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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die hellenische Kunst

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Die hellenische Kunst.

Ursprungsstätten der Baukunst. Wenn man nur nach den Oertlichkeiten, an denen die Ueberreste der ältesten Denkmale sich vorfinden, auf die Hauptstätten der Entwicklung griechischer Baukunst schließen wollte, so käme man zu der Annahme, daß sie nicht im Mutterlande, sondern in Kleinasien, auf den Inseln und in Italien zuerst Ausbildung fand. Erklärlich würde dies auch insofern sein, als dort die Berührung mit anderen, bereits vorgeschrittenen Kunstkreisen einerseits, der raschere Aufschwung zu Reichtum andererseits Anregungen und Mittel boten. Indessen muß man wohl auch in Betracht ziehen, daß auf dem griechischen Festlande vielfach ältere Bauten in späterer Zeit durch neue ersetzt worden sein mochten. Eines erscheint mir nur sehr wahrscheinlich, daß hier der Holzbau, mindestens die teilweise Verwendung von Holz (Decken und Gebälke) etwas länger währte.

Zeiträume der Entwicklung griechischer Kunst. Eine andere Frage ist, welche Zeitabschnitte in der Entwicklung der griechischen Baukunst zu unterscheiden seien. Je mehr die Untersuchung ins einzelne geht, desto mehr solcher Abschnitte würde man auch aufstellen können; in der Hauptsache aber genügt es, wenn man im Anschlusse an die politisch-geschichtlichen Vorgänge drei Zeiträume unterscheidet.

Erster Zeitraum bis zu Ende der Perserkriege. Der erste reicht bis zum Abschluß der Perserkriege (467 v. Chr.); während desselben hatte sich die Einigung der griechischen Stämme zu einem "Volke" vollzogen, auf Grund gemeinsamer religiöser Anschauungen, Sitten und Ziele, kürzer gesagt: gemeinsamer Kultur. Das "Gefühl der Zusammengehörigkeit" ersetzt das fehlende politische Band, denn Griechenland bleibt in kleine Staaten geteilt, zwischen denen manche Interessengegensätze auftreten.

Zwei dieser Staaten gewinnen eine ausschlaggebende Bedeutung; sie sind Vertreter der zwei Hauptstämme und in ihrer Einrichtung und Eigenart gründlich verschieden. Der eine ist der dorische "Militär-Staat" Sparta mit einer straffen, die Freiheit der Einzelperson beschränkenden und dem Staatsgedanken unterwerfenden Ordnung. Der zweite ist Athen, die jonische Hauptmacht; hier kommt die Freiheit des Einzelnen zur Geltung, entwickelt sich der "Volksstaat". Im Gegensatze zu der spartanischen Einseitigkeit tritt in Athen uns Vielseitigkeit entgegen, der bewegliche jonische Geist bildet alle seine Seelen-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 96. Gefallener Krieger vom Ostgiebel des Tempels zu Aegina.

München, Glyptothek. (Nach Photographie von Bruckmann.)]