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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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Der sechste Grund ist: ein Handwerker nämlich oder Kaufmann von Ulm ist reich geworden dank dem Gemeinwesen der Ulmer und von dem Gut seiner Mitbürger und durch das Bestehen derselben. Darum ist es nicht billig, daß er noch durch weitere Vergünstigungen belohnt werde, während ihm vom Gemeinwesen schon eine Vergünstigung erwiesen worden ist, die er vielleicht nicht verdient hat, sondern vielmehr ist er gehalten, dem Gemeinwesen den Dank zurückzuerstatten. Ein fremder Reicher aber, der seine anderwärts erworbene Habe nach Ulm hereinbringt, muß verdientermaßen belohnt werden, da er ohne die Beihülfe des Ulmer Gemeinwesens diese erworben hat und mit fremdem Gut das Beste des Gemeinwesens gefördert worden ist. Deshalb muß er verdientermaßen belohnt werden. Und daher kommt es, daß ein Zünftiger nicht aufgenommen wird, aber ein Fremder.

Der siebente Grund ist: während die reinen Adeligen mit den Höchsten der Stadt Ulm durch Ehen sich verbinden, wodurch das Ulmer Gemeinwesen am meisten achtbar wird; würden sie, wenn sie hören oder erfahren würden, daß Handwerker ihren Blutsverwandten gleichgemacht werden, diese Ehen als bäuerisch und bürgerlich meiden. Aber auch diese Unordnung würde eintreten, daß auch diese neuerdings in diesen Stand Aufgenommenen an allen Tätigkeiten der Adeligen, in denen sich die Bürger vom Rang der Beamten üben, auch teilnehmen würden. Beispielsweise hat ein Bürger vom Rang der Ersten einen Adeligen als Verwandten, dessen Schwester er vielleicht als Frau hat, und duzt denselben als Verwandten, so würde der neuerdings zum Bürger gemachte Handwerker eben dies tun wollen, während es der Adelige keineswegs dulden würde. Übrigens dulden die Adeligen die Bürger um sich bei der Ausübung der Jagd und widmen sich mit ihnen wie mit Adeligen dem Lanzenstechen, ja selbst Freiherren weisen die Ulmer Bürger der dritten Ordnung nicht zurück, wenn sie mit den Abzeichen ihres alten Bürgerstandes ausgestattet sind, aber einen aus den Zünften Aufgenommenen, dessen Abzeichen nicht bekannt wären, würden sie unter keinen Umständen auf dem Platz des Lanzenstechens dulden, außer vielleicht zum Spott. Und was noch mehr ist als dies: die Adeligen lassen nur unter Schwierigkeiten diejenigen Dienstmannen bei Turnieren zu, welche Söhne von Muttern sind, die selbst Töchter von Hochstehenden der Städte sind, lassen sie (pag. 72) jedoch zu, nachdem sie viele Erörterungen über den Adel ihrer Mütter vorausgeschickt haben, während über den Vater kein Zweifel herrscht. Wenn nun Zünftige in diesen Stand aufgenommen würden, so würden um ihretwillen überhaupt die Adeligen von den Turnieren ausgeschlossen werden. Überdies bewilligten die Fürsten ehemals Lehen nur Adeligen; denn das wahre Zeichen des Adels ist, wenn manche von Alters her Lehensgüter besitzen, obgleich jetzt mißbräuchlicherweise fast kein Unterschied der Personen mehr ist. Da aber fast alle alten Ulmer Bürger als wahre Adelige Lehensgüter haben, so können ihnen bei Bestand der alten Ordnung und der alten Rechte ordnungsgemäß Zünftige in diesen Gütern nicht nachfolgen. Aber die Erbschaft solcher Güter würde auf die Zünftigen übergehen, wenn sie aufgenommen würden. Die Adeligen hängen auch mit den Höchsten in den Städten ihre Siegel an die Briefe, wie man bei alten und neueren Briefen sieht; dies zu tun würden sie sich weigern bei einem gewöhnlichen Zünftigen und Handwerker. Es gibt aber mehrere Zünftige, die adeliger sind als viele von den Höchsten. Auch bei den Reichstagen haben die Obersten in den Städten ihre Stelle unter den Adeligen, welche den zünftigen Handwerkern nicht gegeben würde.