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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die hellenische Kunst

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Die hellenische Kunst.

Werke sind, eines hat der Hermes vor ihnen voraus: er hat die Weihe, welche nur die Hand des Meisters geben kann.

Auch die beste Abbildung kann von den Schönheiten des Kunstwerkes eben nur einen Begriff geben. Um aber doch das Möglichste zu bieten, ist der Kopf des Hermes so groß wie zulässig auf der Tafel wiedergegeben. Der Kopf ist tadellos erhalten und giebt uns das schönste Bild der Kunstweise des Praxiteles. Die Schönheiten sind so leicht erkennbar, daß eine Beschreibung unnötig ist. Ich beschränke mich deshalb darauf, auf die Einfachheit und Größe der Auffassung und die sorgfältige Arbeit hinzuweisen.

In der Haltung nähert sich der Hermes schon mehr dem Apoll, doch ist die Entlastung des linken Fußes noch nicht so vollständig. Die Körperformen sind, obwohl kräftiger als die des Apoll und Satyr, doch weit entfernt von jener Herbheit, welche Phidias selbst seinen Frauen gab. Das Ideal des Praxiteles ist ja die schöne weiche Form, die Bildung des zarteren schwellenden Fleisches. Man vergleiche, um sich dessen recht bewußt zu sein, den Hermes mit den Wettkämpfern und mit Phidias Schöpfungen.

Der Sinn der Gruppe ist der folgende: Hermes ruht auf der Wanderung nach Nysa in Böotien, wohin er auf Zeus Befehl sein Brüderchen, den kleinen Dionysos, zu den Nymphen zu bringen hat. Das abgestreifte Gewand hat er über den Baumstamm geworfen, auf welchen er sich mit dem linken Arm, mit dem er sanft das Kind hält, stützt. In der Rechten hielt er wahrscheinlich eine Traube, nach welcher der kleine Dionysos verlangend greift. Ein kraftvoller Körper in weicher edelster Form ist das Bezeichnende des Praxitelesschen Götterbildes.

Andere Hermesbilder. Der ruhende Hermes ist noch öfter dargestellt worden, und ich füge (Fig. 119) zum Vergleich ein Werk bei, dessen Urbild in späterer Zeit entstanden und vielleicht einem Schüler des Lysippos zuzuteilen ist. Hier sitzt zwar der Gott, doch die Ruhe, die aus dem stehenden Hermes so deutlich spricht, ist hier nur scheinbar. Jeden Augenblick zum Aufspringen bereit, macht der Gott einen etwas unruhigen Eindruck.

Ares Ludovisi (Fig. 120). Auch ein ruhender Ares soll gleich hier angeführt werden, da er ein Beispiel der Ruhe eines kräftigen Manneskörpers ist und zugleich eine Anschauung davon giebt, wie der Kreis um Lysippos und Skopas das Fleisch bildete. Der Eros und die Beigaben sind jedenfalls vom Nachbildner zugefügt und verderben die schöne Wirkung des edel geformten Fußes.

Eros von Centocello. Dionysostorso. Zur weiteren Erläuterung der Art, wie die Künstler dieser Zeit den jugendlichen und reiferen männlichen Körper darstellten, dienen die zwei folgenden Bilder. - Der Eros von Centocello wird jetzt dem Praxiteles zugeschrieben und scheint wohl auch die Nachbildung jenes praxitelesischen Eros zu sein, welcher nach Berichten der Zeitgenossen in Thespiä 360-350 aufgestellt wurde.

Im Gegensatz zu den schmächtigen Formen des Eros steht der Dionysostorso. Ein weichlicher üppiger Manneskörper, der Art des Praxiteles nur in der Arbeit nachstehend. Die Gefahr, daß die schönen weichen Formen schon jetzt ins weichliche übergingen, lag

^[Abb.: Fig. 150. Perikles.

London, British Museum.]