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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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höchste der äußeren Güter (pag. 70) die Ehre ist, wie derselbe 4 Ethicor. sagt. Wenn also jeder, der durch Klugheit, Reichtum, gute Freunde und Gönner viel vermag, in die Stellung der Obersten aufsteigen würde, so bliebe in den unteren Ständen und Zünften kein Reicher und Kluger zurück, die doch auch bei den Unteren notwendig sind, und so würde die Harmonie eines angenehmen Regiments gestört. Obgleich auch kluge Zünftige nicht in die Gemeinschaft der Obersten aufgenommen werden, so werden sie doch durch den Rat von würdigen Diensten nicht ausgeschlossen. Und ebenso nützlich sind dem Staat kluge und reiche Zünftige wie die vom Rang der Obersten.

Der dritte Grund ist der: daß das Staatswesen gefördert werde. Denn ein Reicher oder Kluger, der anderswo seinen Wohnsitz hat und weiß, daß er in Ulm die Stellung der Höchsten und Ersten erlangen kann, sammelt all sein Hab und Gut und kommt, indem er dem Staatswesen Förderung bringt, und wenn er nicht wüßte, daß er in dieser Weise geehrt werde, so würde er gar nicht kommen; und so wächst der Staat an Zahl der Personen und an Reichtum. Aber keinen von diesen würde er bekommen, wenn die Zünftigen unter die Zahl der Obersten und Ersten aufgenommen würden; denn die Zünftigen gehören auch zur Zahl der Bürger, ebensogut wie die Ersten, und wenn sie Reichtum haben und durch Klugheit viel vermögen, so sind sie dem Staate nützlich; und kein größerer Nutzen würde dem Staate zuwachsen, wenn sie in den Rang der Ersten aufgenommen würden, als wenn sie im Stande der Zünftigen bleiben.

Der vierte Grund ist die Zurückweisung der Anmaßung von Unverständigen. Denn während bewiesen ist, daß die Bürger im Range der Ersten adelig sind, so sind sie doch, wenn sie es nicht dem Blut nach sind, durch Anordnung oder Genossenschaft und Auffassung der Menschen adelig. Wenn also Zünftige in den Rang der Ersten aufgenommen würden, dann wollte sogleich jeder, nachdem er durch seine Geschicklichkeit sich Reichtum erworben hätte, auch in diesen Rang aufsteigen und adelig sein. Und wenn sie einen Reichgewordenen und sonst auch mit anderen guten Verhältnissen Ausgestatteten aufnehmen würden, so würden sie gezwungen, auch einen neuerdings Reichgewordenen aufzunehmen, der weder Erfahrung im Reichtum noch in Ehrenstellen. hätte und verkehrt und töricht leben würde, und das würde zur Schande für das Gemeinwesen ausschlagen. Nicht aber das nämliche Verhältnis besteht bei einem Fremden, der neuerdings reich geworden und nicht verständig ist, wenn sie den in den ebengenannten Stand aufnehmen würden; denn bei einem solchen nützt, wenn er auch im Rat nicht nützlich wäre, doch sein Reichtum dem Staat, und sein Unverstand ist dem Staate nicht schädlich, auch nicht seine Verschwendung; dies alles verhält sich anders bei einem Zünftigen, der Bürger ist, wie bei Überlegung der Sache klar ist. Andererseits wenn ein reicher Zünftiger in diesen Rang aufgenommen würde, so würde ein ehrgeiziger Armer (pag. 71) niemals ruhen, bis er auch zu demselben Rang aufsteigen würde, und würde aus alle Weise durch Wucher und andere Ränke sich bemühen, Reichtum zu sammeln; und das Gemeinwohl, das auf Frieden und Tüchtigkeit beruht, würde beeinträchtigt.

Der fünfte Grund ist, daß der Adel nicht in Verachtung kommt. Denn, wenn ein Handwerker, der heute Schuhe gemacht hat und morgen in die Genossenschaft der Ersten aufgenommen würde, adelig würde, so würde eine große Geringschätzung der Adeligen und Verachtung der Bürger unter den Adeligen entstehen.