben. Ähnlich ist es mit der Beicht und mit dem Abendmahl; denn selten vergeht ein Sonntag, ohne daß außer den Messen der Priester entweder schwangere Frauen oder kränkliche oder andächtige Personen das Abendmahl empfangen.

Das Achte folgt aus dem Vorigen und tritt beim Begräbnis hervor. Es hat nämlich diese Pfarrkirche außer den besonderen Kirchhöfen 2 große Kirchhöfe, einen außerhalb bei Allerheiligen, den andern innerhalb neben der Kirche, in welchen täglich die Totengräber arbeiten. Der Kirchhof außerhalb hat ein mit Gebeinen so sehr angefülltes Beinhaus, wie wenn ganz Schwaben die Gebeine seiner Toten in ihm zusammenbrächte. Es sagen aber die Totengräber, daß, während sie hier in die Tiefe graben, sie überall auf sehr feste Mauern d. h. die Fundamente der früheren Pfarrkirche stoßen, die unzweifelhaft prächtig war, wie die kunstreichen Bildwerke zeigen, die aus ihr herübergeschafft und in die Mauern dieser neuen Kirche über allen Türen eingefügt worden sind mit Ausnahme (pag. 41) der westlichen Haupttüre neben den Glockenseilen, welche ein neues Bildwerk hat; alle übrigen sind von der alten Pfarrkirche. Auf dem inneren Kirchhof aber finden sie, wenn sie graben, unterirdische Bauten und leere Gewölbe und anderes, dessen Bestimmung man nicht kennt. Hierüber pflegen sich die Leute zu wundern, und die Aschenkammer dieses Kirchhofs war einst der Keller der Mönche von St. Georg unter der Kapelle des heiligen Valentin.

Das neunte Besondere dieser Pfarrkirche ist die große Zuneigung und Liebe der in ihr Eingepfarrten. Denn sehr hängt sowohl der Rat als die Gemeinde an dieser Kirche wie an ihrer Mutter, und Lebende sowohl als Sterbende ehren und zieren sie mit Pfründen, indem sie ewige Lampen und Seelmessen stiften. Denn alle Lampen der alten Kirche, deren es sehr viele gewesen sein sollen, waren bei der Übersiedlung abgeschafft worden und der Erlös aus ihnen kam dem Bau der neuen Kirche zu gut, wie auch die alten Seelmessen, die außerhalb gestiftet worden waren, zu Gunsten der neuen Kirche aufgehoben wurden.

Das Zehnte und Letzte ist, daß der Pfarrer dieser Kirche sich großer Privilegien erfreut zu Gunsten der Kirche und zu seinem nicht geringen Nutzen; denn einem von Rechtswegen erlassenen Interdikt unterliegt er nicht, sobald der an den Bischof von Konstanz abgesandte Bote zur Stadt hinausgekommen ist; wie z. B. wenn ein Priester erstochen oder getötet worden ist, hört alsbald, wie die Gerichte anordnen, der Gottesdienst aus, aber sobald der Bote gegen Konstanz fortgegangen ist, nimmt man den Gottesdienst wieder auf. Ebenso wenn der Kirchhof oder die Kirche entweiht worden ist, kann ihr insgeheim der Pfarrer durch ein gewisses Wasser wieder die Weihe geben. Dies ist gewiß notwendig, weil die Menge des Volkes durch Verschiedenes gestört ist und die Kirche den ganzen Tag offen steht und durch sie jedermann den Durchgang nimmt. Es ist auch in ihr ein mannigfacher Lärm, besondere jedoch von den müßigen Geistlichen, welche daselbst eine Zusammenkunft und Gespräch halten,