Schnellsuche:

Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

104

zu schwimmen. Daher hat der Berg, weil er feucht ist, ein fruchtbares Erdreich, besonders da er überdies einen sehr günstigen Blick nach der Sonne und anderen Gestirnen hat; aber niemand kann zweifeln, daß dieser Berg vor der Bewohnung des Ortes durch Menschen voll von gewaltigen Eichen gewesen ist. Nachdem aber die Bäume abgehauen waren, brachte der Boden Heilkräuter und aromatische Pflänzchen verschiedener Art hervor. Denn heute noch suchen die Kräutersammler an den Abhängen dieses Berges kräftige Wurzeln und wohlriechende Kräuter zur Destillation von Arzneien, zur Bereitung von Bädern und zur Anfertigung von Salben. Denn was in fernen und warmen Gegenden wächst, findet sich hier, weil der Boden dieses Berges mit einer gewissen besonderen Fruchtbarkeit durch den Schöpfer getränkt zu sein scheint: hier ist die Luft reiner, die Erde fruchtbarer, das Wasser gesunder und das Feuer gewissermaßen heller leuchtend. Hier sind nicht nur die von selbst hervorsprossenden Gewächse der Erde kräftig, sondern es ist ausgemacht, daß alles was man pflanzt, sät und in den Boden legt reichlicher Frucht bringt. Aber auch die hier erzeugten Tiere sind kräftiger und wertvoller, und besonders Pferde werden hier so gut und tüchtig erzeugt, daß Fürsten von weither sich Pferde von diesem Ort schicken lassen, oder von ihren Gegenden Stuten an den Ort schicken, damit sie hier gefüttert und gedeckt Junge bekommen. Ähnlich zeichnen sich die Kühe, Stiere, Schafe, Spanferkel durch Milch, Junge, Fleisch, Haut und Wolle aus. Aber auch die Hennen legen hier mehr Eier, und alles Übrige ist stark an Zeugungskraft. Und dies kommt von der natürlichen Lage des Landes her und von dem Einfluß der Sonne und der Gestirne. - Zweitens kommt die Betrachtung an den heidnischen Götzendienst, der einst an diesem Ort getrieben wurde. Obgleich unsere Alten hierüber uns nichts hinterlassen haben, (pag. 155) so können wir doch recht wohl auf die Vorgänge an dem Ort schließen nach der eben besprochenen Beschaffenheit des Ortes und des Berges und nach der Vorliebe der Alten für dergleichen Orte, wie wir es lernen aus den Gedichten, welche die Götterlehre behandeln. Denn das, was die Alten, die später für Götter gehalten wurden, an einem Ort taten, feierten sie an allen gleichartigen Orten der Welt auf irgend eine Weife wie die erste Handlung, stellten es als Handlungen der Alten dar und hielten den Ort für geheiligt, wie wenn die Götter persönlich daselbst gewesen wären. So ist von Venus bekannt, daß sie in Cypern der Wollust dienend den höhlenreichen Berg Paphus sich heiligte und alle, die zu diesem Berge kamen, von jeglicher Zucht befreite und ihnen die Erlaubnis für jede beliebige Ansgelassenheit gab. Und nach ihrem Tode wurde nicht nur dieser Berg in Cypern, sondern die Berge in vielen Gegenden als der Venus geheiligt angesehen. Und so töricht waren die Menschen, daß, wie die Cyprier sagten, sie sei bei ihnen gewesen und wohne noch in dem Berge, so auch die Apulier behaupteten, sie habe bei ihnen gelebt und genieße noch in ihrem Berg von Apulien mit den Göttern ihre Lust. Dies erklärten die Hibernier für falsch und bewiesen durch Zeichen und Wunder, daß Venus nirgends als bei ihnen gewesen sei, und sagten, sie hören sie oft in einem Berg ihrer Lüfte pflegen und spüren es merklich, und mehrere seien bei ihnen, die versicherten, sie haben an ihren Lustbarkeiten teilgenommen. So glaubten auch andere, Venus sei bei ihnen in einem Berge. Daher kommt es, daß es in vielen Gegenden einen Venusberg gibt, wie oben gezeigt wurde. Und doch konnte es nur eine Venus geben, die sie in allen höhlenreichen Bergen verehrten. Ebendasselbe ist von Jupiter bekannt, der als aus dem Berg Olymp woh-^[folgende Seite]