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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

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Die hellenische Kunst

Antentempel. Beide Arten haben als Hauptteil die Zelle (Cella), den Raum für das Götterbild. Bei dem Antentempel ist die Zelle nahezu quadratisch; die beiden Seitenmauern sind verlängert und enden in Wandpfeilern - Anten - zwischen welchen Säulen stehen, welche das Gebälk des Giebels tragen.

Peripterostempel. Der Peripterostempel hat eine Zelle von längerer, rechteckiger Form, die zwei, bisweilen drei Räume enthielt, die eigentliche Cella als Heiligtum, eine Vorhalle (Pronaos) und einen Hinterraum (Opisthodomos), der als Schatzkammer oder "Sakristei" diente. Dieses Langhaus war auf allen Seiten von Säulenreihen umgeben; es ruhte auf einem Unterbau (Krepidoma, die obere Fläche desselben heißt Stylobat) mit hohen Stufen ringsum; an der Vorderseite waren dann noch Zwischenstufen eingelegt, welche den Aufgang gestatteten.

Abarten. Von beiden Hauptformen giebt es mehrere Abarten. Bisweilen wurden bei den Antentempeln auch auf der Rückseite die Seitenmauern verlängert, und zwischen diesen hinteren Anten Säulen gestellt (Doppelantentempel). In anderen Fällen sprangen die Anten nur wenig vor, und wurden vor den ganzen Bau vier Säulen gestellt (Prostylos). Dem Doppelantentempel entsprach der Amphiprostylos, welcher auch auf der Rückseite vier Säulen hatte.

Abarten des Peripterostempels sind der Pseudoperipteros, bei welchem die Säulen nicht frei rings um die Zelle standen, sondern als Halbsäulen an der Zellenmauer klebten; dann der Dipteros, der zwei Säulenreihen ringsum hatte. (Besondere Formen waren der Rund-Peripteros, bei welchem die Zelle kreisrund war, und der Monopteros, eine runde Säulenhalle ohne Zelle.)

Die Zelle. Die Zelle erhielt ihr Licht durch die Eingangsthür, es herrschte somit eine geheimnisvolle Dämmerung in dem Heiligtum. In der späteren Zeit, als man große Tempel baute, gab es solche, bei welchen das Mittelschiff ohne Decke war, so daß das Licht von oben hereinfiel. (Hypæthral-Tempel.) Diese Bauten enthielten im Innern zwei Reihen von Säulen, welche dünner waren, als die äußeren. Da durch diese Schlankheit das Maßverhältnis gestört worden wäre, so machte man sie niedriger, legte eine Zwischendecke über die Seitenschiffe und stellte eine zweite Säulenreihe auf, welche bis zur Hauptdecke reichte, so daß in diesen Seitenschiffen Obergeschosse entstanden.

Die Säule. Die geschilderten Grundformen des Tempelbaues stehen, wie gesagt, seit dem 7. Jahrhundert fest und erlitten in der Folge keine bemerkenswerte Abänderung. Die künstlerische Entwicklung vollzog sich an der Säule, welche allerdings ein ganz wesentliches Glied der Gesamtanlage war, besser gesagt, die ganze Eigenart des griechischen Tempels bestimmte. In der Gestaltung der Säule geben sich somit hauptsächlich die verschiedenen "Stile" kund.

^[Abb.: Fig. 93. Standbild eines Jünglings.

Der sog. Apoll von Tenea. München. (Nach Photographie von Bruckmann.)