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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Begabung des Einzelnen; Wohnstätten

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Die Urgeschichte der Kunst.

Nach meiner Ansicht spricht kein zwingender Grund gegen die Annahme, daß an verschiedenen Punkten die erwähnten ersten Fertigkeiten selbständig und unabhängig von anderen erfunden wurden. Allerdings ging dann die Weiterentwicklung in dem einen Gebiete schneller, in einem anderen langsamer vor sich, auch fand später wohl eine gegenseitige Beeinflussung statt.

Wenn man erwägt, daß auch heute noch manchmal scharfsinnige Entdeckungen wissenschaftlicher Art gleichzeitig an verschiedenen Orten gemacht werden, so erscheint es wohl denkbar, daß die "Tiermenschen" in verschiedenen Gebieten, welche in ihrem Wesen gleichartig und dem gleichen Zwange des Daseinskampfes ausgesetzt waren, die ersten Schritte zur Kultur selbständig machten.

Die Annahme eines Mittelpunktes erleichtert freilich die Erklärung der vielfachen Uebereinstimmung, diese läßt sich aber auch aus der gleichen Anlage der Urmenschen folgern. Ich halte es für wahrscheinlicher - so lange nicht zweifellos das Gegenteil erwiesen ist -, daß die "Anfänge der Kultur" mehr oder minder gleichzeitig an verschiedenen Punkten der Erde entstanden und erst in der Folgezeit ein Austausch der erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten stattfand.

Begabung des Einzelnen. Es ist ferner wohl anzunehmen, daß auch die ersten Fertigkeiten nicht Gemeingut aller Angehörigen eines bestimmten Volkskreises, sondern auch an persönliche Begabung gebunden waren. In diesem Sinne mochten den Urmenschen jene Genossen, die solche Fertigkeiten mit besonderem Geschick übten, schon als "Künstler" erschienen sein.

Aus den natürlichen Verhältnissen ergiebt sich auch, daß der menschliche "Erfindungsgeist" sich auf zwei Hauptsachen richtete: auf Behausung einerseits, Waffen und Geräte andererseits. Der Mensch suchte sich gegen feindliche Einflüsse zu schützen und seine Angriffskraft zu verstärken.

Wohnstätten. Bei den Behausungen waren vor allem maßgebend die Rücksichten auf das Klima und die vorhandenen Baustoffe, hinsichtlich welcher wieder die gewonnenen Fertigkeiten in Herrichtung von Werkzeugen in Betracht kamen. Zunächst wurden natürliche Verstecke benützt, und wo solche in besonders günstigem Maße vorhanden waren, wie in höhlenreichen Gebirgen, richtete der Mensch selbstverständlich seine Thätigkeit mehr auf

^[Abb.: Fig. 5. Waffen, Schmuck und Geräte der Bronzezeit. (Nach Ranke und Hoernes.)

1. Bronzeschwert aus einem Schweizer Pfahlbau. 2. Schwert aus der nordischen Bronzezeit. 3. Griff eines Bronzedolches aus Perfux bei Landeck in Tirol. 4. Häufige Form der Axt (Celt) der nordischen Bronzezeit. 5. Gewandnadel (Fibel) aus der nordischen Bronzezeit. 6. Messer aus Dänemark. 7. Armring aus Gucewo in Bosnien.]